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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Das 9. Hauptstück

17. Und was die Heyden davon gewust
haben/ haben sie alles aus einer übernatürli-
chen Wissenschafft haben können/ oder sie ha-
ben sich Menschliche autorität darzu bereden
lassen.

18. So kan demnach die Vernunfft diesen
Dingen nicht einmahl einen Nahmen geben/
weil sie gar nichts davon weiß.

19. Und ob schon etliche Gelehrte viel von
den Unterscheid inter praeternaturalia & su-
pernaturalia
zusagen wissen/ so kan doch die
Menschliche Vernunfft/ wenn sie sich selbst
gelassen ist/ denselben nicht verstehen.

20. Sondern sie thut an besten/ daß sie alle
diese Dinge dem übernatürliche Licht überläst.

21. Was ferner die andere Bedeutun-
gen unerkanter Dinge anlanget/ die etliche
Menschen allein betreffen/ so ist kein Zweif-
fel/ daß dieselbige anderen Menschen bekant/
das ist/ von ihnen für wahr oder falsch gehal-
ten werden müssen.

22. Dieweil aber aus der Meinung etli-
cher Menschen/ wie wir offters erwehnet/ das
Wahre und Falsche selbst nicht zu urtheilen
ist/ sondern nach dem Verstande aller Men-
schen muß gemessen werden/ also ist auch dieses

uner-
Das 9. Hauptſtuͤck

17. Und was die Heyden davon gewuſt
haben/ haben ſie alles aus einer uͤbernatuͤrli-
chen Wiſſenſchafft haben koͤnnen/ oder ſie ha-
ben ſich Menſchliche autoritaͤt darzu bereden
laſſen.

18. So kan demnach die Vernunfft dieſen
Dingen nicht einmahl einen Nahmen geben/
weil ſie gar nichts davon weiß.

19. Und ob ſchon etliche Gelehrte viel von
den Unterſcheid inter præternaturalia & ſu-
pernaturalia
zuſagen wiſſen/ ſo kan doch die
Menſchliche Vernunfft/ wenn ſie ſich ſelbſt
gelaſſen iſt/ denſelben nicht verſtehen.

20. Sondern ſie thut an beſten/ daß ſie alle
dieſe Dinge dem uͤbernatuͤrlichē Licht uͤberlaͤſt.

21. Was ferner die andere Bedeutun-
gen unerkanter Dinge anlanget/ die etliche
Menſchen allein betreffen/ ſo iſt kein Zweif-
fel/ daß dieſelbige anderen Menſchen bekant/
das iſt/ von ihnen fuͤr wahr oder falſch gehal-
ten werden muͤſſen.

22. Dieweil aber aus der Meinung etli-
cher Menſchen/ wie wir offters erwehnet/ das
Wahre und Falſche ſelbſt nicht zu urtheilen
iſt/ ſondern nach dem Verſtande aller Men-
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[216/0234] Das 9. Hauptſtuͤck 17. Und was die Heyden davon gewuſt haben/ haben ſie alles aus einer uͤbernatuͤrli- chen Wiſſenſchafft haben koͤnnen/ oder ſie ha- ben ſich Menſchliche autoritaͤt darzu bereden laſſen. 18. So kan demnach die Vernunfft dieſen Dingen nicht einmahl einen Nahmen geben/ weil ſie gar nichts davon weiß. 19. Und ob ſchon etliche Gelehrte viel von den Unterſcheid inter præternaturalia & ſu- pernaturalia zuſagen wiſſen/ ſo kan doch die Menſchliche Vernunfft/ wenn ſie ſich ſelbſt gelaſſen iſt/ denſelben nicht verſtehen. 20. Sondern ſie thut an beſten/ daß ſie alle dieſe Dinge dem uͤbernatuͤrlichē Licht uͤberlaͤſt. 21. Was ferner die andere Bedeutun- gen unerkanter Dinge anlanget/ die etliche Menſchen allein betreffen/ ſo iſt kein Zweif- fel/ daß dieſelbige anderen Menſchen bekant/ das iſt/ von ihnen fuͤr wahr oder falſch gehal- ten werden muͤſſen. 22. Dieweil aber aus der Meinung etli- cher Menſchen/ wie wir offters erwehnet/ das Wahre und Falſche ſelbſt nicht zu urtheilen iſt/ ſondern nach dem Verſtande aller Men- ſchen muß gemeſſen werden/ alſo iſt auch dieſes uner-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/234>, abgerufen am 30.04.2024.