Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

die sich gespaltet hat, ist schmerzhafter, als jene,
die Du hast heilen wollen.

Ach Eduard, wenn ich nicht meinen Vater
fürchtete, so flög ich jetzt nach England zurück,
und stürzte als reuiger und beschämter Sünder
vor Amaliens Füßen nieder, daß sie mir ver-
gäbe, oder ich den Tod von ihrer Hand em-
pfinge. --

Es ist wie Wetterleuchten am Horizont mei-
nes Lebens, -- wie Klocken, die aus der Ferne
den Götterlästerer zur Kirche und zur Strafe ru-
fen. -- Vergieb Du mir zuerst, mein Eduard, --
ach, weiß ich denn nicht, daß, wenn mein
Schicksal in Deiner Hand stände, ich der
Glücklichste der Menschen wäre!

Möcht' ich wenigstens nicht wieder von die-
sem Taumel der Angst erwachen, die mich all-
mächtig ergriffen hat, -- ach ich fühle schon
jetzt die düstere entsetzliche Leere, die ihr folgen
wird. -- Lebe wohl, Theurester meiner Seele,
und erquicke mich durch Deine Briefe, so wie
Du mir durch diesen den letzten Muth entrissen
hast.

Ich kann nicht weiter. --




Lovell. 2r Bd. G

die ſich geſpaltet hat, iſt ſchmerzhafter, als jene,
die Du haſt heilen wollen.

Ach Eduard, wenn ich nicht meinen Vater
fuͤrchtete, ſo floͤg ich jetzt nach England zuruͤck,
und ſtuͤrzte als reuiger und beſchaͤmter Suͤnder
vor Amaliens Fuͤßen nieder, daß ſie mir ver-
gaͤbe, oder ich den Tod von ihrer Hand em-
pfinge. —

Es iſt wie Wetterleuchten am Horizont mei-
nes Lebens, — wie Klocken, die aus der Ferne
den Goͤtterlaͤſterer zur Kirche und zur Strafe ru-
fen. — Vergieb Du mir zuerſt, mein Eduard, —
ach, weiß ich denn nicht, daß, wenn mein
Schickſal in Deiner Hand ſtaͤnde, ich der
Gluͤcklichſte der Menſchen waͤre!

Moͤcht’ ich wenigſtens nicht wieder von die-
ſem Taumel der Angſt erwachen, die mich all-
maͤchtig ergriffen hat, — ach ich fuͤhle ſchon
jetzt die duͤſtere entſetzliche Leere, die ihr folgen
wird. — Lebe wohl, Theureſter meiner Seele,
und erquicke mich durch Deine Briefe, ſo wie
Du mir durch dieſen den letzten Muth entriſſen
haſt.

Ich kann nicht weiter. —




Lovell. 2r Bd. G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0103" n="97"/>
die &#x017F;ich ge&#x017F;paltet hat, i&#x017F;t &#x017F;chmerzhafter, als jene,<lb/>
die Du ha&#x017F;t heilen wollen.</p><lb/>
          <p>Ach Eduard, wenn ich nicht meinen Vater<lb/>
fu&#x0364;rchtete, &#x017F;o flo&#x0364;g ich jetzt nach England zuru&#x0364;ck,<lb/>
und &#x017F;tu&#x0364;rzte als reuiger und be&#x017F;cha&#x0364;mter Su&#x0364;nder<lb/>
vor Amaliens Fu&#x0364;ßen nieder, daß &#x017F;ie mir ver-<lb/>
ga&#x0364;be, oder ich den Tod von ihrer Hand em-<lb/>
pfinge. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t wie Wetterleuchten am Horizont mei-<lb/>
nes Lebens, &#x2014; wie Klocken, die aus der Ferne<lb/>
den Go&#x0364;tterla&#x0364;&#x017F;terer zur Kirche und zur Strafe ru-<lb/>
fen. &#x2014; Vergieb <hi rendition="#g">Du</hi> mir zuer&#x017F;t, mein Eduard, &#x2014;<lb/>
ach, weiß ich denn nicht, daß, wenn mein<lb/>
Schick&#x017F;al in <hi rendition="#g">Deiner</hi> Hand &#x017F;ta&#x0364;nde, ich der<lb/>
Glu&#x0364;cklich&#x017F;te der Men&#x017F;chen wa&#x0364;re!</p><lb/>
          <p>Mo&#x0364;cht&#x2019; ich wenig&#x017F;tens nicht wieder von die-<lb/>
&#x017F;em Taumel der Ang&#x017F;t erwachen, die mich all-<lb/>
ma&#x0364;chtig ergriffen hat, &#x2014; ach ich fu&#x0364;hle &#x017F;chon<lb/>
jetzt die du&#x0364;&#x017F;tere ent&#x017F;etzliche Leere, die ihr folgen<lb/>
wird. &#x2014; Lebe wohl, Theure&#x017F;ter meiner Seele,<lb/>
und erquicke mich durch Deine Briefe, &#x017F;o wie<lb/>
Du mir durch die&#x017F;en den letzten Muth entri&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ha&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Ich kann nicht weiter. &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="sig">Lovell. 2r Bd. G</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0103] die ſich geſpaltet hat, iſt ſchmerzhafter, als jene, die Du haſt heilen wollen. Ach Eduard, wenn ich nicht meinen Vater fuͤrchtete, ſo floͤg ich jetzt nach England zuruͤck, und ſtuͤrzte als reuiger und beſchaͤmter Suͤnder vor Amaliens Fuͤßen nieder, daß ſie mir ver- gaͤbe, oder ich den Tod von ihrer Hand em- pfinge. — Es iſt wie Wetterleuchten am Horizont mei- nes Lebens, — wie Klocken, die aus der Ferne den Goͤtterlaͤſterer zur Kirche und zur Strafe ru- fen. — Vergieb Du mir zuerſt, mein Eduard, — ach, weiß ich denn nicht, daß, wenn mein Schickſal in Deiner Hand ſtaͤnde, ich der Gluͤcklichſte der Menſchen waͤre! Moͤcht’ ich wenigſtens nicht wieder von die- ſem Taumel der Angſt erwachen, die mich all- maͤchtig ergriffen hat, — ach ich fuͤhle ſchon jetzt die duͤſtere entſetzliche Leere, die ihr folgen wird. — Lebe wohl, Theureſter meiner Seele, und erquicke mich durch Deine Briefe, ſo wie Du mir durch dieſen den letzten Muth entriſſen haſt. Ich kann nicht weiter. — Lovell. 2r Bd. G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/103
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/103>, abgerufen am 28.04.2024.