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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805.

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bildet ist, wie noch in neuern Zeiten Inseln
aus dem Boden des Oceans hervorgestiegen sind.
Wenn also zu dem grössten der geologischen
Phänomene aus den Zeiten der Urwelt noch heut
zu Tage analoge Erscheinungen vorhanden sind,
so dürfen wir um so mehr bey Erklärung ande-
rer geologischer Thatsachen die Analogie zu Hül-
fe nehmen. Nun lehrt die neuere Geschichte,
dass, indem neue Inseln entstanden, alte vom
Wasser verschlungen wurden. Es erhellet fer-
ner aus der Bildung mehrerer Küsten, dass sie
ehedem mit festem Lande in Verbindung gestan-
den haben müssen, welches jetzt nicht mehr
vorhanden ist. Die Analogie führt uns also auf
den Satz, dass bey der Entstehung des jetzigen
festen Landes ehemalige Continente verschwun-
den sind, und dass überhaupt seit der Bil-
dung der Erde gleichzeitige Contraktionen und
Expansionen in derselben statt gefunden haben.

Hieraus folget weiter, dass wir keinesweges
berechtigt sind, alle Ueberbleibsel des Pflanzen-
und Thierreichs der Vorwelt für Erzeugnisse des
Bodens zu halten, in welchem wir sie heut zu
Tage antreffen, sondern dass manche derselben,
die in Siberien und Canada begraben liegen,
aus der südlichen Erdhälfte dahin geführt seyn
können. Denn wenn es gewiss ist, dass einst
ganze Länder versanken, indem andere aus dem

Mee-
N 2

bildet ist, wie noch in neuern Zeiten Inseln
aus dem Boden des Oceans hervorgestiegen sind.
Wenn also zu dem gröſsten der geologischen
Phänomene aus den Zeiten der Urwelt noch heut
zu Tage analoge Erscheinungen vorhanden sind,
so dürfen wir um so mehr bey Erklärung ande-
rer geologischer Thatsachen die Analogie zu Hül-
fe nehmen. Nun lehrt die neuere Geschichte,
daſs, indem neue Inseln entstanden, alte vom
Wasser verschlungen wurden. Es erhellet fer-
ner aus der Bildung mehrerer Küsten, daſs sie
ehedem mit festem Lande in Verbindung gestan-
den haben müssen, welches jetzt nicht mehr
vorhanden ist. Die Analogie führt uns also auf
den Satz, daſs bey der Entstehung des jetzigen
festen Landes ehemalige Continente verschwun-
den sind, und daſs überhaupt seit der Bil-
dung der Erde gleichzeitige Contraktionen und
Expansionen in derselben statt gefunden haben.

Hieraus folget weiter, daſs wir keinesweges
berechtigt sind, alle Ueberbleibsel des Pflanzen-
und Thierreichs der Vorwelt für Erzeugnisse des
Bodens zu halten, in welchem wir sie heut zu
Tage antreffen, sondern daſs manche derselben,
die in Siberien und Canada begraben liegen,
aus der südlichen Erdhälfte dahin geführt seyn
können. Denn wenn es gewiſs ist, daſs einst
ganze Länder versanken, indem andere aus dem

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N 2
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[195/0205] bildet ist, wie noch in neuern Zeiten Inseln aus dem Boden des Oceans hervorgestiegen sind. Wenn also zu dem gröſsten der geologischen Phänomene aus den Zeiten der Urwelt noch heut zu Tage analoge Erscheinungen vorhanden sind, so dürfen wir um so mehr bey Erklärung ande- rer geologischer Thatsachen die Analogie zu Hül- fe nehmen. Nun lehrt die neuere Geschichte, daſs, indem neue Inseln entstanden, alte vom Wasser verschlungen wurden. Es erhellet fer- ner aus der Bildung mehrerer Küsten, daſs sie ehedem mit festem Lande in Verbindung gestan- den haben müssen, welches jetzt nicht mehr vorhanden ist. Die Analogie führt uns also auf den Satz, daſs bey der Entstehung des jetzigen festen Landes ehemalige Continente verschwun- den sind, und daſs überhaupt seit der Bil- dung der Erde gleichzeitige Contraktionen und Expansionen in derselben statt gefunden haben. Hieraus folget weiter, daſs wir keinesweges berechtigt sind, alle Ueberbleibsel des Pflanzen- und Thierreichs der Vorwelt für Erzeugnisse des Bodens zu halten, in welchem wir sie heut zu Tage antreffen, sondern daſs manche derselben, die in Siberien und Canada begraben liegen, aus der südlichen Erdhälfte dahin geführt seyn können. Denn wenn es gewiſs ist, daſs einst ganze Länder versanken, indem andere aus dem Mee- N 2

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/205>, abgerufen am 03.05.2024.