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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Pferde.

Im fünften Jahre wechseln die äußersten auf eben die Weise, und von dem
Zeitpunkte an heißt das Thier ein Pferd, ein frisches Pferd.

Die drei Paar Schneidezähne verlieren in der Ordnung, wie sie entstanden
sind, ihre Zeichnung wieder. Im siebenten Jahre verliert sich die Bohne bei
den mittelsten, im achten Jahre bei den nächststehenden, und im neunten Jahre
sind auch die äußersten nicht mehr gezeichnet.

So verhält sichs gewöhnlich, indessen finden Ausnahmen, besonders bei
gewissen Racen Statt. Einige, und zwar die bessern Pferde, wechseln später,
und dann verliert sich auch erst später jene Zeichnung der Zähne. Diese Pferde
sind dann aber immer dauerhafter und erreichen ein höheres Alter, weswegen
ein Pferd, welches seine Zeichnung länger behält, höchst schätzbar ist.

Roßtäuscher suchen aber diese Zeichen durch Ausmeißeln und Brennen bei
älteren Pferden nachzuahmen, und manchmal thuen sie es mit so vieler Geschick-
lichkeit, daß ein aufmerksames Kennerauge dazu gehört, um es zu entdecken.
Selten können sie jedoch die Ordnung in der Ausfüllung und Verbleichung der
Bohne richtig nachahmen. Der Huf ist bei dem Füllen und jungen Pferde im-
mer länger als er breit ist, wird nach und nach breiter als er lang ist. Doch
finden hierbei auch Künsteleien Statt, die beim ersten Anblicke trügen können.

Nach dem zehnten Jahre bemerkt man, daß sich der erste Schwanzwirbel
vom letzten Rückenwirbel absondert, und dies nimmt dann mit dem Alter der
Pferde zu, so daß der Zwischenraum immer weiter wird. Das Zahnfleisch zieht
sich bei höherem Alter mehr zurück, und die Zähne erscheinen länger, bekommen
zugleich eine kalkweißere Farbe. Die Augengruben werden tiefer, die Haare
um die Augen färben sich weiß, der After senkt sich mehr in den Leib, die Lip-
pen schließen nicht mehr. Wenn diese Zeichen sich einstellen, ist es ein altes
Pferd, und der Werth eines Pferdes in Hinsicht seiner zu erwartenden Ausdauer
richtet sich mehr nach dem Grade dieser Zeichen, als nach den eigentlichen Jah-
ren, indem manche Pferde schon im vierzehnten Jahre fast unbrauchbar werden,
andere dagegen bis zum zwanzigsten und ein und zwanzigsten (ja man hat Bei-
spiele von noch älteren, und ich habe ein Pferd gekannt, was im vier und zwan-
zigsten Jahre noch zur reitenden Post gebraucht wurde) aushalten.


Die Pferde.

Im fuͤnften Jahre wechſeln die aͤußerſten auf eben die Weiſe, und von dem
Zeitpunkte an heißt das Thier ein Pferd, ein friſches Pferd.

Die drei Paar Schneidezaͤhne verlieren in der Ordnung, wie ſie entſtanden
ſind, ihre Zeichnung wieder. Im ſiebenten Jahre verliert ſich die Bohne bei
den mittelſten, im achten Jahre bei den naͤchſtſtehenden, und im neunten Jahre
ſind auch die aͤußerſten nicht mehr gezeichnet.

So verhaͤlt ſichs gewoͤhnlich, indeſſen finden Ausnahmen, beſonders bei
gewiſſen Raçen Statt. Einige, und zwar die beſſern Pferde, wechſeln ſpaͤter,
und dann verliert ſich auch erſt ſpaͤter jene Zeichnung der Zaͤhne. Dieſe Pferde
ſind dann aber immer dauerhafter und erreichen ein hoͤheres Alter, weswegen
ein Pferd, welches ſeine Zeichnung laͤnger behaͤlt, hoͤchſt ſchaͤtzbar iſt.

Roßtaͤuſcher ſuchen aber dieſe Zeichen durch Ausmeißeln und Brennen bei
aͤlteren Pferden nachzuahmen, und manchmal thuen ſie es mit ſo vieler Geſchick-
lichkeit, daß ein aufmerkſames Kennerauge dazu gehoͤrt, um es zu entdecken.
Selten koͤnnen ſie jedoch die Ordnung in der Ausfuͤllung und Verbleichung der
Bohne richtig nachahmen. Der Huf iſt bei dem Fuͤllen und jungen Pferde im-
mer laͤnger als er breit iſt, wird nach und nach breiter als er lang iſt. Doch
finden hierbei auch Kuͤnſteleien Statt, die beim erſten Anblicke truͤgen koͤnnen.

