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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Mineralische Düngungsmittel.
Mergel, der anders aussah, als die ihm bekannte Art. So ließ der große Frie-
derich
-- der die gesundesten und richtigsten Begriffe vom Ackerbau hatte, aber end-
lich durch den geringen Erfolg, den seine Anordnungen, weil man sie mißverstand,
hatten, davon abgeschreckt wurde -- in den sechziger Jahren viele Mergelgräber
kommen, welche die sämmtlichen Marken durchreisen, und nach Mergel suchen muß-
ten, erhielt aber von allen Orten her den Bericht, daß, der sorgfältigsten Untersu-
chung ungeachtet, nirgends Mergel aufzufinden sey; und dennoch liegt in den Mar-
ken der Mergel im größten Ueberflusse, und zwar gerade von einer solchen Beschaf-
fenheit, wie sie dem größern Theile des Bodens am angemessensten ist. Das Vor-
urtheil, daß hier kein Mergel zu finden sey, war so eingewurzelt, daß man mich
beinahe verspottete, wie ich aufangs vom Mergeln sprach. Diese aus gebirgigten
Orten hergekommenen Mergelgräber kannten vermuthlich nur den steinigen Mergel,
der sich freilich nicht anders als in gebirgigten Gegenden findet. In andern Gegen-
den kannte man nur den weißen Mergelkalk, welcher sich nicht leicht anders als in
Niederungen und in wenig mächtigen Lagern findet. Der lehmige Mergel, welcher
in den Ebenen am meisten verbreitet ist, war fast allgemein verkannt, und wo der Zu-
fall dessen Nutzen gelehrt hatte, wie in der Pretzer Probstey in Hollstein (Vergleiche
Thaers vermischte Schriften Bd. I. S. 631.), da glaubte man, ausgegrabener
Lehm thue diese Wirkung, und nahm nun freilich zu Zeiten Lehm, der kein Mergel
war, hatte also auch nicht die erwartete Wirkung davon. Die Chemie konnte uns
zuerst Aufschlüsse über die Erfahrungen geben, die im Widerspruch mit einander zu
stehen schienen.

Ferner stand der Verbreitung des Mergelns der Mißbrauch entgegen, welchen
man davon gemacht hatte. Wo man sich nämlich von seiner großen düngenden
Eigenschaft überzeugt hatte, berechnete man häufig, daß er wohlfeiler als der Mist
sey; glaubte des letztern entbehren zu können, schränkte den Viehstand ein, und ver-
kaufte Heu und Stroh an andere, die nicht mergelten. Natürlich ward also der Bo-
den, nachdem die chemische Wirkung des Mergels vorüber war, unfruchtbar, und
eine zweite Mergelung half bei einem humusleeren Boden sehr wenig. Deshalb
entstand schon vor mehreren hundert Jahren das Sprichwort: der Mergel mache reiche
Väter, aber arme Kinder; und das Wort ausmergeln; welches man, selbst
ohne Rücksicht auf seinen Ursprung, überhaupt für das Erschöpfen des Bodens ge-

Mineraliſche Duͤngungsmittel.
Mergel, der anders ausſah, als die ihm bekannte Art. So ließ der große Frie-
derich
— der die geſundeſten und richtigſten Begriffe vom Ackerbau hatte, aber end-
lich durch den geringen Erfolg, den ſeine Anordnungen, weil man ſie mißverſtand,
hatten, davon abgeſchreckt wurde — in den ſechziger Jahren viele Mergelgraͤber
kommen, welche die ſaͤmmtlichen Marken durchreiſen, und nach Mergel ſuchen muß-
ten, erhielt aber von allen Orten her den Bericht, daß, der ſorgfaͤltigſten Unterſu-
chung ungeachtet, nirgends Mergel aufzufinden ſey; und dennoch liegt in den Mar-
ken der Mergel im groͤßten Ueberfluſſe, und zwar gerade von einer ſolchen Beſchaf-
fenheit, wie ſie dem groͤßern Theile des Bodens am angemeſſenſten iſt. Das Vor-
urtheil, daß hier kein Mergel zu finden ſey, war ſo eingewurzelt, daß man mich
beinahe verſpottete, wie ich aufangs vom Mergeln ſprach. Dieſe aus gebirgigten
Orten hergekommenen Mergelgraͤber kannten vermuthlich nur den ſteinigen Mergel,
der ſich freilich nicht anders als in gebirgigten Gegenden findet. In andern Gegen-
den kannte man nur den weißen Mergelkalk, welcher ſich nicht leicht anders als in
Niederungen und in wenig maͤchtigen Lagern findet. Der lehmige Mergel, welcher
in den Ebenen am meiſten verbreitet iſt, war faſt allgemein verkannt, und wo der Zu-
fall deſſen Nutzen gelehrt hatte, wie in der Pretzer Probſtey in Hollſtein (Vergleiche
Thaers vermiſchte Schriften Bd. I. S. 631.), da glaubte man, ausgegrabener
Lehm thue dieſe Wirkung, und nahm nun freilich zu Zeiten Lehm, der kein Mergel
war, hatte alſo auch nicht die erwartete Wirkung davon. Die Chemie konnte uns
zuerſt Aufſchluͤſſe uͤber die Erfahrungen geben, die im Widerſpruch mit einander zu
ſtehen ſchienen.

