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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Die Bodenarten.
Boden, der in der Ebene allerdings noch zu kultiviren wäre, seinen Anbau gar
nicht; ja es wird oft gefährlich für die ganze umliegende Gegend, seine Narbe mit
dem Pfluge zu verwunden, indem so leicht die schädlichsten Sandwehen dadurch erregt
werden.

Dagegen kann eine hügelige und abhängige Lage dem thonigen Boden, und
dem, der einen undurchlassenden Untergrund hat, häufig vortheilhaft seyn, indem
die überflüssige Feuchtigkeit dadurch Abzug erhält. In den meisten Fällen kann man
hier durch Graben und Wasserfurchen, wenn sie gehörig angelegt sind, allen Nach-
theilen der Nässe zuvorkommen. Es findet sich mehrentheils ein Ausweg für das
Wasser, und wenn dies nicht der Fall ist, doch eine niedrige Stelle, wohin man es
zusammenleiten kann.

Steile Anhöhen sind indeß nie erwünscht, wegen der Schwierigkeit ihrer
Bestellung.

Man hat sich lange darüber gestritten, ob die größere Oberfläche des hügeligen
Bodens in Ansehung der Production Vorzüge vor der geringeren Oberfläche des
ebenen Bodens habe. Die meisten Theoretiker haben behauptet, jene habe keine
Vorzüge, und könne nicht mehrere Pflanzen tragen, wie die horizontale Fläche,
weil die Pflanzen immer perpendikular stehen, mehrere folglich weder an den Wur-
zeln noch an den Gipfeln Platz hätten. Hiervon aber haben sich die Praktiker nie
überzeugen können, und letztere scheinen offenbar Recht zu haben. Schon in Hin-
sicht des Platzes scheint es unleugbar, daß solcher für mehrere Pflanzen zureiche,
wenn sie sich übereinander erheben; wo der Gipfel des einen Baums, oder die Aehre
der einen Pflanze sich ausbreitet, da hat die Wurzel einer andern ihren Platz. Von
Menschen, die auf Stuffen stehen, können in demselben Raume mehrere zusammen-
gedrängt werden, als auf der ebenen Fläche möglich wäre. Platz ist aber überdem
für die Cerealien genug vorhanden, und es kommt nur auf die Oberfläche des Bodens
an, woraus sie Nahrung ziehen, und diese ist doch auf einem Hügel immer größer,
als auf seiner Basis. Der Hügel hat bei einer gleichen Tiefe seiner Ackerkrume, doch
bestimmt mehr fruchtbare Erde, als die Basis desselben haben würde. Und endlich
rauben sich die an einer Anhöhe stehenden Pflanzen die Luft und das Licht weniger.
Und sonach müßte der Boden, wenn er sich übrigens gleich ist, nicht allein nach der
geometrischen Fläche, die natürlich auf den Karten nur angegeben seyn kann, son-

Zweiter Theil. U

Die Bodenarten.
Boden, der in der Ebene allerdings noch zu kultiviren waͤre, ſeinen Anbau gar
nicht; ja es wird oft gefaͤhrlich fuͤr die ganze umliegende Gegend, ſeine Narbe mit
dem Pfluge zu verwunden, indem ſo leicht die ſchaͤdlichſten Sandwehen dadurch erregt
werden.

Dagegen kann eine huͤgelige und abhaͤngige Lage dem thonigen Boden, und
dem, der einen undurchlaſſenden Untergrund hat, haͤufig vortheilhaft ſeyn, indem
die uͤberfluͤſſige Feuchtigkeit dadurch Abzug erhaͤlt. In den meiſten Faͤllen kann man
hier durch Graben und Waſſerfurchen, wenn ſie gehoͤrig angelegt ſind, allen Nach-
theilen der Naͤſſe zuvorkommen. Es findet ſich mehrentheils ein Ausweg fuͤr das
Waſſer, und wenn dies nicht der Fall iſt, doch eine niedrige Stelle, wohin man es
zuſammenleiten kann.

Steile Anhoͤhen ſind indeß nie erwuͤnſcht, wegen der Schwierigkeit ihrer
Beſtellung.

