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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

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isolirte Staat nicht bloß die eine große Stadt, sondern
noch sehr viele kleinere Städte enthalten müsse.

Dies streitet wider unsre erste Annahme; aber wir
bedurften dieser Annahme auch nur zuerst um die Unter-
suchung zu vereinfachen. Denn wir haben späterhin in
§. 28. gesehen, daß die kleinen Städte auf die Preisbe-
stimmung der landwirthschaftlichen Erzeugnisse keinen Ein-
fluß haben, sondern hierin von der Hauptstadt ganz und
gar abhängig sind. Nur muß die Zentralstadt der Haupt-
marktplatz bleiben, und in ihr müssen alle ländlichen Er-
zeugnisse den höchsten Preis haben; daß dies aber statt
finde, ist schon dadurch hinlänglich motivirt, daß diese
Stadt 1) in der Mitte der Ebene liegt, 2) der Sitz der
Regierung ist und 3) die sämmtlichen Bergwerke in ihrer
Nähe hat.

Eine solche auf die Stellung der Fabriken gerichtete
Untersuchung würde aber, wenn sie praktische Brauchbar-
keit erlangen soll, zwei Gesichtspunkte, die bei der Preis-
bestimmung der landwirthschaftlichen Produkte nicht zur
Sprache gekommen sind, mit aufnehmen müssen.

1) Wir finden in der Wirklichkeit, daß in allen reichen
Ländern der Zinsfuß sehr viel niedriger ist als in den
ärmern Ländern -- ob dies nun in der Natur und
dem Wesen der Sache selbst begründet ist, oder von
der Spaltung in verschiedene Staaten herrührt, muß
hier dahin gestellt bleiben. -- Nun gibt es mehrere
Fabriken und Manufakturen, in denen die Zinsen der
Kapitalanlage einen Hauptbestandtheil, der Arbeits-
lohn und die Auslage für das rohe Material einen
verhältnißmäßig minder bedeutenden Theil der jährli-
chen Ausgabe ausmachen, und alle diese Fabriken
werden in dem reichern Staat betrieben werden müs-
sen, wenn auch das rohe Material und der Arbeitslohn
daselbst viel höher zu stehen kommen. Bei dieser

iſolirte Staat nicht bloß die eine große Stadt, ſondern
noch ſehr viele kleinere Staͤdte enthalten muͤſſe.

Dies ſtreitet wider unſre erſte Annahme; aber wir
bedurften dieſer Annahme auch nur zuerſt um die Unter-
ſuchung zu vereinfachen. Denn wir haben ſpaͤterhin in
§. 28. geſehen, daß die kleinen Staͤdte auf die Preisbe-
ſtimmung der landwirthſchaftlichen Erzeugniſſe keinen Ein-
fluß haben, ſondern hierin von der Hauptſtadt ganz und
gar abhaͤngig ſind. Nur muß die Zentralſtadt der Haupt-
marktplatz bleiben, und in ihr muͤſſen alle laͤndlichen Er-
zeugniſſe den hoͤchſten Preis haben; daß dies aber ſtatt
finde, iſt ſchon dadurch hinlaͤnglich motivirt, daß dieſe
Stadt 1) in der Mitte der Ebene liegt, 2) der Sitz der
Regierung iſt und 3) die ſaͤmmtlichen Bergwerke in ihrer
Naͤhe hat.

Eine ſolche auf die Stellung der Fabriken gerichtete
Unterſuchung wuͤrde aber, wenn ſie praktiſche Brauchbar-
keit erlangen ſoll, zwei Geſichtspunkte, die bei der Preis-
beſtimmung der landwirthſchaftlichen Produkte nicht zur
Sprache gekommen ſind, mit aufnehmen muͤſſen.

1) Wir finden in der Wirklichkeit, daß in allen reichen
Laͤndern der Zinsfuß ſehr viel niedriger iſt als in den
aͤrmern Laͤndern — ob dies nun in der Natur und
dem Weſen der Sache ſelbſt begruͤndet iſt, oder von
der Spaltung in verſchiedene Staaten herruͤhrt, muß
hier dahin geſtellt bleiben. — Nun gibt es mehrere
Fabriken und Manufakturen, in denen die Zinſen der
Kapitalanlage einen Hauptbeſtandtheil, der Arbeits-
lohn und die Auslage fuͤr das rohe Material einen
verhaͤltnißmaͤßig minder bedeutenden Theil der jaͤhrli-
chen Ausgabe ausmachen, und alle dieſe Fabriken
werden in dem reichern Staat betrieben werden muͤſ-
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[246/0260] iſolirte Staat nicht bloß die eine große Stadt, ſondern noch ſehr viele kleinere Staͤdte enthalten muͤſſe. Dies ſtreitet wider unſre erſte Annahme; aber wir bedurften dieſer Annahme auch nur zuerſt um die Unter- ſuchung zu vereinfachen. Denn wir haben ſpaͤterhin in §. 28. geſehen, daß die kleinen Staͤdte auf die Preisbe- ſtimmung der landwirthſchaftlichen Erzeugniſſe keinen Ein- fluß haben, ſondern hierin von der Hauptſtadt ganz und gar abhaͤngig ſind. Nur muß die Zentralſtadt der Haupt- marktplatz bleiben, und in ihr muͤſſen alle laͤndlichen Er- zeugniſſe den hoͤchſten Preis haben; daß dies aber ſtatt finde, iſt ſchon dadurch hinlaͤnglich motivirt, daß dieſe Stadt 1) in der Mitte der Ebene liegt, 2) der Sitz der Regierung iſt und 3) die ſaͤmmtlichen Bergwerke in ihrer Naͤhe hat. Eine ſolche auf die Stellung der Fabriken gerichtete Unterſuchung wuͤrde aber, wenn ſie praktiſche Brauchbar- keit erlangen ſoll, zwei Geſichtspunkte, die bei der Preis- beſtimmung der landwirthſchaftlichen Produkte nicht zur Sprache gekommen ſind, mit aufnehmen muͤſſen. 1) Wir finden in der Wirklichkeit, daß in allen reichen Laͤndern der Zinsfuß ſehr viel niedriger iſt als in den aͤrmern Laͤndern — ob dies nun in der Natur und dem Weſen der Sache ſelbſt begruͤndet iſt, oder von der Spaltung in verſchiedene Staaten herruͤhrt, muß hier dahin geſtellt bleiben. — Nun gibt es mehrere Fabriken und Manufakturen, in denen die Zinſen der Kapitalanlage einen Hauptbeſtandtheil, der Arbeits- lohn und die Auslage fuͤr das rohe Material einen verhaͤltnißmaͤßig minder bedeutenden Theil der jaͤhrli- chen Ausgabe ausmachen, und alle dieſe Fabriken werden in dem reichern Staat betrieben werden muͤſ- ſen, wenn auch das rohe Material und der Arbeitslohn daſelbſt viel hoͤher zu ſtehen kommen. Bei dieſer

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Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/260>, abgerufen am 30.04.2024.