Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

Was er überdies etwa zu fordern hat für producirte Waaren,
ist beschränkt durch einen herkömmlichen Preismaasstab,
von welchem nur sehr selten abgewichen wird. Es ist die
Zuweisung eines bestimmten Looses im angebauten Gebiete
an einzelne Gewerke, welche die Vermuthung gestattet, dass
die ursprünglichen teutonischen Gruppen in ähnlicher Weise
selbst-genüglich waren." (Sir H. S. Maine, Village Com-
munities in the East and West p. 125 f.)
Und dies wird
bestätigt in Beschreibung der deutschen Mark: "Für die
Zwecke der Gemeinde als solcher wurde, nach heutiger Vor-
stellung, die Allmende auch insoweit verwandt, als aus ihr
die Vorstände, Beamten und Diener der Gemeinde Lohn
und Entschädigung erhielten. Mitunter wurden für sie
förmliche Amtslehen zum Sonderbesitz aus der Mark ge-
schieden. Fast überall aber gewährte man ihnen in Wald
und Weide besondere Nutzungen, die den Charakter von
Besoldungen trugen. Hierher gehörten, bis sie mit der
Verwandlung des Amtes in Herrenrecht ihr Wesen änderten,
die Nutzungsvorrechte der Obermärker, Holzgrafen, Holz-
richter u. s. w. Ebenso die amtlichen Nutzungen oder Vor-
rechte der Dorf- und Bauerrichter. Besonders aber sind
es die mancherlei auf Einräumung der Gesammtheit be-
ruhenden Genussrechte der Schöffen, Geschworenen, Förster,
Mahlleute, Baumwarte, Weibel, Hirten und sonstigen Gemeinde-
beamten, welche oft ausdrücklich als Ausfluss ihres Amtes,
als Entschädigung für ihre Mühe bezeichnet und behandelt
werden. Auch die Nutzungsrechte der Geistlichen und
Schullehrer werden oft ähnlich aufgefasst. Und endlich
hatten meist auch die Allmendenutzungen der von der Ge-
meinde oder dem Grundherren zum Gewerbebetriebe in der
Mark verstatteten Handwerker einen verwandten Charakter.
Denn die Handwerker galten als Angestellte der Gemeinde,
und waren als solche nicht nur befugt, sondern verpflichtet,
für sie und ihre Mitglieder ausschliesslich oder zunächst
zu arbeiten, oder auch wohl ein bestimmtes Maass von Ar-
beiten, sei es als Abgaben, sei es gegen feste Preise zu
liefern: die am Gemeingut ihnen eingeräumten Nutzungen
aber, welche den Handwerksbetrieb erst ermöglichten und
zugleich als Entgelt dafür angesehen wurden, stellten sich

Was er überdies etwa zu fordern hat für producirte Waaren,
ist beschränkt durch einen herkömmlichen Preismaasstab,
von welchem nur sehr selten abgewichen wird. Es ist die
Zuweisung eines bestimmten Looses im angebauten Gebiete
an einzelne Gewerke, welche die Vermuthung gestattet, dass
die ursprünglichen teutonischen Gruppen in ähnlicher Weise
selbst-genüglich waren.« (Sir H. S. Maine, Village Com-
munities in the East and West p. 125 f.)
Und dies wird
bestätigt in Beschreibung der deutschen Mark: »Für die
Zwecke der Gemeinde als solcher wurde, nach heutiger Vor-
stellung, die Allmende auch insoweit verwandt, als aus ihr
die Vorstände, Beamten und Diener der Gemeinde Lohn
und Entschädigung erhielten. Mitunter wurden für sie
förmliche Amtslehen zum Sonderbesitz aus der Mark ge-
schieden. Fast überall aber gewährte man ihnen in Wald
und Weide besondere Nutzungen, die den Charakter von
Besoldungen trugen. Hierher gehörten, bis sie mit der
Verwandlung des Amtes in Herrenrecht ihr Wesen änderten,
die Nutzungsvorrechte der Obermärker, Holzgrafen, Holz-
richter u. s. w. Ebenso die amtlichen Nutzungen oder Vor-
rechte der Dorf- und Bauerrichter. Besonders aber sind
es die mancherlei auf Einräumung der Gesammtheit be-
ruhenden Genussrechte der Schöffen, Geschworenen, Förster,
Mahlleute, Baumwarte, Weibel, Hirten und sonstigen Gemeinde-
beamten, welche oft ausdrücklich als Ausfluss ihres Amtes,
als Entschädigung für ihre Mühe bezeichnet und behandelt
werden. Auch die Nutzungsrechte der Geistlichen und
Schullehrer werden oft ähnlich aufgefasst. Und endlich
hatten meist auch die Allmendenutzungen der von der Ge-
meinde oder dem Grundherren zum Gewerbebetriebe in der
Mark verstatteten Handwerker einen verwandten Charakter.
