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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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Zurückkunft ansagte. In wenigen Tagen wird
er hier seyn. Ich war wie vom Schlage
getroffen, alle meine Sinne waren gelähmt,
bleich, und wie aus der Ferne hört' ich nur die
genaueren Nachrichten, die der Schurke mit-
brachte. Schon das verdammte Gesicht des
Kerls, als er zur Thüre hereintrat, kündigte
mir nichts Gutes an. Es war eine von den
Physiognomien, die dazu gemacht sind, Un-
glücksbothschaften zu bringen.

Und dann die Freude der Mutter! Die stille
Beschämung Rosalinens, die mir plötzlich durch
die bloße Nachricht ganz abgewandt wurde! O
mich wundert, daß ich nicht den Verstand ver-
lohren habe! Sie weicht mir seitdem ängstlich
aus, sie ist kalt und fremde, und ich stehe auf
demselben Punkte, auf dem ich mich am ersten
Tage unsrer Bekanntschaft befand. -- Ich könn-
te den Kerl ermorden, der sich so ungerufen
zwischen uns drängt, und all mein Glück und
meine schönen Träume vernichtet. -- Warum
hängen wir so oft von nichtswürdigen Zufällig-
keiten ab! -- Und nun jetzt, jetzt, da sich so
eben alle meine Wünsche krönen wollten. --
Wenn ich sie sehe, mit all ihren Reizen, und

die

Zuruͤckkunft anſagte. In wenigen Tagen wird
er hier ſeyn. Ich war wie vom Schlage
getroffen, alle meine Sinne waren gelaͤhmt,
bleich, und wie aus der Ferne hoͤrt’ ich nur die
genaueren Nachrichten, die der Schurke mit-
brachte. Schon das verdammte Geſicht des
Kerls, als er zur Thuͤre hereintrat, kuͤndigte
mir nichts Gutes an. Es war eine von den
Phyſiognomien, die dazu gemacht ſind, Un-
gluͤcksbothſchaften zu bringen.

Und dann die Freude der Mutter! Die ſtille
Beſchaͤmung Roſalinens, die mir ploͤtzlich durch
die bloße Nachricht ganz abgewandt wurde! O
mich wundert, daß ich nicht den Verſtand ver-
lohren habe! Sie weicht mir ſeitdem aͤngſtlich
aus, ſie iſt kalt und fremde, und ich ſtehe auf
demſelben Punkte, auf dem ich mich am erſten
Tage unſrer Bekanntſchaft befand. — Ich koͤnn-
te den Kerl ermorden, der ſich ſo ungerufen
zwiſchen uns draͤngt, und all mein Gluͤck und
meine ſchoͤnen Traͤume vernichtet. — Warum
haͤngen wir ſo oft von nichtswuͤrdigen Zufaͤllig-
keiten ab! — Und nun jetzt, jetzt, da ſich ſo
eben alle meine Wuͤnſche kroͤnen wollten. —
Wenn ich ſie ſehe, mit all ihren Reizen, und

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[176/0182] Zuruͤckkunft anſagte. In wenigen Tagen wird er hier ſeyn. Ich war wie vom Schlage getroffen, alle meine Sinne waren gelaͤhmt, bleich, und wie aus der Ferne hoͤrt’ ich nur die genaueren Nachrichten, die der Schurke mit- brachte. Schon das verdammte Geſicht des Kerls, als er zur Thuͤre hereintrat, kuͤndigte mir nichts Gutes an. Es war eine von den Phyſiognomien, die dazu gemacht ſind, Un- gluͤcksbothſchaften zu bringen. Und dann die Freude der Mutter! Die ſtille Beſchaͤmung Roſalinens, die mir ploͤtzlich durch die bloße Nachricht ganz abgewandt wurde! O mich wundert, daß ich nicht den Verſtand ver- lohren habe! Sie weicht mir ſeitdem aͤngſtlich aus, ſie iſt kalt und fremde, und ich ſtehe auf demſelben Punkte, auf dem ich mich am erſten Tage unſrer Bekanntſchaft befand. — Ich koͤnn- te den Kerl ermorden, der ſich ſo ungerufen zwiſchen uns draͤngt, und all mein Gluͤck und meine ſchoͤnen Traͤume vernichtet. — Warum haͤngen wir ſo oft von nichtswuͤrdigen Zufaͤllig- keiten ab! — Und nun jetzt, jetzt, da ſich ſo eben alle meine Wuͤnſche kroͤnen wollten. — Wenn ich ſie ſehe, mit all ihren Reizen, und die

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/182>, abgerufen am 29.04.2024.