die herausfordernde Sprache der Curie eingeschüchtert. Am 17. Dec. schrieb er in Ancona eine Note an Lambruschini, welche die harmlosen Thorheiten seines Vertreters Buch noch weit überbot. Er stellte sich an, als ob er die Allocution, die jetzt in jedem Cafehause auflag, noch nicht genau kenne, und sprach die Hoffnung aus, daß sie wohl nicht das end- giltige Urtheil des Papstes enthalten, weitere Verhandlungen nicht ab- schneiden solle. Dann versicherte er -- seinen Weisungen schnurstracks zuwider -- der König habe den Erzbischof nur auf Zeit (temporairement) aus Köln entfernt und wolle sich als klagender Theil (partie plaignante) dem kanonischen Urtheil des Papstes unterwerfen. Welch eine Schmach für Preußen, wenn die Curie auf diese Anerbietungen einging! Zum Glück war Lambruschini zu hochmüthig; vielleicht schenkte er auch der un- erwarteten Demuth des vordem so zuversichtlichen Gesandten keinen Glauben. Genug, er erwiderte schroff: zuerst müsse Droste wieder eingesetzt werden, dann erst könne von neuen Verhandlungen die Rede sein.
In Rom ward dem Gesandten sogleich mitgetheilt, daß der Papst ihn nicht empfangen wolle -- eine Nachricht, die nur ihn selber überraschte. Zuerst fühlte er sich ganz niedergeschmettert, dann raffte er sich in leicht- fertiger Hoffnungsseligkeit wieder auf, versuchte nochmals mit Lambruschini anzuknüpfen und ertheilte der preußischen Regierung unerbetene Rathschläge für ihre Kirchenpolitik. Aber seine Rolle in Rom war ausgespielt; von allen den Nadelstichen, welche einen mißliebigen Diplomaten peinigen, blieb ihm keiner erspart. Der Papst und die Cardinäle zeigten sich ganz un- versöhnlich; selbst Capaccini fiel in Ungnade, weil er in den Kölner Händeln zu vermitteln gesucht hatte.*) Den Ministern in Berlin gingen nun endlich die Augen auf; sie wußten, daß Metternich mit unverhohlener Schadenfreude von der Demüthigung des gelehrten preußischen Diploma- ten sprach. Bunsen erhielt zuerst den Auftrag, sich jeder weiteren Erklä- rung zu enthalten, sodann scharfe Verweise wegen der Uebertretung seiner Instructionen**), schließlich den gemessenen Befehl, die Anerbietungen seiner Anconer Note förmlich zurückzunehmen (retracter). Auch dieses Auftrags entledigte er sich nicht mit der Würde eines Mannes, der einen began- genen schweren Fehler freimüthig eingesteht; er sagte dem Cardinal-Staats- sekretär nur in gewundenen Sätzen, die früheren Vorschläge seien durch die Erwiderungen des römischen Stuhls jetzt hinfällig geworden.***) So blieb sein Verhalten unaufrichtig vom Anfang bis zum Ende. Im April 1838 ward er abberufen. Die wenigen Prälaten, die noch der geistreichen Geselligkeit im Palazzo Caffarelli dankbar gedachten, durften nicht wagen, den Scheidenden zu besuchen+); sie fürchteten die Ungnade des Papstes.
*) Bunsen's Bericht, 10. Jan. 1838.
**) Werther an Bunsen, 19. Jan., 23. März, 31. Mai 1838.
***) Bunsen an Lambruschini, 24. April 1838.
+) M. Mariano an Bunsen, 22. April 1838.
Die Note von Ancona. Abberufung Bunſen’s.
die herausfordernde Sprache der Curie eingeſchüchtert. Am 17. Dec. ſchrieb er in Ancona eine Note an Lambruschini, welche die harmloſen Thorheiten ſeines Vertreters Buch noch weit überbot. Er ſtellte ſich an, als ob er die Allocution, die jetzt in jedem Cafehauſe auflag, noch nicht genau kenne, und ſprach die Hoffnung aus, daß ſie wohl nicht das end- giltige Urtheil des Papſtes enthalten, weitere Verhandlungen nicht ab- ſchneiden ſolle. Dann verſicherte er — ſeinen Weiſungen ſchnurſtracks zuwider — der König habe den Erzbiſchof nur auf Zeit (temporairement) aus Köln entfernt und wolle ſich als klagender Theil (partie plaignante) dem kanoniſchen Urtheil des Papſtes unterwerfen. Welch eine Schmach für Preußen, wenn die Curie auf dieſe Anerbietungen einging! Zum Glück war Lambruschini zu hochmüthig; vielleicht ſchenkte er auch der un- erwarteten Demuth des vordem ſo zuverſichtlichen Geſandten keinen Glauben. Genug, er erwiderte ſchroff: zuerſt müſſe Droſte wieder eingeſetzt werden, dann erſt könne von neuen Verhandlungen die Rede ſein.
