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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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niß hängt im Vordergrunde meiner Seele, wo
sich die hellsten Strahlen versammeln; auch in
Balders Gesellschaft fehlst Du mir, -- könn-
test Du doch bei mir seyn, Du würdest ihn ge-
wiß lieben, dann reisten wir, drei Freunde mit
Einem Herzen durch die schöne Welt, -- o
Eduard, ich möchte weinen, wenn ich mir diese
Seeligkeit lebhaft träume, -- und dann neben
dem spottenden, fröhlichen Mortimer erwache,
der nur Gesellschaft und Menschengesichter sucht,
um sich die langweiligen Stunden hinwegzu-
schwatzen. -- Er kann kein feinempfindendes
Herz haben, er lacht beständig, oder lächelt in
seiner Kälte über meinen Enthusiasmus, auch
Balder scheint ihm nicht zu gefallen. Ich
zweifle nicht an seinem Edelmuthe, er spricht, so
scheint es mir, oft mit vielem Verstande, er ist
älter als ich und kennt die Welt mehr, -- aber
ich zweifle, daß er den holden Einklang jener
zarten Gefühle versteht, die sich nur den feinern
Seelen offenbaren. -- Zuweilen quält er mich
wirklich, wenn ich eben unter goldenen Träu-
men der Zukunft und Vergangenheit wandle,
von Deinem Bilde, und der holdseeligen Ge-
stalt Amalien's angelächelt; mit ihm zugleich

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niß haͤngt im Vordergrunde meiner Seele, wo
ſich die hellſten Strahlen verſammeln; auch in
Balders Geſellſchaft fehlſt Du mir, — koͤnn-
teſt Du doch bei mir ſeyn, Du wuͤrdeſt ihn ge-
wiß lieben, dann reiſten wir, drei Freunde mit
Einem Herzen durch die ſchoͤne Welt, — o
Eduard, ich moͤchte weinen, wenn ich mir dieſe
Seeligkeit lebhaft traͤume, — und dann neben
dem ſpottenden, froͤhlichen Mortimer erwache,
der nur Geſellſchaft und Menſchengeſichter ſucht,
um ſich die langweiligen Stunden hinwegzu-
ſchwatzen. — Er kann kein feinempfindendes
Herz haben, er lacht beſtaͤndig, oder laͤchelt in
ſeiner Kaͤlte uͤber meinen Enthuſiasmus, auch
Balder ſcheint ihm nicht zu gefallen. Ich
zweifle nicht an ſeinem Edelmuthe, er ſpricht, ſo
ſcheint es mir, oft mit vielem Verſtande, er iſt
aͤlter als ich und kennt die Welt mehr, — aber
ich zweifle, daß er den holden Einklang jener
zarten Gefuͤhle verſteht, die ſich nur den feinern
Seelen offenbaren. — Zuweilen quaͤlt er mich
wirklich, wenn ich eben unter goldenen Traͤu-
men der Zukunft und Vergangenheit wandle,
von Deinem Bilde, und der holdſeeligen Ge-
ſtalt Amalien’s angelaͤchelt; mit ihm zugleich

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[83[81]/0091] niß haͤngt im Vordergrunde meiner Seele, wo ſich die hellſten Strahlen verſammeln; auch in Balders Geſellſchaft fehlſt Du mir, — koͤnn- teſt Du doch bei mir ſeyn, Du wuͤrdeſt ihn ge- wiß lieben, dann reiſten wir, drei Freunde mit Einem Herzen durch die ſchoͤne Welt, — o Eduard, ich moͤchte weinen, wenn ich mir dieſe Seeligkeit lebhaft traͤume, — und dann neben dem ſpottenden, froͤhlichen Mortimer erwache, der nur Geſellſchaft und Menſchengeſichter ſucht, um ſich die langweiligen Stunden hinwegzu- ſchwatzen. — Er kann kein feinempfindendes Herz haben, er lacht beſtaͤndig, oder laͤchelt in ſeiner Kaͤlte uͤber meinen Enthuſiasmus, auch Balder ſcheint ihm nicht zu gefallen. Ich zweifle nicht an ſeinem Edelmuthe, er ſpricht, ſo ſcheint es mir, oft mit vielem Verſtande, er iſt aͤlter als ich und kennt die Welt mehr, — aber ich zweifle, daß er den holden Einklang jener zarten Gefuͤhle verſteht, die ſich nur den feinern Seelen offenbaren. — Zuweilen quaͤlt er mich wirklich, wenn ich eben unter goldenen Traͤu- men der Zukunft und Vergangenheit wandle, von Deinem Bilde, und der holdſeeligen Ge- ſtalt Amalien’s angelaͤchelt; mit ihm zugleich F 2

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 83[81]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/91>, abgerufen am 30.04.2024.