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Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690].

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zuahmen bedürfftig sind. D' un honnete homme von einen
ehrlichen Mann machen sie zwar viel wesens/ so gar daß ein be-
kanter Hoffmann seinem König auff keine bessere Art zuliebkosen
gewust/ als daß er zu ihm gesagt/ wie er ihn nicht so wohl wegen sei-
ner tapffern Thaten/ als daß er ein rechter honnete homme
wäre/ liebte und ehrete; Alleine ob auch bey allen oder denen mei-
sten die wahrhafftige honnetete so wohl in der That als in
dem Munde anzutreffen sey/ ist eine kützliche Frage/ welche doch
auch zu unseren Zweck eben nicht nöthig ist/ weitläufftig erörterß
zu werden. Denn ohne einer von beyden nationen zuschmei-
cheln oder dieselbe anzustechen/ werden wir gar sicher sagen köu-
nen; das wenn unter denen Frantzosen nicht wenig gefunden
werden/ welche diese Tugend hindansetzen/ bey uns Teutschen an
solchen Leuten auch kein Mangel sey/ und wenn im Gegentheil
die Frantzosen viel Exempel des honnetes gens auffzuweisen
haben/ wir ebenmäßig daran nicht arm sind/ noch von nöthen ha-
ben deswegen bey denen Frantzosen nach Personen/ denen man
hierinnen nachahmen wolte/ uns umzusehen.

Was aber die Gelehrsamkeit betrifft/ so ist wohl kein Zweif-
fel/ daß es heut zu tage unter denen Frantzosen mit denen Gelehr-
ten auff das höchste kommen/ in Ansehen dieselbigen durch die
Magnificentz des Königs und die Hochachtung derer Grossen bey
Hoffe angefrischet ins gesampt embsig bemühet sind/ anmuthige
und nützliche Wissenschafften fortzupflantzen/ und die ohnnöthi-
gen Grillen derer Schulfüchse auszutilgen und aus dem Lande
zujagen. Petrus Ramus scheinet von den ersten mit gewesen
zu seyn/ der den Grund hierzulegen helffen. Und ob er wohl in
seinem Haß wieder den Aristotelem ein wenig die Gräntzen
überschritten/ auch seine Schrifften eben für die vollkommesten
nicht zu achten sind/ so ist doch nicht zu läugnen/ daß er zuerst das
Hauptstück der Weltweißheit/ welches einen Menschen anwei-

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zuahmen beduͤrfftig ſind. D’ un honnéte homme von einen
ehrlichen Mann machen ſie zwar viel weſens/ ſo gar daß ein be-
kanter Hoffmann ſeinem Koͤnig auff keine beſſere Art zuliebkoſen
gewuſt/ als daß er zu ihm geſagt/ wie er ihn nicht ſo wohl wegen ſei-
ner tapffern Thaten/ als daß er ein rechter honnéte homme
waͤre/ liebte und ehrete; Alleine ob auch bey allen oder denen mei-
ſten die wahrhafftige honnetête ſo wohl in der That als in
dem Munde anzutreffen ſey/ iſt eine kuͤtzliche Frage/ welche doch
auch zu unſeren Zweck eben nicht noͤthig iſt/ weitlaͤufftig eroͤrterß
zu werden. Denn ohne einer von beyden nationen zuſchmei-
cheln oder dieſelbe anzuſtechen/ werden wir gar ſicher ſagen koͤu-
nen; das wenn unter denen Frantzoſen nicht wenig gefunden
werden/ welche dieſe Tugend hindanſetzen/ bey uns Teutſchen an
ſolchen Leuten auch kein Mangel ſey/ und wenn im Gegentheil
die Frantzoſen viel Exempel des honnêtes gens auffzuweiſen
haben/ wir ebenmaͤßig daran nicht arm ſind/ noch von noͤthen ha-
ben deswegen bey denen Frantzoſen nach Perſonen/ denen man
hierinnen nachahmen wolte/ uns umzuſehen.

