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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805.

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nun jene keinen Blumenstaub mehr erhalten,
weil diese keinen mehr besitzen. Die Stelle, wo
sich anfangs die reifen Antheren befanden, und
nachher das reife Stigma gefunden wird, ist aber
in jeder Blume so gewählt, dass das Insekt, für
welches die Blume bestimmt ist, nicht anders
zum Honigsaft gelangen kann, als indem es zu-
gleich mit einem Theile seines Körpers in der
jüngern Blume die Antheren, und in der ältern
die Narbe berührt, den Staub von jenen auf die-
ses überträgt, und auf solche Art die ältere Blu-
me durch den Staub der jüngern befruchtet (a).

Zur Dichogamia gynandra gehört z. B. die
Euphorbia Cyparissias. Sobald eine Blume die-
ser Pflanze aufgebrochen ist, sieht man die Stig-
mate aus derselben hervorkommen, gerade in die
Höhe stehen, und sich ausbreiten. Nach eini-
gen Tagen kömmt das ganze Pistill, welches auf
einem eigenen Stiele sitzt, aus der Blume hervor,
verliehrt nach und nach die aufrechte Stellung, und
kehrt endlich die Stigmate der Erde zu. Als-
dann erst kommen die Staubgefässe eines nach
dem andern aus der Blume zum Vorscheine, und
die Antheren nehmen jetzt eben die Stelle ein,
welche vorher die Stigmate einnahmen. Insek-
ten, welche die ältere Blume besuchen, müssen
also nothwendig den Staub der Antheren abstrei-

fen,
(a) Sprengel a. a. O. S. 17. 18.

nun jene keinen Blumenstaub mehr erhalten,
weil diese keinen mehr besitzen. Die Stelle, wo
sich anfangs die reifen Antheren befanden, und
nachher das reife Stigma gefunden wird, ist aber
in jeder Blume so gewählt, daſs das Insekt, für
welches die Blume bestimmt ist, nicht anders
zum Honigsaft gelangen kann, als indem es zu-
gleich mit einem Theile seines Körpers in der
jüngern Blume die Antheren, und in der ältern
die Narbe berührt, den Staub von jenen auf die-
ses überträgt, und auf solche Art die ältere Blu-
me durch den Staub der jüngern befruchtet (a).

Zur Dichogamia gynandra gehört z. B. die
Euphorbia Cyparissias. Sobald eine Blume die-
ser Pflanze aufgebrochen ist, sieht man die Stig-
mate aus derselben hervorkommen, gerade in die
Höhe stehen, und sich ausbreiten. Nach eini-
gen Tagen kömmt das ganze Pistill, welches auf
einem eigenen Stiele sitzt, aus der Blume hervor,
verliehrt nach und nach die aufrechte Stellung, und
kehrt endlich die Stigmate der Erde zu. Als-
dann erst kommen die Staubgefäſse eines nach
dem andern aus der Blume zum Vorscheine, und
die Antheren nehmen jetzt eben die Stelle ein,
welche vorher die Stigmate einnahmen. Insek-
ten, welche die ältere Blume besuchen, müssen
also nothwendig den Staub der Antheren abstrei-

fen,
(a) Sprengel a. a. O. S. 17. 18.
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[352/0362] nun jene keinen Blumenstaub mehr erhalten, weil diese keinen mehr besitzen. Die Stelle, wo sich anfangs die reifen Antheren befanden, und nachher das reife Stigma gefunden wird, ist aber in jeder Blume so gewählt, daſs das Insekt, für welches die Blume bestimmt ist, nicht anders zum Honigsaft gelangen kann, als indem es zu- gleich mit einem Theile seines Körpers in der jüngern Blume die Antheren, und in der ältern die Narbe berührt, den Staub von jenen auf die- ses überträgt, und auf solche Art die ältere Blu- me durch den Staub der jüngern befruchtet (a). Zur Dichogamia gynandra gehört z. B. die Euphorbia Cyparissias. Sobald eine Blume die- ser Pflanze aufgebrochen ist, sieht man die Stig- mate aus derselben hervorkommen, gerade in die Höhe stehen, und sich ausbreiten. Nach eini- gen Tagen kömmt das ganze Pistill, welches auf einem eigenen Stiele sitzt, aus der Blume hervor, verliehrt nach und nach die aufrechte Stellung, und kehrt endlich die Stigmate der Erde zu. Als- dann erst kommen die Staubgefäſse eines nach dem andern aus der Blume zum Vorscheine, und die Antheren nehmen jetzt eben die Stelle ein, welche vorher die Stigmate einnahmen. Insek- ten, welche die ältere Blume besuchen, müssen also nothwendig den Staub der Antheren abstrei- fen, (a) Sprengel a. a. O. S. 17. 18.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/362>, abgerufen am 14.06.2024.