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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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den. Zuweilen aber werde ich wieder zurückge-
rissen, meine Sinne thun sich den Eindrücken
wieder auf und die Seele kömmt zu ihrem
Körper zurück. -- Komm doch zu mir, Wil-
liam, in Deiner Gegenwart gewinne ich viel-
leicht eine bestimmtere Existenz, entweder ich
komme ganz wieder zu den Menschen hinüber,
oder ich werde jenseit in ein dunkles, chaoti-
sches Gebiet geschleudert, das sich dann vielleicht
meinem Geiste entwickelt: daß ich dann mit der
Seele einheimisch bin, wohin mir kein Gedan-
ke der übrigen Sterblichen folgt.

Ja, Lovell, ich bin immer noch in Zweifel
darüber, was aus mir werden würde, wenn die
Leute mich wahnsinnig nennen; o ich fühl'
es, daß ich in vielen Augenblicken diesem Zu-
stande so nahe bin, daß ich nur noch einen ein-
zigen kleinen Schritt vorwärts zu thun brau-
che, um nicht wieder zurückzukehren. Ich brüte
oft mit anhaltendem Nachdenken über mir sel-
ber, zuweilen ists, als risse sich eine Spalte
auf, daß ich mit meinem Blicke in mein inner-
stes Wesen und in die Zukunft dringen könnte;
aber sie fällt wieder zu, und alles, was ich fes-
seln wollte, entflieht treulos meinen Händen. --

den. Zuweilen aber werde ich wieder zuruͤckge-
riſſen, meine Sinne thun ſich den Eindruͤcken
wieder auf und die Seele koͤmmt zu ihrem
Koͤrper zuruͤck. — Komm doch zu mir, Wil-
liam, in Deiner Gegenwart gewinne ich viel-
leicht eine beſtimmtere Exiſtenz, entweder ich
komme ganz wieder zu den Menſchen hinuͤber,
oder ich werde jenſeit in ein dunkles, chaoti-
ſches Gebiet geſchleudert, das ſich dann vielleicht
meinem Geiſte entwickelt: daß ich dann mit der
Seele einheimiſch bin, wohin mir kein Gedan-
ke der uͤbrigen Sterblichen folgt.

Ja, Lovell, ich bin immer noch in Zweifel
daruͤber, was aus mir werden wuͤrde, wenn die
Leute mich wahnſinnig nennen; o ich fuͤhl’
es, daß ich in vielen Augenblicken dieſem Zu-
ſtande ſo nahe bin, daß ich nur noch einen ein-
zigen kleinen Schritt vorwaͤrts zu thun brau-
che, um nicht wieder zuruͤckzukehren. Ich bruͤte
oft mit anhaltendem Nachdenken uͤber mir ſel-
ber, zuweilen iſts, als riſſe ſich eine Spalte
auf, daß ich mit meinem Blicke in mein inner-
ſtes Weſen und in die Zukunft dringen koͤnnte;
aber ſie faͤllt wieder zu, und alles, was ich feſ-
ſeln wollte, entflieht treulos meinen Haͤnden. —

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[330[328]/0338] den. Zuweilen aber werde ich wieder zuruͤckge- riſſen, meine Sinne thun ſich den Eindruͤcken wieder auf und die Seele koͤmmt zu ihrem Koͤrper zuruͤck. — Komm doch zu mir, Wil- liam, in Deiner Gegenwart gewinne ich viel- leicht eine beſtimmtere Exiſtenz, entweder ich komme ganz wieder zu den Menſchen hinuͤber, oder ich werde jenſeit in ein dunkles, chaoti- ſches Gebiet geſchleudert, das ſich dann vielleicht meinem Geiſte entwickelt: daß ich dann mit der Seele einheimiſch bin, wohin mir kein Gedan- ke der uͤbrigen Sterblichen folgt. Ja, Lovell, ich bin immer noch in Zweifel daruͤber, was aus mir werden wuͤrde, wenn die Leute mich wahnſinnig nennen; o ich fuͤhl’ es, daß ich in vielen Augenblicken dieſem Zu- ſtande ſo nahe bin, daß ich nur noch einen ein- zigen kleinen Schritt vorwaͤrts zu thun brau- che, um nicht wieder zuruͤckzukehren. Ich bruͤte oft mit anhaltendem Nachdenken uͤber mir ſel- ber, zuweilen iſts, als riſſe ſich eine Spalte auf, daß ich mit meinem Blicke in mein inner- ſtes Weſen und in die Zukunft dringen koͤnnte; aber ſie faͤllt wieder zu, und alles, was ich feſ- ſeln wollte, entflieht treulos meinen Haͤnden. —

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 330[328]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/338>, abgerufen am 27.04.2024.