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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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rend der Handel seine materielle Vollkommenheit ist. Dem-
nach ist die Arbeiterclasse halb-frei -- nämlich bis zur
Mitte der drei Acte -- und formal willkürlich; im Unter-
schiede von einer supponirbaren Sklavenclasse, welche formal
nur als Werkzeug und als Substrat in dem Process vor-
kommen würde. Hingegen ist die Kapitalistenclasse ganz-
frei und materiell willkürlich. Daher sind denn auch, die
ihr angehören, als ganz freiwillige, freudige und materielle
Constituenten der Gesellschaft anzusehen; die ihr ent-
gegenstehende Menge als halb-unwillige und nur formale
Subjecte. Denn das Interesse und die Theilnahme an jenen
drei Acten und ihrem vollen Zusammenhange ist mit der
vollen Setzung der Gesellschaft, mit der Einwilligung in
ihre Existenz und in die Convention, welche derselben unter-
liegt, gleichbedeutend. -- Ob aber diese dualistische Con-
struction ihres Begriffes die allein mögliche sei, ist eine
Frage, welche uns jetzt nicht als eine nothwendige angeht.
Es ist diejenige Construction, welche sich ergibt aus der
Voraussetzung des Handels, wenn derselbe auf dasjenige
Object eingeschränkt wird, welches allein -- abgesehen von
seinem Charakter als dienstleistende Thätigkeit, demnächst
aber auch in Bezug auf dieselbe -- seinen Zweck und sein
Lebensprincip, den Profit, aller zufälligen Bedingungen
entkleidet und durch seine eigene Essenz als nothwendigen
und regelmässigen Erfolg garantirt: nämlich jene rein fictive,
durch menschlichen Willen gesetzte, unnatürliche Waare:
Arbeitskraft. So finden alle diese Begriffe ihre Lösung
und Scheidung in der Theorie des individuellen mensch-
lichen Willens, worauf daher diese ganze Erörterung hin-
drängt.


rend der Handel seine materielle Vollkommenheit ist. Dem-
nach ist die Arbeiterclasse halb-frei — nämlich bis zur
Mitte der drei Acte — und formal willkürlich; im Unter-
schiede von einer supponirbaren Sklavenclasse, welche formal
nur als Werkzeug und als Substrat in dem Process vor-
kommen würde. Hingegen ist die Kapitalistenclasse ganz-
frei und materiell willkürlich. Daher sind denn auch, die
ihr angehören, als ganz freiwillige, freudige und materielle
Constituenten der Gesellschaft anzusehen; die ihr ent-
gegenstehende Menge als halb-unwillige und nur formale
Subjecte. Denn das Interesse und die Theilnahme an jenen
drei Acten und ihrem vollen Zusammenhange ist mit der
vollen Setzung der Gesellschaft, mit der Einwilligung in
ihre Existenz und in die Convention, welche derselben unter-
liegt, gleichbedeutend. — Ob aber diese dualistische Con-
struction ihres Begriffes die allein mögliche sei, ist eine
Frage, welche uns jetzt nicht als eine nothwendige angeht.
Es ist diejenige Construction, welche sich ergibt aus der
Voraussetzung des Handels, wenn derselbe auf dasjenige
Object eingeschränkt wird, welches allein — abgesehen von
seinem Charakter als dienstleistende Thätigkeit, demnächst
aber auch in Bezug auf dieselbe — seinen Zweck und sein
Lebensprincip, den Profit, aller zufälligen Bedingungen
entkleidet und durch seine eigene Essenz als nothwendigen
und regelmässigen Erfolg garantirt: nämlich jene rein fictive,
durch menschlichen Willen gesetzte, unnatürliche Waare:
Arbeitskraft. So finden alle diese Begriffe ihre Lösung
und Scheidung in der Theorie des individuellen mensch-
lichen Willens, worauf daher diese ganze Erörterung hin-
drängt.


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[95/0131] rend der Handel seine materielle Vollkommenheit ist. Dem- nach ist die Arbeiterclasse halb-frei — nämlich bis zur Mitte der drei Acte — und formal willkürlich; im Unter- schiede von einer supponirbaren Sklavenclasse, welche formal nur als Werkzeug und als Substrat in dem Process vor- kommen würde. Hingegen ist die Kapitalistenclasse ganz- frei und materiell willkürlich. Daher sind denn auch, die ihr angehören, als ganz freiwillige, freudige und materielle Constituenten der Gesellschaft anzusehen; die ihr ent- gegenstehende Menge als halb-unwillige und nur formale Subjecte. Denn das Interesse und die Theilnahme an jenen drei Acten und ihrem vollen Zusammenhange ist mit der vollen Setzung der Gesellschaft, mit der Einwilligung in ihre Existenz und in die Convention, welche derselben unter- liegt, gleichbedeutend. — Ob aber diese dualistische Con- struction ihres Begriffes die allein mögliche sei, ist eine Frage, welche uns jetzt nicht als eine nothwendige angeht. Es ist diejenige Construction, welche sich ergibt aus der Voraussetzung des Handels, wenn derselbe auf dasjenige Object eingeschränkt wird, welches allein — abgesehen von seinem Charakter als dienstleistende Thätigkeit, demnächst aber auch in Bezug auf dieselbe — seinen Zweck und sein Lebensprincip, den Profit, aller zufälligen Bedingungen entkleidet und durch seine eigene Essenz als nothwendigen und regelmässigen Erfolg garantirt: nämlich jene rein fictive, durch menschlichen Willen gesetzte, unnatürliche Waare: Arbeitskraft. So finden alle diese Begriffe ihre Lösung und Scheidung in der Theorie des individuellen mensch- lichen Willens, worauf daher diese ganze Erörterung hin- drängt.

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/131>, abgerufen am 29.04.2024.