so fester stand er in der Gunst seines Ministers; er war die Seele jener Altenstein'schen Kirchenpolitik, welche die römische Kirche nach streng katho- lischen Grundsätzen von Staatswegen zu gängeln suchte. Mit dem Erz- bischof Spiegel, der ihm zu weltlich schien, vertrug er sich wenig, und in Bunsen haßte er begreiflicherweise den unberufenen Nebenbuhler.
Durch wiederholte Reisen suchte er sich über das Leben der katholischen Kirche Deutschlands zu unterrichten. Sie führten ihn nach Bamberg, wo er den milden Erzbischof Frauenburg als einen Freund Preußens und Be- wahrer des confessionellen Friedens hochschätzen lernte*), aber auch in seine Heimath, nach Münster. Hier fühlte er sich ganz bezaubert durch den Verkehr mit dem vormaligen Generalvicar Clemens August Droste-Vische- ring, dem blindesten aller ultramontanen Eiferer, dem einzigen der preu- ßischen Prälaten, der bisher offene Auflehnung gegen die Staatsgewalt gewagt hatte.**) Schon vor Jahren, während des Kampfes zwischen Droste und der Regierung, war Schmedding der Meinung gewesen, daß die Be- hörden zu weit gegangen seien.***) Als er nun den frommen Priester unter den barmherzigen Schwestern beten sah, als er sich mit ihm "über das große Thema unserer Zeit, die Wechselwirkung von Staat und Kirche" unterredete und immer nur salbungsvolle Antworten erhielt, da glaubte er, dem Entlassenen sei schweres Unrecht widerfahren und er freute sich ihm mindestens die Stelle eines Weihbischofs wieder verschaffen zu können. Nach der Erledigung des Gnesener erzbischöflichen Stuhles, im Jahre 1826, schlug er Droste unbedenklich als Nachfolger vor, und der Antrag ward nur deshalb nicht angenommen, weil Altenstein auf diese Stelle einen Polen berufen wollte.+)
Kaum kam die Kunde von der tödlichen Erkrankung des Kölner Erz- bischofs, so entwarf Schmedding schon am 25. Juli 1835, noch bevor Graf Spiegel die Augen geschlossen hatte, mit unanständiger Eile eine Denkschrift, welche den Münsterschen Weihbischof als den einzig möglichen Nachfolger empfahl: die preußischen Bischöfe seien allesammt entweder ungeneigt oder ungeeignet. Von den anderen deutschen Prälaten war gar keine Rede; dagegen wurden Droste's gottseliger Sinn, sein reiner Wandel, seine Bil- dung an Geist und Herz, seine reiche seelsorgerische Erfahrung kräftig ge- priesen und namentlich hervorgehoben, wie er in den letzten Jahren "als ein Engel des Friedens" nur für thätiges Christenthum, "also zum Besten des Staates" gewirkt habe.++) So sollte denn in einem Augenblicke schwie- riger Verwicklungen auf die erste geistliche Stelle der Monarchie gerade der
*) Schmedding an Altenstein, Bamberg 29. Sept. 1828.
**) S. o. III. 216.
***) Schmedding an Altenstein, 5. Mai 1818.
+) Schmedding an Altenstein, 2. Oct. 1826.
++) Schmedding, geheimes Promemoria, die Krankheit des Erzbischofs von Köln betr., 25. Juli 1835.
Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 44
Spiegel’s Tod. Droſte’s Ernennung.
ſo feſter ſtand er in der Gunſt ſeines Miniſters; er war die Seele jener Altenſtein’ſchen Kirchenpolitik, welche die römiſche Kirche nach ſtreng katho- liſchen Grundſätzen von Staatswegen zu gängeln ſuchte. Mit dem Erz- biſchof Spiegel, der ihm zu weltlich ſchien, vertrug er ſich wenig, und in Bunſen haßte er begreiflicherweiſe den unberufenen Nebenbuhler.
Durch wiederholte Reiſen ſuchte er ſich über das Leben der katholiſchen Kirche Deutſchlands zu unterrichten. Sie führten ihn nach Bamberg, wo er den milden Erzbiſchof Frauenburg als einen Freund Preußens und Be- wahrer des confeſſionellen Friedens hochſchätzen lernte*), aber auch in ſeine Heimath, nach Münſter. Hier fühlte er ſich ganz bezaubert durch den Verkehr mit dem vormaligen Generalvicar Clemens Auguſt Droſte-Viſche- ring, dem blindeſten aller ultramontanen Eiferer, dem einzigen der preu- ßiſchen Prälaten, der bisher offene Auflehnung gegen die Staatsgewalt gewagt hatte.**) Schon vor Jahren, während des Kampfes zwiſchen Droſte und der Regierung, war Schmedding der Meinung geweſen, daß die Be- hörden zu weit gegangen ſeien.***) Als er nun den frommen Prieſter unter den barmherzigen Schweſtern beten ſah, als er ſich mit ihm „über das große Thema unſerer Zeit, die Wechſelwirkung von Staat und Kirche“ unterredete und immer nur ſalbungsvolle Antworten erhielt, da glaubte er, dem Entlaſſenen ſei ſchweres Unrecht widerfahren und er freute ſich ihm mindeſtens die Stelle eines Weihbiſchofs wieder verſchaffen zu können. Nach der Erledigung des Gneſener erzbiſchöflichen Stuhles, im Jahre 1826, ſchlug er Droſte unbedenklich als Nachfolger vor, und der Antrag ward nur deshalb nicht angenommen, weil Altenſtein auf dieſe Stelle einen Polen berufen wollte.†)
Kaum kam die Kunde von der tödlichen Erkrankung des Kölner Erz- biſchofs, ſo entwarf Schmedding ſchon am 25. Juli 1835, noch bevor Graf Spiegel die Augen geſchloſſen hatte, mit unanſtändiger Eile eine Denkſchrift, welche den Münſterſchen Weihbiſchof als den einzig möglichen Nachfolger empfahl: die preußiſchen Biſchöfe ſeien alleſammt entweder ungeneigt oder ungeeignet. Von den anderen deutſchen Prälaten war gar keine Rede; dagegen wurden Droſte’s gottſeliger Sinn, ſein reiner Wandel, ſeine Bil- dung an Geiſt und Herz, ſeine reiche ſeelſorgeriſche Erfahrung kräftig ge- prieſen und namentlich hervorgehoben, wie er in den letzten Jahren „als ein Engel des Friedens“ nur für thätiges Chriſtenthum, „alſo zum Beſten des Staates“ gewirkt habe.††) So ſollte denn in einem Augenblicke ſchwie- riger Verwicklungen auf die erſte geiſtliche Stelle der Monarchie gerade der
*) Schmedding an Altenſtein, Bamberg 29. Sept. 1828.
