Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweite Abtheilung.
kein Hahn darnach krähte. Denken Sie doch, wel-
chen Ruhm! Welchen Nutzen wir unserm Vater-
lande, ja der Menschheit gestiftet hätten! Das ver-
gebe ich Ihnen niemals, meine Herren, war keine
Wache da, so mußten sie zum allgemeinen Besten
selber zugreifen.
2. Rath. Wir dachten nicht daran, wir ha-
ben nicht den praktischen Blick, das schnelle Genie,
welches den Herrn Präsidenten vor allen Staats-
beamten so sehr auszeichnet.
1. Rath. Der Herr Präsident tragen ja den
Arm in einer Binde? Ihnen ist doch kein Unglück
begegnet.
Präsident. Eine kleine Verletzung, die
nichts zu bedeuten haben wird. Hier draußen vor
der Stadt, nahe am Thore, ist mir etwas höchst
Seltsames begegnet: indem ich hereinfahren will,
erhebt sich vor mir ein weibliches schönes Gebilde,
es schien, als wollte sie in den Wagen zu mir herein
schweben, ich hätte sie halten können, aber sie flog
über die Chaise hinweg, und, indem ich ihr erstaunt
nachsehe, wälzt sich radschlagend ein dicker plumper
Kerl in den Weg, zwischen die Pferde hinein,
schlägt im Purzelbaum den Kutscher vom Sitz,
macht die Pferde scheu, poltert zu mir herein, ver-
letzt mich am Kopf, der Wagen wirft um, und in-
dem wir uns besinnen, aufraffen, den Wagen rich-
ten, Bediente und Kutscher wieder ihre Stellen
einnehmen, sind schon beide Gespenster weit weg
entschwunden. Der Arm aber ist mir ausgerenkt.
Sekretär. Das war sie, das war sie, Ihr
Zweite Abtheilung.
kein Hahn darnach kraͤhte. Denken Sie doch, wel-
chen Ruhm! Welchen Nutzen wir unſerm Vater-
lande, ja der Menſchheit geſtiftet haͤtten! Das ver-
gebe ich Ihnen niemals, meine Herren, war keine
Wache da, ſo mußten ſie zum allgemeinen Beſten
ſelber zugreifen.
2. Rath. Wir dachten nicht daran, wir ha-
ben nicht den praktiſchen Blick, das ſchnelle Genie,
welches den Herrn Praͤſidenten vor allen Staats-
beamten ſo ſehr auszeichnet.
1. Rath. Der Herr Praͤſident tragen ja den
Arm in einer Binde? Ihnen iſt doch kein Ungluͤck
begegnet.
Praͤſident. Eine kleine Verletzung, die
nichts zu bedeuten haben wird. Hier draußen vor
der Stadt, nahe am Thore, iſt mir etwas hoͤchſt
Seltſames begegnet: indem ich hereinfahren will,
erhebt ſich vor mir ein weibliches ſchoͤnes Gebilde,
es ſchien, als wollte ſie in den Wagen zu mir herein
ſchweben, ich haͤtte ſie halten koͤnnen, aber ſie flog
uͤber die Chaiſe hinweg, und, indem ich ihr erſtaunt
nachſehe, waͤlzt ſich radſchlagend ein dicker plumper
Kerl in den Weg, zwiſchen die Pferde hinein,
ſchlaͤgt im Purzelbaum den Kutſcher vom Sitz,
macht die Pferde ſcheu, poltert zu mir herein, ver-
letzt mich am Kopf, der Wagen wirft um, und in-
dem wir uns beſinnen, aufraffen, den Wagen rich-
ten, Bediente und Kutſcher wieder ihre Stellen
einnehmen, ſind ſchon beide Geſpenſter weit weg
entſchwunden. Der Arm aber iſt mir ausgerenkt.