In Rom ward dem Geſandten ſogleich mitgetheilt, daß der Papſt ihn nicht empfangen wolle — eine Nachricht, die nur ihn ſelber überraſchte. Zuerſt fühlte er ſich ganz niedergeſchmettert, dann raffte er ſich in leicht- fertiger Hoffnungsſeligkeit wieder auf, verſuchte nochmals mit Lambruschini anzuknüpfen und ertheilte der preußiſchen Regierung unerbetene Rathſchläge für ihre Kirchenpolitik. Aber ſeine Rolle in Rom war ausgeſpielt; von allen den Nadelſtichen, welche einen mißliebigen Diplomaten peinigen, blieb ihm keiner erſpart. Der Papſt und die Cardinäle zeigten ſich ganz un- verſöhnlich; ſelbſt Capaccini fiel in Ungnade, weil er in den Kölner Händeln zu vermitteln geſucht hatte.*) Den Miniſtern in Berlin gingen nun endlich die Augen auf; ſie wußten, daß Metternich mit unverhohlener Schadenfreude von der Demüthigung des gelehrten preußiſchen Diploma- ten ſprach. Bunſen erhielt zuerſt den Auftrag, ſich jeder weiteren Erklä- rung zu enthalten, ſodann ſcharfe Verweiſe wegen der Uebertretung ſeiner Inſtructionen**), ſchließlich den gemeſſenen Befehl, die Anerbietungen ſeiner Anconer Note förmlich zurückzunehmen (rétracter). Auch dieſes Auftrags entledigte er ſich nicht mit der Würde eines Mannes, der einen began- genen ſchweren Fehler freimüthig eingeſteht; er ſagte dem Cardinal-Staats- ſekretär nur in gewundenen Sätzen, die früheren Vorſchläge ſeien durch die Erwiderungen des römiſchen Stuhls jetzt hinfällig geworden.***) So blieb ſein Verhalten unaufrichtig vom Anfang bis zum Ende. Im April 1838 ward er abberufen. Die wenigen Prälaten, die noch der geiſtreichen Geſelligkeit im Palazzo Caffarelli dankbar gedachten, durften nicht wagen, den Scheidenden zu beſuchen†); ſie fürchteten die Ungnade des Papſtes.
*) Bunſen’s Bericht, 10. Jan. 1838.
**) Werther an Bunſen, 19. Jan., 23. März, 31. Mai 1838.
***) Bunſen an Lambruschini, 24. April 1838.
†) M. Mariano an Bunſen, 22. April 1838.
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ſchrieb er in Ancona eine Note an Lambruschini, welche die harmloſen
Thorheiten ſeines Vertreters Buch noch weit überbot. Er ſtellte ſich an,
als ob er die Allocution, die jetzt in jedem Cafehauſe auflag, noch nicht
genau kenne, und ſprach die Hoffnung aus, daß ſie wohl nicht das end-
giltige Urtheil des Papſtes enthalten, weitere Verhandlungen nicht ab-
ſchneiden ſolle. Dann verſicherte er — ſeinen Weiſungen ſchnurſtracks
zuwider — der König habe den Erzbiſchof nur auf Zeit (temporairement)
aus Köln entfernt und wolle ſich als klagender Theil (partie plaignante)
dem kanoniſchen Urtheil des Papſtes unterwerfen. Welch eine Schmach
für Preußen, wenn die Curie auf dieſe Anerbietungen einging! Zum
Glück war Lambruschini zu hochmüthig; vielleicht ſchenkte er auch der un-
erwarteten Demuth des vordem ſo zuverſichtlichen Geſandten keinen Glauben.
Genug, er erwiderte ſchroff: zuerſt müſſe Droſte wieder eingeſetzt werden,
dann erſt könne von neuen Verhandlungen die Rede ſein.
In Rom ward dem Geſandten ſogleich mitgetheilt, daß der Papſt ihn
nicht empfangen wolle — eine Nachricht, die nur ihn ſelber überraſchte.
Zuerſt fühlte er ſich ganz niedergeſchmettert, dann raffte er ſich in leicht-
fertiger Hoffnungsſeligkeit wieder auf, verſuchte nochmals mit Lambruschini
anzuknüpfen und ertheilte der preußiſchen Regierung unerbetene Rathſchläge
für ihre Kirchenpolitik. Aber ſeine Rolle in Rom war ausgeſpielt; von
allen den Nadelſtichen, welche einen mißliebigen Diplomaten peinigen, blieb
ihm keiner erſpart. Der Papſt und die Cardinäle zeigten ſich ganz un-
verſöhnlich; ſelbſt Capaccini fiel in Ungnade, weil er in den Kölner Händeln
zu vermitteln geſucht hatte. *) Den Miniſtern in Berlin gingen nun
endlich die Augen auf; ſie wußten, daß Metternich mit unverhohlener
Schadenfreude von der Demüthigung des gelehrten preußiſchen Diploma-
ten ſprach. Bunſen erhielt zuerſt den Auftrag, ſich jeder weiteren Erklä-
rung zu enthalten, ſodann ſcharfe Verweiſe wegen der Uebertretung ſeiner
Inſtructionen **), ſchließlich den gemeſſenen Befehl, die Anerbietungen ſeiner
Anconer Note förmlich zurückzunehmen (rétracter). Auch dieſes Auftrags
entledigte er ſich nicht mit der Würde eines Mannes, der einen began-
genen ſchweren Fehler freimüthig eingeſteht; er ſagte dem Cardinal-Staats-
ſekretär nur in gewundenen Sätzen, die früheren Vorſchläge ſeien durch
die Erwiderungen des römiſchen Stuhls jetzt hinfällig geworden. ***) So
blieb ſein Verhalten unaufrichtig vom Anfang bis zum Ende. Im April
1838 ward er abberufen. Die wenigen Prälaten, die noch der geiſtreichen
Geſelligkeit im Palazzo Caffarelli dankbar gedachten, durften nicht wagen,
den Scheidenden zu beſuchen †); ſie fürchteten die Ungnade des Papſtes.
*) Bunſen’s Bericht, 10. Jan. 1838.
**) Werther an Bunſen, 19. Jan., 23. März, 31. Mai 1838.
***) Bunſen an Lambruschini, 24. April 1838.
†) M. Mariano an Bunſen, 22. April 1838.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 703. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/717>, abgerufen am 14.06.2024.
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