Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweite Abtheilung.
Wer bin ich denn? Ich bin schon längst vernichtet
Und ein Gespenst der Albernheit haust noch
Und spielt in diesen Gliedern, höhern Geistern
Mit Affengrinsen und mit Schalkheitstand
Ein Theil der Ewigkeit hinweg zu scherzen.
Wo find' ich Mich? Renn' ich mit diesem Hirn
An Baum und Fels, von ihnen mir Vernunft,
Die sie belästgen möchte, einzudrücken?
Gethiere ihr des Waldes, wilde Tauben,
Kuckuk und Heher, Staar, Du kleinster Thor,
Lacht munter, scheltet mit den lautsten Tönen!
Ja Du des Meeres stummgeborne Brut,
Mit Schnalzen öffne Deine nassen Kiefern,
Und deute mir das Ohr, das mir nur mangelt,
Um umzuziehn, die langgeöhrten Brüder
Am Markt, in Mühlen, höflich zu befragen,
Wo's edle Herrlein Andalosia blieb. --
Dahin nun beides, hin die Edelsteine,
Hin sie, -- und ich mit diesem Dummkopf fest
Noch eingekeilt in dieser Zeit, mir immer
Mir immer noch bewußt, daß ich es bin,
Die Rarität, die abgeschmackteste,
Merkwürdig gnug für Geld sie sehn zu lassen. --
Narr, schone Dich, Du rasest Dich sogar
Um Deine Narrheit, -- auch zum Aberwitz
Und zur Verzweiflung will die Kraft gebrechen --
Das Auge dunkelt -- nimm Dein Allerletztes,
Den Apfel, den Du Dir erbeutet hast,
Verzehr' ihn, leg' Dich dann in jenen Busch
Zum Schlummer oder auch zum Sterben hin.

(Er geht ab, lautes Geschrei der Turteltauben, des
Kuckuks und andrer Vögel, er kömmt mit zwei
Gemshörnern auf der Stirne zurück.)

Das ist zu viel! das fehlte noch dem Helden,
Zweite Abtheilung.
Wer bin ich denn? Ich bin ſchon laͤngſt vernichtet
Und ein Geſpenſt der Albernheit hauſt noch
Und ſpielt in dieſen Gliedern, hoͤhern Geiſtern
Mit Affengrinſen und mit Schalkheitstand
Ein Theil der Ewigkeit hinweg zu ſcherzen.
Wo find' ich Mich? Renn' ich mit dieſem Hirn
An Baum und Fels, von ihnen mir Vernunft,
Die ſie belaͤſtgen moͤchte, einzudruͤcken?
Gethiere ihr des Waldes, wilde Tauben,
Kuckuk und Heher, Staar, Du kleinſter Thor,
Lacht munter, ſcheltet mit den lautſten Toͤnen!
Ja Du des Meeres ſtummgeborne Brut,
Mit Schnalzen oͤffne Deine naſſen Kiefern,
Und deute mir das Ohr, das mir nur mangelt,
Um umzuziehn, die langgeoͤhrten Bruͤder
Am Markt, in Muͤhlen, hoͤflich zu befragen,
Wo's edle Herrlein Andaloſia blieb. —
Dahin nun beides, hin die Edelſteine,
Hin ſie, — und ich mit dieſem Dummkopf feſt
Noch eingekeilt in dieſer Zeit, mir immer
Mir immer noch bewußt, daß ich es bin,
Die Raritaͤt, die abgeſchmackteſte,
Merkwuͤrdig gnug fuͤr Geld ſie ſehn zu laſſen. —
Narr, ſchone Dich, Du raſeſt Dich ſogar
Um Deine Narrheit, — auch zum Aberwitz
Und zur Verzweiflung will die Kraft gebrechen —
Das Auge dunkelt — nimm Dein Allerletztes,
Den Apfel, den Du Dir erbeutet haſt,
Verzehr' ihn, leg' Dich dann in jenen Buſch
Zum Schlummer oder auch zum Sterben hin.

(Er geht ab, lautes Geſchrei der Turteltauben, des
Kuckuks und andrer Voͤgel, er koͤmmt mit zwei
Gemshoͤrnern auf der Stirne zuruͤck.)