**) S. o. III. 216.
***) Schmedding an Altenſtein, 5. Mai 1818.
†) Schmedding an Altenſtein, 2. Oct. 1826.
††) Schmedding, geheimes Promemoria, die Krankheit des Erzbiſchofs von Köln betr., 25. Juli 1835.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. IV. 44
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Altenſtein’ſchen Kirchenpolitik, welche die römiſche Kirche nach ſtreng katho-
liſchen Grundſätzen von Staatswegen zu gängeln ſuchte. Mit dem Erz-
biſchof Spiegel, der ihm zu weltlich ſchien, vertrug er ſich wenig, und in
Bunſen haßte er begreiflicherweiſe den unberufenen Nebenbuhler.
Durch wiederholte Reiſen ſuchte er ſich über das Leben der katholiſchen
Kirche Deutſchlands zu unterrichten. Sie führten ihn nach Bamberg, wo
er den milden Erzbiſchof Frauenburg als einen Freund Preußens und Be-
wahrer des confeſſionellen Friedens hochſchätzen lernte *), aber auch in ſeine
Heimath, nach Münſter. Hier fühlte er ſich ganz bezaubert durch den
Verkehr mit dem vormaligen Generalvicar Clemens Auguſt Droſte-Viſche-
ring, dem blindeſten aller ultramontanen Eiferer, dem einzigen der preu-
ßiſchen Prälaten, der bisher offene Auflehnung gegen die Staatsgewalt
gewagt hatte. **) Schon vor Jahren, während des Kampfes zwiſchen Droſte
und der Regierung, war Schmedding der Meinung geweſen, daß die Be-
hörden zu weit gegangen ſeien. ***) Als er nun den frommen Prieſter
unter den barmherzigen Schweſtern beten ſah, als er ſich mit ihm „über
das große Thema unſerer Zeit, die Wechſelwirkung von Staat und Kirche“
unterredete und immer nur ſalbungsvolle Antworten erhielt, da glaubte
er, dem Entlaſſenen ſei ſchweres Unrecht widerfahren und er freute ſich
ihm mindeſtens die Stelle eines Weihbiſchofs wieder verſchaffen zu können.
Nach der Erledigung des Gneſener erzbiſchöflichen Stuhles, im Jahre
1826, ſchlug er Droſte unbedenklich als Nachfolger vor, und der Antrag
ward nur deshalb nicht angenommen, weil Altenſtein auf dieſe Stelle einen
Polen berufen wollte. †)
Kaum kam die Kunde von der tödlichen Erkrankung des Kölner Erz-
biſchofs, ſo entwarf Schmedding ſchon am 25. Juli 1835, noch bevor Graf
Spiegel die Augen geſchloſſen hatte, mit unanſtändiger Eile eine Denkſchrift,
welche den Münſterſchen Weihbiſchof als den einzig möglichen Nachfolger
empfahl: die preußiſchen Biſchöfe ſeien alleſammt entweder ungeneigt oder
ungeeignet. Von den anderen deutſchen Prälaten war gar keine Rede;
dagegen wurden Droſte’s gottſeliger Sinn, ſein reiner Wandel, ſeine Bil-
dung an Geiſt und Herz, ſeine reiche ſeelſorgeriſche Erfahrung kräftig ge-
prieſen und namentlich hervorgehoben, wie er in den letzten Jahren „als
ein Engel des Friedens“ nur für thätiges Chriſtenthum, „alſo zum Beſten
des Staates“ gewirkt habe. ††) So ſollte denn in einem Augenblicke ſchwie-
riger Verwicklungen auf die erſte geiſtliche Stelle der Monarchie gerade der
*) Schmedding an Altenſtein, Bamberg 29. Sept. 1828.
**) S. o. III. 216.
***) Schmedding an Altenſtein, 5. Mai 1818.
†) Schmedding an Altenſtein, 2. Oct. 1826.
††) Schmedding, geheimes Promemoria, die Krankheit des Erzbiſchofs von Köln
betr., 25. Juli 1835.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. IV. 44
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 689. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/703>, abgerufen am 01.11.2024.
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