Künste müssen also ein mächtiger Hebel für den öffentlichen Unterricht seyn."
"Die Künste bezwecken die Nachahmung der schönsten und vollkommensten Werke der Na- tur; ein dem Menschen angebornes Gefühl zieht ihn zu dem gleichen Gegenstand. Nicht um das Auge zu ergötzen, haben die Denkmäler der Kunst dieses Ziel zu erreichen gestrebt, nein, die Seele zu durchdringen und auf den Geist einen der Wirklichkeit angemessenen tiefen Eindruck zu machen. Stehen die Züge des Heldenmuths und der Bürgertugend den Blicken eines Jeden im Volke offen, so werden sie sein Gemüth er- greifen und in ihm alle Triebfedern des Ruhms und der Aufopferung für das Vaterland in Be- wegung setzen. -- Der Künstler muß daher das menschliche Herz kennen, er muß die Natur ge- nau beobachtet haben, er muß mit einem Wort, Philosoph seyn. Sokrates war ein geschickter Bildhauer, J. J. Rousseau ein unverwerflicher Componist, der unsterbliche Poussin warf die erha- bensten Lehren der Philosophie auf die Leinwand. Sie alle bezeugen, daß der Genius der Kunst die Fackel der Vernunft zur Führerin bedarf."
Leben
Kuͤnſte muͤſſen alſo ein maͤchtiger Hebel fuͤr den oͤffentlichen Unterricht ſeyn.“
„Die Kuͤnſte bezwecken die Nachahmung der ſchoͤnſten und vollkommenſten Werke der Na- tur; ein dem Menſchen angebornes Gefuͤhl zieht ihn zu dem gleichen Gegenſtand. Nicht um das Auge zu ergoͤtzen, haben die Denkmaͤler der Kunſt dieſes Ziel zu erreichen geſtrebt, nein, die Seele zu durchdringen und auf den Geiſt einen der Wirklichkeit angemeſſenen tiefen Eindruck zu machen. Stehen die Zuͤge des Heldenmuths und der Buͤrgertugend den Blicken eines Jeden im Volke offen, ſo werden ſie ſein Gemuͤth er- greifen und in ihm alle Triebfedern des Ruhms und der Aufopferung fuͤr das Vaterland in Be- wegung ſetzen. — Der Kuͤnſtler muß daher das menſchliche Herz kennen, er muß die Natur ge- nau beobachtet haben, er muß mit einem Wort, Philoſoph ſeyn. Sokrates war ein geſchickter Bildhauer, J. J. Rouſſeau ein unverwerflicher Componiſt, der unſterbliche Pouſſin warf die erha- benſten Lehren der Philoſophie auf die Leinwand. Sie alle bezeugen, daß der Genius der Kunſt die Fackel der Vernunft zur Fuͤhrerin bedarf.“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0094"n="80"/><fwplace="top"type="header">Leben</fw><lb/>
Kuͤnſte muͤſſen alſo ein maͤchtiger Hebel fuͤr den<lb/>
oͤffentlichen Unterricht ſeyn.“</p><lb/><p>„Die Kuͤnſte bezwecken die Nachahmung<lb/>
der ſchoͤnſten und vollkommenſten Werke der Na-<lb/>
tur; ein dem Menſchen angebornes Gefuͤhl zieht<lb/>
ihn zu dem gleichen Gegenſtand. Nicht um das<lb/>
Auge zu ergoͤtzen, haben die Denkmaͤler der<lb/>
Kunſt dieſes Ziel zu erreichen geſtrebt, nein, die<lb/>
Seele zu durchdringen und auf den Geiſt einen<lb/>
der Wirklichkeit angemeſſenen tiefen Eindruck zu<lb/>
machen. Stehen die Zuͤge des Heldenmuths<lb/>
und der Buͤrgertugend den Blicken eines Jeden<lb/>
im Volke offen, ſo werden ſie ſein Gemuͤth er-<lb/>
greifen und in ihm alle Triebfedern des Ruhms<lb/>
und der Aufopferung fuͤr das Vaterland in Be-<lb/>
wegung ſetzen. — Der Kuͤnſtler muß daher das<lb/>
menſchliche Herz kennen, er muß die Natur ge-<lb/>
nau beobachtet haben, er muß mit einem Wort,<lb/><hirendition="#g">Philoſoph</hi>ſeyn. Sokrates war ein geſchickter<lb/>
Bildhauer, J. J. Rouſſeau ein unverwerflicher<lb/>
Componiſt, der unſterbliche Pouſſin warf die erha-<lb/>
benſten Lehren der Philoſophie auf die Leinwand.<lb/>
Sie alle bezeugen, daß der Genius der Kunſt<lb/>
die Fackel der Vernunft zur Fuͤhrerin bedarf.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[80/0094]
Leben
Kuͤnſte muͤſſen alſo ein maͤchtiger Hebel fuͤr den
oͤffentlichen Unterricht ſeyn.“
„Die Kuͤnſte bezwecken die Nachahmung
der ſchoͤnſten und vollkommenſten Werke der Na-
tur; ein dem Menſchen angebornes Gefuͤhl zieht
ihn zu dem gleichen Gegenſtand. Nicht um das
Auge zu ergoͤtzen, haben die Denkmaͤler der
Kunſt dieſes Ziel zu erreichen geſtrebt, nein, die
Seele zu durchdringen und auf den Geiſt einen
der Wirklichkeit angemeſſenen tiefen Eindruck zu
machen. Stehen die Zuͤge des Heldenmuths
und der Buͤrgertugend den Blicken eines Jeden
im Volke offen, ſo werden ſie ſein Gemuͤth er-
greifen und in ihm alle Triebfedern des Ruhms
und der Aufopferung fuͤr das Vaterland in Be-
wegung ſetzen. — Der Kuͤnſtler muß daher das
menſchliche Herz kennen, er muß die Natur ge-
nau beobachtet haben, er muß mit einem Wort,
Philoſoph ſeyn. Sokrates war ein geſchickter
Bildhauer, J. J. Rouſſeau ein unverwerflicher
Componiſt, der unſterbliche Pouſſin warf die erha-
benſten Lehren der Philoſophie auf die Leinwand.
Sie alle bezeugen, daß der Genius der Kunſt
die Fackel der Vernunft zur Fuͤhrerin bedarf.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thomé de Gamond, Louis-Joseph-Aimé: Leben Davids, ersten Malers Napoleons. Übers. v. E. S. Leipzig u. a., 1827, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiers_david_1827/94>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.