Ferner ſtand der Verbreitung des Mergelns der Mißbrauch entgegen, welchen
man davon gemacht hatte. Wo man ſich naͤmlich von ſeiner großen duͤngenden
Eigenſchaft uͤberzeugt hatte, berechnete man haͤufig, daß er wohlfeiler als der Miſt
ſey; glaubte des letztern entbehren zu koͤnnen, ſchraͤnkte den Viehſtand ein, und ver-
kaufte Heu und Stroh an andere, die nicht mergelten. Natuͤrlich ward alſo der Bo-
den, nachdem die chemiſche Wirkung des Mergels voruͤber war, unfruchtbar, und
eine zweite Mergelung half bei einem humusleeren Boden ſehr wenig. Deshalb
entſtand ſchon vor mehreren hundert Jahren das Sprichwort: der Mergel mache reiche
Vaͤter, aber arme Kinder; und das Wort ausmergeln; welches man, ſelbſt
ohne Ruͤckſicht auf ſeinen Urſprung, uͤberhaupt fuͤr das Erſchoͤpfen des Bodens ge-

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[247/0295] Mineraliſche Duͤngungsmittel. Mergel, der anders ausſah, als die ihm bekannte Art. So ließ der große Frie- derich — der die geſundeſten und richtigſten Begriffe vom Ackerbau hatte, aber end- lich durch den geringen Erfolg, den ſeine Anordnungen, weil man ſie mißverſtand, hatten, davon abgeſchreckt wurde — in den ſechziger Jahren viele Mergelgraͤber kommen, welche die ſaͤmmtlichen Marken durchreiſen, und nach Mergel ſuchen muß- ten, erhielt aber von allen Orten her den Bericht, daß, der ſorgfaͤltigſten Unterſu- chung ungeachtet, nirgends Mergel aufzufinden ſey; und dennoch liegt in den Mar- ken der Mergel im groͤßten Ueberfluſſe, und zwar gerade von einer ſolchen Beſchaf- fenheit, wie ſie dem groͤßern Theile des Bodens am angemeſſenſten iſt. Das Vor- urtheil, daß hier kein Mergel zu finden ſey, war ſo eingewurzelt, daß man mich beinahe verſpottete, wie ich aufangs vom Mergeln ſprach. Dieſe aus gebirgigten Orten hergekommenen Mergelgraͤber kannten vermuthlich nur den ſteinigen Mergel, der ſich freilich nicht anders als in gebirgigten Gegenden findet. In andern Gegen- den kannte man nur den weißen Mergelkalk, welcher ſich nicht leicht anders als in Niederungen und in wenig maͤchtigen Lagern findet. Der lehmige Mergel, welcher in den Ebenen am meiſten verbreitet iſt, war faſt allgemein verkannt, und wo der Zu- fall deſſen Nutzen gelehrt hatte, wie in der Pretzer Probſtey in Hollſtein (Vergleiche Thaers vermiſchte Schriften Bd. I. S. 631.), da glaubte man, ausgegrabener Lehm thue dieſe Wirkung, und nahm nun freilich zu Zeiten Lehm, der kein Mergel war, hatte alſo auch nicht die erwartete Wirkung davon. Die Chemie konnte uns zuerſt Aufſchluͤſſe uͤber die Erfahrungen geben, die im Widerſpruch mit einander zu ſtehen ſchienen. Ferner ſtand der Verbreitung des Mergelns der Mißbrauch entgegen, welchen man davon gemacht hatte. Wo man ſich naͤmlich von ſeiner großen duͤngenden Eigenſchaft uͤberzeugt hatte, berechnete man haͤufig, daß er wohlfeiler als der Miſt ſey; glaubte des letztern entbehren zu koͤnnen, ſchraͤnkte den Viehſtand ein, und ver- kaufte Heu und Stroh an andere, die nicht mergelten. Natuͤrlich ward alſo der Bo- den, nachdem die chemiſche Wirkung des Mergels voruͤber war, unfruchtbar, und eine zweite Mergelung half bei einem humusleeren Boden ſehr wenig. Deshalb entſtand ſchon vor mehreren hundert Jahren das Sprichwort: der Mergel mache reiche Vaͤter, aber arme Kinder; und das Wort ausmergeln; welches man, ſelbſt ohne Ruͤckſicht auf ſeinen Urſprung, uͤberhaupt fuͤr das Erſchoͤpfen des Bodens ge-

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/295>, abgerufen am 28.04.2024.