Man hat ſich lange daruͤber geſtritten, ob die groͤßere Oberflaͤche des huͤgeligen
Bodens in Anſehung der Production Vorzuͤge vor der geringeren Oberflaͤche des
ebenen Bodens habe. Die meiſten Theoretiker haben behauptet, jene habe keine
Vorzuͤge, und koͤnne nicht mehrere Pflanzen tragen, wie die horizontale Flaͤche,
weil die Pflanzen immer perpendikular ſtehen, mehrere folglich weder an den Wur-
zeln noch an den Gipfeln Platz haͤtten. Hiervon aber haben ſich die Praktiker nie
uͤberzeugen koͤnnen, und letztere ſcheinen offenbar Recht zu haben. Schon in Hin-
ſicht des Platzes ſcheint es unleugbar, daß ſolcher fuͤr mehrere Pflanzen zureiche,
wenn ſie ſich uͤbereinander erheben; wo der Gipfel des einen Baums, oder die Aehre
der einen Pflanze ſich ausbreitet, da hat die Wurzel einer andern ihren Platz. Von
Menſchen, die auf Stuffen ſtehen, koͤnnen in demſelben Raume mehrere zuſammen-
gedraͤngt werden, als auf der ebenen Flaͤche moͤglich waͤre. Platz iſt aber uͤberdem
fuͤr die Cerealien genug vorhanden, und es kommt nur auf die Oberflaͤche des Bodens
an, woraus ſie Nahrung ziehen, und dieſe iſt doch auf einem Huͤgel immer groͤßer,
als auf ſeiner Baſis. Der Huͤgel hat bei einer gleichen Tiefe ſeiner Ackerkrume, doch
beſtimmt mehr fruchtbare Erde, als die Baſis deſſelben haben wuͤrde. Und endlich
rauben ſich die an einer Anhoͤhe ſtehenden Pflanzen die Luft und das Licht weniger.
Und ſonach muͤßte der Boden, wenn er ſich uͤbrigens gleich iſt, nicht allein nach der
geometriſchen Flaͤche, die natuͤrlich auf den Karten nur angegeben ſeyn kann, ſon-

Zweiter Theil. U
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[153/0201] Die Bodenarten. Boden, der in der Ebene allerdings noch zu kultiviren waͤre, ſeinen Anbau gar nicht; ja es wird oft gefaͤhrlich fuͤr die ganze umliegende Gegend, ſeine Narbe mit dem Pfluge zu verwunden, indem ſo leicht die ſchaͤdlichſten Sandwehen dadurch erregt werden. Dagegen kann eine huͤgelige und abhaͤngige Lage dem thonigen Boden, und dem, der einen undurchlaſſenden Untergrund hat, haͤufig vortheilhaft ſeyn, indem die uͤberfluͤſſige Feuchtigkeit dadurch Abzug erhaͤlt. In den meiſten Faͤllen kann man hier durch Graben und Waſſerfurchen, wenn ſie gehoͤrig angelegt ſind, allen Nach- theilen der Naͤſſe zuvorkommen. Es findet ſich mehrentheils ein Ausweg fuͤr das Waſſer, und wenn dies nicht der Fall iſt, doch eine niedrige Stelle, wohin man es zuſammenleiten kann. Steile Anhoͤhen ſind indeß nie erwuͤnſcht, wegen der Schwierigkeit ihrer Beſtellung. Man hat ſich lange daruͤber geſtritten, ob die groͤßere Oberflaͤche des huͤgeligen Bodens in Anſehung der Production Vorzuͤge vor der geringeren Oberflaͤche des ebenen Bodens habe. Die meiſten Theoretiker haben behauptet, jene habe keine Vorzuͤge, und koͤnne nicht mehrere Pflanzen tragen, wie die horizontale Flaͤche, weil die Pflanzen immer perpendikular ſtehen, mehrere folglich weder an den Wur- zeln noch an den Gipfeln Platz haͤtten. Hiervon aber haben ſich die Praktiker nie uͤberzeugen koͤnnen, und letztere ſcheinen offenbar Recht zu haben. Schon in Hin- ſicht des Platzes ſcheint es unleugbar, daß ſolcher fuͤr mehrere Pflanzen zureiche, wenn ſie ſich uͤbereinander erheben; wo der Gipfel des einen Baums, oder die Aehre der einen Pflanze ſich ausbreitet, da hat die Wurzel einer andern ihren Platz. Von Menſchen, die auf Stuffen ſtehen, koͤnnen in demſelben Raume mehrere zuſammen- gedraͤngt werden, als auf der ebenen Flaͤche moͤglich waͤre. Platz iſt aber uͤberdem fuͤr die Cerealien genug vorhanden, und es kommt nur auf die Oberflaͤche des Bodens an, woraus ſie Nahrung ziehen, und dieſe iſt doch auf einem Huͤgel immer groͤßer, als auf ſeiner Baſis. Der Huͤgel hat bei einer gleichen Tiefe ſeiner Ackerkrume, doch beſtimmt mehr fruchtbare Erde, als die Baſis deſſelben haben wuͤrde. Und endlich rauben ſich die an einer Anhoͤhe ſtehenden Pflanzen die Luft und das Licht weniger. Und ſonach muͤßte der Boden, wenn er ſich uͤbrigens gleich iſt, nicht allein nach der geometriſchen Flaͤche, die natuͤrlich auf den Karten nur angegeben ſeyn kann, ſon- Zweiter Theil. U

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/201>, abgerufen am 29.04.2024.