Nach dem zehnten Jahre bemerkt man, daß ſich der erſte Schwanzwirbel
vom letzten Ruͤckenwirbel abſondert, und dies nimmt dann mit dem Alter der
Pferde zu, ſo daß der Zwiſchenraum immer weiter wird. Das Zahnfleiſch zieht
ſich bei hoͤherem Alter mehr zuruͤck, und die Zaͤhne erſcheinen laͤnger, bekommen
zugleich eine kalkweißere Farbe. Die Augengruben werden tiefer, die Haare
um die Augen faͤrben ſich weiß, der After ſenkt ſich mehr in den Leib, die Lip-
pen ſchließen nicht mehr. Wenn dieſe Zeichen ſich einſtellen, iſt es ein altes
Pferd, und der Werth eines Pferdes in Hinſicht ſeiner zu erwartenden Ausdauer
richtet ſich mehr nach dem Grade dieſer Zeichen, als nach den eigentlichen Jah-
ren, indem manche Pferde ſchon im vierzehnten Jahre faſt unbrauchbar werden,
andere dagegen bis zum zwanzigſten und ein und zwanzigſten (ja man hat Bei-
ſpiele von noch aͤlteren, und ich habe ein Pferd gekannt, was im vier und zwan-
zigſten Jahre noch zur reitenden Poſt gebraucht wurde) aushalten.


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[436/0460] Die Pferde. Im fuͤnften Jahre wechſeln die aͤußerſten auf eben die Weiſe, und von dem Zeitpunkte an heißt das Thier ein Pferd, ein friſches Pferd. Die drei Paar Schneidezaͤhne verlieren in der Ordnung, wie ſie entſtanden ſind, ihre Zeichnung wieder. Im ſiebenten Jahre verliert ſich die Bohne bei den mittelſten, im achten Jahre bei den naͤchſtſtehenden, und im neunten Jahre ſind auch die aͤußerſten nicht mehr gezeichnet. So verhaͤlt ſichs gewoͤhnlich, indeſſen finden Ausnahmen, beſonders bei gewiſſen Raçen Statt. Einige, und zwar die beſſern Pferde, wechſeln ſpaͤter, und dann verliert ſich auch erſt ſpaͤter jene Zeichnung der Zaͤhne. Dieſe Pferde ſind dann aber immer dauerhafter und erreichen ein hoͤheres Alter, weswegen ein Pferd, welches ſeine Zeichnung laͤnger behaͤlt, hoͤchſt ſchaͤtzbar iſt. Roßtaͤuſcher ſuchen aber dieſe Zeichen durch Ausmeißeln und Brennen bei aͤlteren Pferden nachzuahmen, und manchmal thuen ſie es mit ſo vieler Geſchick- lichkeit, daß ein aufmerkſames Kennerauge dazu gehoͤrt, um es zu entdecken. Selten koͤnnen ſie jedoch die Ordnung in der Ausfuͤllung und Verbleichung der Bohne richtig nachahmen. Der Huf iſt bei dem Fuͤllen und jungen Pferde im- mer laͤnger als er breit iſt, wird nach und nach breiter als er lang iſt. Doch finden hierbei auch Kuͤnſteleien Statt, die beim erſten Anblicke truͤgen koͤnnen. Nach dem zehnten Jahre bemerkt man, daß ſich der erſte Schwanzwirbel vom letzten Ruͤckenwirbel abſondert, und dies nimmt dann mit dem Alter der Pferde zu, ſo daß der Zwiſchenraum immer weiter wird. Das Zahnfleiſch zieht ſich bei hoͤherem Alter mehr zuruͤck, und die Zaͤhne erſcheinen laͤnger, bekommen zugleich eine kalkweißere Farbe. Die Augengruben werden tiefer, die Haare um die Augen faͤrben ſich weiß, der After ſenkt ſich mehr in den Leib, die Lip- pen ſchließen nicht mehr. Wenn dieſe Zeichen ſich einſtellen, iſt es ein altes Pferd, und der Werth eines Pferdes in Hinſicht ſeiner zu erwartenden Ausdauer richtet ſich mehr nach dem Grade dieſer Zeichen, als nach den eigentlichen Jah- ren, indem manche Pferde ſchon im vierzehnten Jahre faſt unbrauchbar werden, andere dagegen bis zum zwanzigſten und ein und zwanzigſten (ja man hat Bei- ſpiele von noch aͤlteren, und ich habe ein Pferd gekannt, was im vier und zwan- zigſten Jahre noch zur reitenden Poſt gebraucht wurde) aushalten.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/460>, abgerufen am 28.04.2024.