Was aber die Gelehrſamkeit betrifft/ ſo iſt wohl kein Zweif-
fel/ daß es heut zu tage unter denen Frantzoſen mit denen Gelehr-
ten auff das hoͤchſte kommen/ in Anſehen dieſelbigen durch die
Magnificentz des Koͤnigs uñ die Hochachtung derer Groſſen bey
Hoffe angefriſchet ins geſampt embſig bemuͤhet ſind/ anmuthige
und nuͤtzliche Wiſſenſchafften fortzupflantzen/ und die ohnnoͤthi-
gen Grillen derer Schulfuͤchſe auszutilgen und aus dem Lande
zujagen. Petrus Ramus ſcheinet von den erſten mit geweſen
zu ſeyn/ der den Grund hierzulegen helffen. Und ob er wohl in
ſeinem Haß wieder den Ariſtotelem ein wenig die Graͤntzen
uͤberſchritten/ auch ſeine Schrifften eben fuͤr die vollkommeſten
nicht zu achten ſind/ ſo iſt doch nicht zu laͤugnen/ daß er zuerſt das
Hauptſtuͤck der Weltweißheit/ welches einen Menſchen anwei-

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[13/0015] zuahmen beduͤrfftig ſind. D’ un honnéte homme von einen ehrlichen Mann machen ſie zwar viel weſens/ ſo gar daß ein be- kanter Hoffmann ſeinem Koͤnig auff keine beſſere Art zuliebkoſen gewuſt/ als daß er zu ihm geſagt/ wie er ihn nicht ſo wohl wegen ſei- ner tapffern Thaten/ als daß er ein rechter honnéte homme waͤre/ liebte und ehrete; Alleine ob auch bey allen oder denen mei- ſten die wahrhafftige honnetête ſo wohl in der That als in dem Munde anzutreffen ſey/ iſt eine kuͤtzliche Frage/ welche doch auch zu unſeren Zweck eben nicht noͤthig iſt/ weitlaͤufftig eroͤrterß zu werden. Denn ohne einer von beyden nationen zuſchmei- cheln oder dieſelbe anzuſtechen/ werden wir gar ſicher ſagen koͤu- nen; das wenn unter denen Frantzoſen nicht wenig gefunden werden/ welche dieſe Tugend hindanſetzen/ bey uns Teutſchen an ſolchen Leuten auch kein Mangel ſey/ und wenn im Gegentheil die Frantzoſen viel Exempel des honnêtes gens auffzuweiſen haben/ wir ebenmaͤßig daran nicht arm ſind/ noch von noͤthen ha- ben deswegen bey denen Frantzoſen nach Perſonen/ denen man hierinnen nachahmen wolte/ uns umzuſehen. Was aber die Gelehrſamkeit betrifft/ ſo iſt wohl kein Zweif- fel/ daß es heut zu tage unter denen Frantzoſen mit denen Gelehr- ten auff das hoͤchſte kommen/ in Anſehen dieſelbigen durch die Magnificentz des Koͤnigs uñ die Hochachtung derer Groſſen bey Hoffe angefriſchet ins geſampt embſig bemuͤhet ſind/ anmuthige und nuͤtzliche Wiſſenſchafften fortzupflantzen/ und die ohnnoͤthi- gen Grillen derer Schulfuͤchſe auszutilgen und aus dem Lande zujagen. Petrus Ramus ſcheinet von den erſten mit geweſen zu ſeyn/ der den Grund hierzulegen helffen. Und ob er wohl in ſeinem Haß wieder den Ariſtotelem ein wenig die Graͤntzen uͤberſchritten/ auch ſeine Schrifften eben fuͤr die vollkommeſten nicht zu achten ſind/ ſo iſt doch nicht zu laͤugnen/ daß er zuerſt das Hauptſtuͤck der Weltweißheit/ welches einen Menſchen anwei- ſet/ B 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Discours Welcher Gestalt man denen Frantzosen im gemeinen Leben und Wandel nachahmen solle. [Leipzig], [1690], S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_discours_1690/15>, abgerufen am 26.04.2024.