Das iſt zu viel! das fehlte noch dem Helden,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <sp who="#Andalo&#x017F;ia">
                <p><pb facs="#f0364" n="354"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
Wer bin ich denn? Ich bin &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t vernichtet<lb/>
Und ein Ge&#x017F;pen&#x017F;t der Albernheit hau&#x017F;t noch<lb/>
Und &#x017F;pielt in die&#x017F;en Gliedern, ho&#x0364;hern Gei&#x017F;tern<lb/>
Mit Affengrin&#x017F;en und mit Schalkheitstand<lb/>
Ein Theil der Ewigkeit hinweg zu &#x017F;cherzen.<lb/>
Wo find' ich Mich? Renn' ich mit die&#x017F;em Hirn<lb/>
An Baum und Fels, von ihnen mir Vernunft,<lb/>
Die &#x017F;ie bela&#x0364;&#x017F;tgen mo&#x0364;chte, einzudru&#x0364;cken?<lb/>
Gethiere ihr des Waldes, wilde Tauben,<lb/>
Kuckuk und Heher, Staar, Du klein&#x017F;ter Thor,<lb/>
Lacht munter, &#x017F;cheltet mit den laut&#x017F;ten To&#x0364;nen!<lb/>
Ja Du des Meeres &#x017F;tummgeborne Brut,<lb/>
Mit Schnalzen o&#x0364;ffne Deine na&#x017F;&#x017F;en Kiefern,<lb/>
Und deute mir das Ohr, das mir nur mangelt,<lb/>
Um umzuziehn, die langgeo&#x0364;hrten Bru&#x0364;der<lb/>
Am Markt, in Mu&#x0364;hlen, ho&#x0364;flich zu befragen,<lb/>
Wo's edle Herrlein Andalo&#x017F;ia blieb. &#x2014;<lb/>
Dahin nun beides, hin die Edel&#x017F;teine,<lb/>
Hin &#x017F;ie, &#x2014; und ich mit die&#x017F;em Dummkopf fe&#x017F;t<lb/>
Noch eingekeilt in die&#x017F;er Zeit, mir immer<lb/>
Mir immer noch bewußt, daß ich es bin,<lb/>
Die Rarita&#x0364;t, die abge&#x017F;chmackte&#x017F;te,<lb/>
Merkwu&#x0364;rdig gnug fu&#x0364;r Geld &#x017F;ie &#x017F;ehn zu la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;<lb/>
Narr, &#x017F;chone Dich, Du ra&#x017F;e&#x017F;t Dich &#x017F;ogar<lb/>
Um Deine Narrheit, &#x2014; auch zum Aberwitz<lb/>
Und zur Verzweiflung will die Kraft gebrechen &#x2014;<lb/>
Das Auge dunkelt &#x2014; nimm Dein Allerletztes,<lb/>
Den Apfel, den Du Dir erbeutet ha&#x017F;t,<lb/>
Verzehr' ihn, leg' Dich dann in jenen Bu&#x017F;ch<lb/>
Zum Schlummer oder auch zum Sterben hin.</p><lb/>
                <stage> <hi rendition="#et">(Er geht ab, lautes Ge&#x017F;chrei der Turteltauben, des<lb/>
Kuckuks und andrer Vo&#x0364;gel, er ko&#x0364;mmt mit zwei<lb/>
Gemsho&#x0364;rnern auf der Stirne zuru&#x0364;ck.)</hi> </stage><lb/>
                <p>Das i&#x017F;t zu viel! das fehlte noch dem Helden,<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[354/0364] Zweite Abtheilung. Wer bin ich denn? Ich bin ſchon laͤngſt vernichtet Und ein Geſpenſt der Albernheit hauſt noch Und ſpielt in dieſen Gliedern, hoͤhern Geiſtern Mit Affengrinſen und mit Schalkheitstand Ein Theil der Ewigkeit hinweg zu ſcherzen. Wo find' ich Mich? Renn' ich mit dieſem Hirn An Baum und Fels, von ihnen mir Vernunft, Die ſie belaͤſtgen moͤchte, einzudruͤcken? Gethiere ihr des Waldes, wilde Tauben, Kuckuk und Heher, Staar, Du kleinſter Thor, Lacht munter, ſcheltet mit den lautſten Toͤnen! Ja Du des Meeres ſtummgeborne Brut, Mit Schnalzen oͤffne Deine naſſen Kiefern, Und deute mir das Ohr, das mir nur mangelt, Um umzuziehn, die langgeoͤhrten Bruͤder Am Markt, in Muͤhlen, hoͤflich zu befragen, Wo's edle Herrlein Andaloſia blieb. — Dahin nun beides, hin die Edelſteine, Hin ſie, — und ich mit dieſem Dummkopf feſt Noch eingekeilt in dieſer Zeit, mir immer Mir immer noch bewußt, daß ich es bin, Die Raritaͤt, die abgeſchmackteſte, Merkwuͤrdig gnug fuͤr Geld ſie ſehn zu laſſen. — Narr, ſchone Dich, Du raſeſt Dich ſogar Um Deine Narrheit, — auch zum Aberwitz Und zur Verzweiflung will die Kraft gebrechen — Das Auge dunkelt — nimm Dein Allerletztes, Den Apfel, den Du Dir erbeutet haſt, Verzehr' ihn, leg' Dich dann in jenen Buſch Zum Schlummer oder auch zum Sterben hin. (Er geht ab, lautes Geſchrei der Turteltauben, des Kuckuks und andrer Voͤgel, er koͤmmt mit zwei Gemshoͤrnern auf der Stirne zuruͤck.) Das iſt zu viel! das fehlte noch dem Helden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/364
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/364>, abgerufen am 27.04.2024.