Denn die Handwerker galten als Angestellte der Gemeinde,
und waren als solche nicht nur befugt, sondern verpflichtet,
für sie und ihre Mitglieder ausschliesslich oder zunächst
zu arbeiten, oder auch wohl ein bestimmtes Maass von Ar-
beiten, sei es als Abgaben, sei es gegen feste Preise zu
liefern: die am Gemeingut ihnen eingeräumten Nutzungen
aber, welche den Handwerksbetrieb erst ermöglichten und
zugleich als Entgelt dafür angesehen wurden, stellten sich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0077" n="41"/>
Was er überdies etwa zu fordern hat für producirte Waaren,<lb/>
ist beschränkt durch einen <hi rendition="#g">herkömmlichen</hi> Preismaasstab,<lb/>
von welchem nur sehr selten abgewichen wird. Es ist die<lb/>
Zuweisung eines bestimmten Looses im angebauten Gebiete<lb/>
an einzelne Gewerke, welche die Vermuthung gestattet, dass<lb/>
die ursprünglichen teutonischen Gruppen in ähnlicher Weise<lb/>
selbst-genüglich waren.« (<hi rendition="#k">Sir</hi> H. S. <hi rendition="#k">Maine</hi>, <hi rendition="#i">Village Com-<lb/>
munities in the East and West p. 125 f.)</hi> Und dies wird<lb/>
bestätigt in Beschreibung der deutschen Mark: »Für die<lb/>
Zwecke der Gemeinde als solcher wurde, nach heutiger Vor-<lb/>
stellung, die Allmende auch insoweit verwandt, als aus ihr<lb/>
die Vorstände, Beamten und Diener der Gemeinde Lohn<lb/>
und Entschädigung erhielten. Mitunter wurden für sie<lb/>
förmliche Amtslehen zum Sonderbesitz aus der Mark ge-<lb/>
schieden. Fast überall aber gewährte man ihnen in Wald<lb/>
und Weide besondere Nutzungen, die den Charakter von<lb/>
Besoldungen trugen. Hierher gehörten, bis sie mit der<lb/>
Verwandlung des Amtes in Herrenrecht ihr Wesen änderten,<lb/>
die Nutzungsvorrechte der Obermärker, Holzgrafen, Holz-<lb/>
richter u. s. w. Ebenso die amtlichen Nutzungen oder Vor-<lb/>
rechte der Dorf- und Bauerrichter. Besonders aber sind<lb/>
es die mancherlei auf Einräumung der Gesammtheit be-<lb/>
ruhenden Genussrechte der Schöffen, Geschworenen, Förster,<lb/>
Mahlleute, Baumwarte, Weibel, Hirten und sonstigen Gemeinde-<lb/>
beamten, welche oft ausdrücklich als Ausfluss ihres Amtes,<lb/>
als Entschädigung für ihre Mühe bezeichnet und behandelt<lb/>
werden. Auch die Nutzungsrechte der Geistlichen und<lb/>
Schullehrer werden oft ähnlich aufgefasst. Und endlich<lb/>
hatten meist auch die Allmendenutzungen der von der Ge-<lb/>
meinde oder dem Grundherren zum Gewerbebetriebe in der<lb/>
Mark verstatteten Handwerker einen verwandten Charakter.<lb/>
Denn die Handwerker galten als Angestellte der Gemeinde,<lb/>
und waren als solche nicht nur befugt, sondern verpflichtet,<lb/>
für sie und ihre Mitglieder ausschliesslich oder zunächst<lb/>
zu arbeiten, oder auch wohl ein bestimmtes Maass von Ar-<lb/>
beiten, sei es als Abgaben, sei es gegen feste Preise zu<lb/>
liefern: die am Gemeingut ihnen eingeräumten Nutzungen<lb/>
aber, welche den Handwerksbetrieb erst ermöglichten und<lb/>
zugleich als Entgelt dafür angesehen wurden, stellten sich<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0077] Was er überdies etwa zu fordern hat für producirte Waaren, ist beschränkt durch einen herkömmlichen Preismaasstab, von welchem nur sehr selten abgewichen wird. Es ist die Zuweisung eines bestimmten Looses im angebauten Gebiete an einzelne Gewerke, welche die Vermuthung gestattet, dass die ursprünglichen teutonischen Gruppen in ähnlicher Weise selbst-genüglich waren.« (Sir H. S. Maine, Village Com- munities in the East and West p. 125 f.) Und dies wird bestätigt in Beschreibung der deutschen Mark: »Für die Zwecke der Gemeinde als solcher wurde, nach heutiger Vor- stellung, die Allmende auch insoweit verwandt, als aus ihr die Vorstände, Beamten und Diener der Gemeinde Lohn und Entschädigung erhielten. Mitunter wurden für sie förmliche Amtslehen zum Sonderbesitz aus der Mark ge- schieden. Fast überall aber gewährte man ihnen in Wald und Weide besondere Nutzungen, die den Charakter von Besoldungen trugen. Hierher gehörten, bis sie mit der Verwandlung des Amtes in Herrenrecht ihr Wesen änderten, die Nutzungsvorrechte der Obermärker, Holzgrafen, Holz- richter u. s. w. Ebenso die amtlichen Nutzungen oder Vor- rechte der Dorf- und Bauerrichter. Besonders aber sind es die mancherlei auf Einräumung der Gesammtheit be- ruhenden Genussrechte der Schöffen, Geschworenen, Förster, Mahlleute, Baumwarte, Weibel, Hirten und sonstigen Gemeinde- beamten, welche oft ausdrücklich als Ausfluss ihres Amtes, als Entschädigung für ihre Mühe bezeichnet und behandelt werden. Auch die Nutzungsrechte der Geistlichen und Schullehrer werden oft ähnlich aufgefasst. Und endlich hatten meist auch die Allmendenutzungen der von der Ge- meinde oder dem Grundherren zum Gewerbebetriebe in der Mark verstatteten Handwerker einen verwandten Charakter. Denn die Handwerker galten als Angestellte der Gemeinde, und waren als solche nicht nur befugt, sondern verpflichtet, für sie und ihre Mitglieder ausschliesslich oder zunächst zu arbeiten, oder auch wohl ein bestimmtes Maass von Ar- beiten, sei es als Abgaben, sei es gegen feste Preise zu liefern: die am Gemeingut ihnen eingeräumten Nutzungen aber, welche den Handwerksbetrieb erst ermöglichten und zugleich als Entgelt dafür angesehen wurden, stellten sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/77
Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/77>, abgerufen am 26.04.2024.