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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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und derselben unterschiedenen Arten.
müssen wir die Warheit besser kennen lernen/
wenn wir Haupt-Regeln/ dieselbe zu erforschen/
betrachten wollen.

3. Aber vielleicht ist dieselbige nicht in der
Welt/
und ein eiteler Wahn derer/ die sich Ge-
lehrte nennen: Oder sie ist für dem Menschen
so verborgen/ daß er sie nicht finden kan. Und
wie viel tausend Jahr haben die Gelehrten
darum gestritten/ und doch noch nicht sich verei-
nigen können/ wer sie gefunden.

4. Aber die Schuld ist nicht an der War-
heit/ sondern an der Hartnäckigkeit oder prae-
cipitanz
derer Philofophen.

5. Deine eigene Gedancken werden dich
überzeigen/ daß etwas wahr sey/ und wenn
du dieses gegen mich leugnen wilst/ so ist alle
unsere Intention vergebens/ denn diese Pro-
position,
daß etwas wahr sey/ kan durch
nichts als den gemeinen Beyfall aller vernünff-
tigen Menschen/ und eines jeden seiner eigenen
Versicherung/ behauptet werden.

6. Wir werden äber das Wesen der War-
heit desto deutlicher erkennen/ wenn wir zuvor-
her um etliche Exempel unstreitiger Warhei-
ten uns vergleichen.

Zum
J 5

und derſelben unterſchiedenen Arten.
muͤſſen wir die Warheit beſſer kennen lernen/
wenn wir Haupt-Regeln/ dieſelbe zu erforſchen/
betrachten wollen.

3. Aber vielleicht iſt dieſelbige nicht in der
Welt/
und ein eiteler Wahn derer/ die ſich Ge-
lehrte nennen: Oder ſie iſt fuͤr dem Menſchen
ſo verborgen/ daß er ſie nicht finden kan. Und
wie viel tauſend Jahr haben die Gelehrten
darum geſtritten/ und doch noch nicht ſich verei-
nigen koͤnnen/ wer ſie gefunden.

4. Aber die Schuld iſt nicht an der War-
heit/ ſondern an der Hartnaͤckigkeit oder præ-
cipitanz
derer Philofophen.

5. Deine eigene Gedancken werden dich
uͤberzeigen/ daß etwas wahr ſey/ und wenn
du dieſes gegen mich leugnen wilſt/ ſo iſt alle
unſere Intention vergebens/ denn dieſe Pro-
poſition,
daß etwas wahr ſey/ kan durch
nichts als den gemeinen Beyfall aller vernuͤnff-
tigen Menſchen/ und eines jeden ſeiner eigenen
Verſicherung/ behauptet werden.

6. Wir werden aͤber das Weſen der War-
heit deſto deutlicher erkennen/ wenn wir zuvor-
her um etliche Exempel unſtreitiger Warhei-
ten uns vergleichen.

Zum
J 5
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[137/0155] und derſelben unterſchiedenen Arten. muͤſſen wir die Warheit beſſer kennen lernen/ wenn wir Haupt-Regeln/ dieſelbe zu erforſchen/ betrachten wollen. 3. Aber vielleicht iſt dieſelbige nicht in der Welt/ und ein eiteler Wahn derer/ die ſich Ge- lehrte nennen: Oder ſie iſt fuͤr dem Menſchen ſo verborgen/ daß er ſie nicht finden kan. Und wie viel tauſend Jahr haben die Gelehrten darum geſtritten/ und doch noch nicht ſich verei- nigen koͤnnen/ wer ſie gefunden. 4. Aber die Schuld iſt nicht an der War- heit/ ſondern an der Hartnaͤckigkeit oder præ- cipitanz derer Philofophen. 5. Deine eigene Gedancken werden dich uͤberzeigen/ daß etwas wahr ſey/ und wenn du dieſes gegen mich leugnen wilſt/ ſo iſt alle unſere Intention vergebens/ denn dieſe Pro- poſition, daß etwas wahr ſey/ kan durch nichts als den gemeinen Beyfall aller vernuͤnff- tigen Menſchen/ und eines jeden ſeiner eigenen Verſicherung/ behauptet werden. 6. Wir werden aͤber das Weſen der War- heit deſto deutlicher erkennen/ wenn wir zuvor- her um etliche Exempel unſtreitiger Warhei- ten uns vergleichen. Zum J 5

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/155>, abgerufen am 29.04.2024.