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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Fortunat.
geruht? -- Dero Puls, wenn ich bitten darf, --
ei! ei! wie hastig! wie unzusammenhängend! wie
stoßend.
König. Nun, Doktor, was giebts? Doch
keine schlimme Krankheit unterwegs?
Leibarzt. Nichts als eine hartnäckige und
sehr verderbliche Obstruktion, der Stein der Wei-
sen ist zu unverdaulich, der Herr Reymund ist
die Materia peccans, die abgeführt werden müßte.
Reymund. Nein, mein Herr Doktor, die
Ignoranz ist es! Purgirtet Ihr diese auf allen
Wegen, so würdet Ihr nachher andächtig und
überrascht an Euer Haupt fühlen und ausrufen:
Wetter! Da drinne denkt etwas! seyd still da
draus, ihr Leute, daß ich zuhören kann!
Leibarzt. Ein solcher Schwärmer, ein drei-
mal gesichteter Phantast will vom Denken spre-
chen? Wie dürft Ihr, Verkehrter, das heilige Wort
nur in den Mund nehmen? Aber Ihr denkt
Euch nichts beim Denken; ja, da liegt der Hund
begraben! Ihr denkt Ihr denkt, aber es ist nichts
dahinter, abergläubisch seyd Ihr mit Haut und
Haar, und mit Ueberschnappen wird das Lied zu
Ende gehn: denkt an mich, Miserabler!
König. Still! Still! Ruhig, meine Freunde.
Reymund --
Reymund. Was? Ich dächte mir nichts
beim Denken? Und er, Majestät, er hat nichts
als leere Formeln im Gehirn, uralte, abgeklaubte
Phrasen, die er unter anderm Wegwurf von Me-
lonenschalen, Rübenabputz und ausgekochten Kno-
chen im Kehricht gefunden hat, und wie ein ar-
Fortunat.
geruht? — Dero Puls, wenn ich bitten darf, —
ei! ei! wie haſtig! wie unzuſammenhaͤngend! wie
ſtoßend.
Koͤnig. Nun, Doktor, was giebts? Doch
keine ſchlimme Krankheit unterwegs?
Leibarzt. Nichts als eine hartnaͤckige und
ſehr verderbliche Obſtruktion, der Stein der Wei-
ſen iſt zu unverdaulich, der Herr Reymund iſt
die Materia peccans, die abgefuͤhrt werden muͤßte.
Reymund. Nein, mein Herr Doktor, die
Ignoranz iſt es! Purgirtet Ihr dieſe auf allen
Wegen, ſo wuͤrdet Ihr nachher andaͤchtig und
uͤberraſcht an Euer Haupt fuͤhlen und ausrufen:
Wetter! Da drinne denkt etwas! ſeyd ſtill da
draus, ihr Leute, daß ich zuhoͤren kann!
Leibarzt. Ein ſolcher Schwaͤrmer, ein drei-
mal geſichteter Phantaſt will vom Denken ſpre-
chen? Wie duͤrft Ihr, Verkehrter, das heilige Wort
nur in den Mund nehmen? Aber Ihr denkt
Euch nichts beim Denken; ja, da liegt der Hund
begraben! Ihr denkt Ihr denkt, aber es iſt nichts
dahinter, aberglaͤubiſch ſeyd Ihr mit Haut und
Haar, und mit Ueberſchnappen wird das Lied zu
Ende gehn: denkt an mich, Miſerabler!
Koͤnig. Still! Still! Ruhig, meine Freunde.
Reymund —
Reymund. Was? Ich daͤchte mir nichts
beim Denken? Und er, Majeſtaͤt, er hat nichts
als leere Formeln im Gehirn, uralte, abgeklaubte
Phraſen, die er unter anderm Wegwurf von Me-
lonenſchalen, Ruͤbenabputz und ausgekochten Kno-
chen im Kehricht gefunden hat, und wie ein ar-
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[293/0303] Fortunat. geruht? — Dero Puls, wenn ich bitten darf, — ei! ei! wie haſtig! wie unzuſammenhaͤngend! wie ſtoßend. Koͤnig. Nun, Doktor, was giebts? Doch keine ſchlimme Krankheit unterwegs? Leibarzt. Nichts als eine hartnaͤckige und ſehr verderbliche Obſtruktion, der Stein der Wei- ſen iſt zu unverdaulich, der Herr Reymund iſt die Materia peccans, die abgefuͤhrt werden muͤßte. Reymund. Nein, mein Herr Doktor, die Ignoranz iſt es! Purgirtet Ihr dieſe auf allen Wegen, ſo wuͤrdet Ihr nachher andaͤchtig und uͤberraſcht an Euer Haupt fuͤhlen und ausrufen: Wetter! Da drinne denkt etwas! ſeyd ſtill da draus, ihr Leute, daß ich zuhoͤren kann! Leibarzt. Ein ſolcher Schwaͤrmer, ein drei- mal geſichteter Phantaſt will vom Denken ſpre- chen? Wie duͤrft Ihr, Verkehrter, das heilige Wort nur in den Mund nehmen? Aber Ihr denkt Euch nichts beim Denken; ja, da liegt der Hund begraben! Ihr denkt Ihr denkt, aber es iſt nichts dahinter, aberglaͤubiſch ſeyd Ihr mit Haut und Haar, und mit Ueberſchnappen wird das Lied zu Ende gehn: denkt an mich, Miſerabler! Koͤnig. Still! Still! Ruhig, meine Freunde. Reymund — Reymund. Was? Ich daͤchte mir nichts beim Denken? Und er, Majeſtaͤt, er hat nichts als leere Formeln im Gehirn, uralte, abgeklaubte Phraſen, die er unter anderm Wegwurf von Me- lonenſchalen, Ruͤbenabputz und ausgekochten Kno- chen im Kehricht gefunden hat, und wie ein ar-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/303>, abgerufen am 30.04.2024.