Sekretaͤr. Das war ſie, das war ſie, Ihr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#Pra&#x0364;&#x017F;ident">
              <p><pb facs="#f0275" n="265"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
kein Hahn darnach kra&#x0364;hte. Denken Sie doch, wel-<lb/>
chen Ruhm! Welchen Nutzen wir un&#x017F;erm Vater-<lb/>
lande, ja der Men&#x017F;chheit ge&#x017F;tiftet ha&#x0364;tten! Das ver-<lb/>
gebe ich Ihnen niemals, meine Herren, war keine<lb/>
Wache da, &#x017F;o mußten &#x017F;ie zum allgemeinen Be&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;elber zugreifen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#2Rath">
              <speaker>2. <hi rendition="#g">Rath</hi>.</speaker>
              <p>Wir dachten nicht daran, wir ha-<lb/>
ben nicht den prakti&#x017F;chen Blick, das &#x017F;chnelle Genie,<lb/>
welches den Herrn Pra&#x0364;&#x017F;identen vor allen Staats-<lb/>
beamten &#x017F;o &#x017F;ehr auszeichnet.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#1Rath">
              <speaker>1. <hi rendition="#g">Rath</hi>.</speaker>
              <p>Der Herr Pra&#x0364;&#x017F;ident tragen ja den<lb/>
Arm in einer Binde? Ihnen i&#x017F;t doch kein Unglu&#x0364;ck<lb/>
begegnet.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#Pra&#x0364;&#x017F;ident">
              <speaker><hi rendition="#g">Pra&#x0364;&#x017F;ident</hi>.</speaker>
              <p>Eine kleine Verletzung, die<lb/>
nichts zu bedeuten haben wird. Hier draußen vor<lb/>
der Stadt, nahe am Thore, i&#x017F;t mir etwas ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
Selt&#x017F;ames begegnet: indem ich hereinfahren will,<lb/>
erhebt &#x017F;ich vor mir ein weibliches &#x017F;cho&#x0364;nes Gebilde,<lb/>
es &#x017F;chien, als wollte &#x017F;ie in den Wagen zu mir herein<lb/>
&#x017F;chweben, ich ha&#x0364;tte &#x017F;ie halten ko&#x0364;nnen, aber &#x017F;ie flog<lb/>
u&#x0364;ber die Chai&#x017F;e hinweg, und, indem ich ihr er&#x017F;taunt<lb/>
nach&#x017F;ehe, wa&#x0364;lzt &#x017F;ich rad&#x017F;chlagend ein dicker plumper<lb/>
Kerl in den Weg, zwi&#x017F;chen die Pferde hinein,<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;gt im Purzelbaum den Kut&#x017F;cher vom Sitz,<lb/>
macht die Pferde &#x017F;cheu, poltert zu mir herein, ver-<lb/>
letzt mich am Kopf, der Wagen wirft um, und in-<lb/>
dem wir uns be&#x017F;innen, aufraffen, den Wagen rich-<lb/>
ten, Bediente und Kut&#x017F;cher wieder ihre Stellen<lb/>
einnehmen, &#x017F;ind &#x017F;chon beide Ge&#x017F;pen&#x017F;ter weit weg<lb/>
ent&#x017F;chwunden. Der Arm aber i&#x017F;t mir ausgerenkt.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#Sekreta&#x0364;r">
              <speaker><hi rendition="#g">Sekreta&#x0364;r</hi>.</speaker>
              <p>Das war &#x017F;ie, das war &#x017F;ie, Ihr<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[265/0275] Zweite Abtheilung. kein Hahn darnach kraͤhte. Denken Sie doch, wel- chen Ruhm! Welchen Nutzen wir unſerm Vater- lande, ja der Menſchheit geſtiftet haͤtten! Das ver- gebe ich Ihnen niemals, meine Herren, war keine Wache da, ſo mußten ſie zum allgemeinen Beſten ſelber zugreifen. 2. Rath. Wir dachten nicht daran, wir ha- ben nicht den praktiſchen Blick, das ſchnelle Genie, welches den Herrn Praͤſidenten vor allen Staats- beamten ſo ſehr auszeichnet. 1. Rath. Der Herr Praͤſident tragen ja den Arm in einer Binde? Ihnen iſt doch kein Ungluͤck begegnet. Praͤſident. Eine kleine Verletzung, die nichts zu bedeuten haben wird. Hier draußen vor der Stadt, nahe am Thore, iſt mir etwas hoͤchſt Seltſames begegnet: indem ich hereinfahren will, erhebt ſich vor mir ein weibliches ſchoͤnes Gebilde, es ſchien, als wollte ſie in den Wagen zu mir herein ſchweben, ich haͤtte ſie halten koͤnnen, aber ſie flog uͤber die Chaiſe hinweg, und, indem ich ihr erſtaunt nachſehe, waͤlzt ſich radſchlagend ein dicker plumper Kerl in den Weg, zwiſchen die Pferde hinein, ſchlaͤgt im Purzelbaum den Kutſcher vom Sitz, macht die Pferde ſcheu, poltert zu mir herein, ver- letzt mich am Kopf, der Wagen wirft um, und in- dem wir uns beſinnen, aufraffen, den Wagen rich- ten, Bediente und Kutſcher wieder ihre Stellen einnehmen, ſind ſchon beide Geſpenſter weit weg entſchwunden. Der Arm aber iſt mir ausgerenkt. Sekretaͤr. Das war ſie, das war ſie, Ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/275
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/275>, abgerufen am 28.04.2024.