Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

Bild:
<< vorherige Seite

2. Haupt-Stück von der
reit erkannte Warheit aussprechen/ oder an-
dern fürtragen/ oder wie der Mensch von
Dingen/ die er gar nicht verstünde/ etwas or-
dentlich herplaudern solte.

14. Uber dieses muß man auch die Nach-
forschung der Warheit nicht mit der Ersor-
schung oder würcklichen Erkäntnüß derselbi-
gen vermischen. Denn es ist nicht genung/
daß die Vernunfft-Lehre dem Menschen wei-
se/ wie er die Warheit nachjagen solle. Sie
muß ihm auch die Mittel zeigen/ durch welche
er dieselbe erhalten könne.

15. Dieweil aber die Schwachheit des
menschlichen Verstandes dergestalt beschaffen
ist/ daß es ohnmöglich ist/ alle Warheiten
genau und deutlich zu erkennen/ oder derer
Warheiten/ die ein Mensch weiß/ gewiß ver-
sichert zu seyn/ als ist genung/ wenn die Ver-
nunfft-Lehre nur zeiget/ wie man das unstrei-
tig wahre/ von dem unstreitigen falschen
entscheiden/ im übrigen aber in denen andern
Dingen erkennen solte/ ob bey denenselben ei-
ne Wahrscheinlichkeit/ und in was für einem
Grad anzutreffen sey/ und wie weit der mensch-
liche Verstand mit seiner Wissenschafft darin-
ne zunehmen könne.

16. So

2. Haupt-Stuͤck von der
reit erkannte Warheit ausſprechen/ oder an-
dern fuͤrtragen/ oder wie der Menſch von
Dingen/ die er gar nicht verſtuͤnde/ etwas or-
dentlich herplaudern ſolte.

14. Uber dieſes muß man auch die Nach-
forſchung der Warheit nicht mit der Erſor-
ſchung oder wuͤrcklichen Erkaͤntnuͤß derſelbi-
gen vermiſchen. Denn es iſt nicht genung/
daß die Vernunfft-Lehre dem Menſchen wei-
ſe/ wie er die Warheit nachjagen ſolle. Sie
muß ihm auch die Mittel zeigen/ durch welche
er dieſelbe erhalten koͤnne.

15. Dieweil aber die Schwachheit des
menſchlichen Verſtandes dergeſtalt beſchaffen
iſt/ daß es ohnmoͤglich iſt/ alle Warheiten
genau und deutlich zu erkennen/ oder derer
Warheiten/ die ein Menſch weiß/ gewiß ver-
ſichert zu ſeyn/ als iſt genung/ wenn die Ver-
nunfft-Lehre nur zeiget/ wie man das unſtrei-
tig wahre/ von dem unſtreitigen falſchen
entſcheiden/ im uͤbrigen aber in denen andern
Dingen erkennen ſolte/ ob bey denenſelben ei-
ne Wahrſcheinlichkeit/ und in was fuͤr einem
Grad anzutreffen ſey/ und wie weit der menſch-
liche Verſtand mit ſeiner Wiſſenſchafft darin-
ne zunehmen koͤnne.

16. So
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0110" n="92"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">2. Haupt-Stu&#x0364;ck von der</hi></fw><lb/>
reit erkannte Warheit aus&#x017F;prechen/ oder an-<lb/>
dern fu&#x0364;rtragen/ oder wie der Men&#x017F;ch von<lb/>
Dingen/ die er gar nicht ver&#x017F;tu&#x0364;nde/ etwas or-<lb/>
dentlich herplaudern &#x017F;olte.</p><lb/>
        <p>14. Uber die&#x017F;es muß man auch die Nach-<lb/>
for&#x017F;chung der Warheit nicht mit der Er&#x017F;or-<lb/>
&#x017F;chung oder wu&#x0364;rcklichen Erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß der&#x017F;elbi-<lb/>
gen vermi&#x017F;chen. Denn es i&#x017F;t nicht genung/<lb/>
daß die Vernunfft-Lehre dem Men&#x017F;chen wei-<lb/>
&#x017F;e/ wie er die Warheit nachjagen &#x017F;olle. Sie<lb/>
muß ihm auch die Mittel zeigen/ durch welche<lb/>
er die&#x017F;elbe erhalten ko&#x0364;nne.</p><lb/>
        <p>15. Dieweil aber die Schwachheit des<lb/>
men&#x017F;chlichen Ver&#x017F;tandes derge&#x017F;talt be&#x017F;chaffen<lb/>
i&#x017F;t/ daß es ohnmo&#x0364;glich i&#x017F;t/ alle Warheiten<lb/>
genau und deutlich zu erkennen/ oder derer<lb/>
Warheiten/ die ein Men&#x017F;ch weiß/ gewiß ver-<lb/>
&#x017F;ichert zu &#x017F;eyn/ als i&#x017F;t genung/ wenn die Ver-<lb/>
nunfft-Lehre nur zeiget/ wie man das un&#x017F;trei-<lb/>
tig wahre/ von dem un&#x017F;treitigen fal&#x017F;chen<lb/>
ent&#x017F;cheiden/ im u&#x0364;brigen aber in denen andern<lb/>
Dingen erkennen &#x017F;olte/ ob bey denen&#x017F;elben ei-<lb/>
ne Wahr&#x017F;cheinlichkeit/ und in was fu&#x0364;r einem<lb/>
Grad anzutreffen &#x017F;ey/ und wie weit der men&#x017F;ch-<lb/>
liche Ver&#x017F;tand mit &#x017F;einer Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft darin-<lb/>
ne zunehmen ko&#x0364;nne.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">16. So</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0110] 2. Haupt-Stuͤck von der reit erkannte Warheit ausſprechen/ oder an- dern fuͤrtragen/ oder wie der Menſch von Dingen/ die er gar nicht verſtuͤnde/ etwas or- dentlich herplaudern ſolte. 14. Uber dieſes muß man auch die Nach- forſchung der Warheit nicht mit der Erſor- ſchung oder wuͤrcklichen Erkaͤntnuͤß derſelbi- gen vermiſchen. Denn es iſt nicht genung/ daß die Vernunfft-Lehre dem Menſchen wei- ſe/ wie er die Warheit nachjagen ſolle. Sie muß ihm auch die Mittel zeigen/ durch welche er dieſelbe erhalten koͤnne. 15. Dieweil aber die Schwachheit des menſchlichen Verſtandes dergeſtalt beſchaffen iſt/ daß es ohnmoͤglich iſt/ alle Warheiten genau und deutlich zu erkennen/ oder derer Warheiten/ die ein Menſch weiß/ gewiß ver- ſichert zu ſeyn/ als iſt genung/ wenn die Ver- nunfft-Lehre nur zeiget/ wie man das unſtrei- tig wahre/ von dem unſtreitigen falſchen entſcheiden/ im uͤbrigen aber in denen andern Dingen erkennen ſolte/ ob bey denenſelben ei- ne Wahrſcheinlichkeit/ und in was fuͤr einem Grad anzutreffen ſey/ und wie weit der menſch- liche Verſtand mit ſeiner Wiſſenſchafft darin- ne zunehmen koͤnne. 16. So

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/110
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/110>, abgerufen am 29.04.2024.