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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805.

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und Bridel bestätigte sie am Erysimum offici-
nale, dass Pistillen, worauf der männliche Saa-
menstaub nicht gewirkt hat, sich weit länger er-
halten, als befruchtete (p).

So ist jedes Wachsthum unaufhörliche Meta-
morphose, und zwar eine Verwandelung, die
sich nicht nur auf den ganzen Organismus, son-
dern auch auf jedes seiner Organe erstreckt.
Der Embryo ist in der ersten Zeit seiner Bildung
dem erwachsenen Menschen, und jedes entste-
hende Organ des erstern den Organen des letz-
tern fast eben so unähnlich, wie die Raupe der
Puppe und die Puppe dem Schmetterlinge.

Metamorphose ist daher nicht den Amphibien
und Insekten ausschliesslich eigen. Sie kömmt
allen lebenden Körpern ohne Ausnahme zu, und
der einzige Unterschied zwischen jenen Thieren
und den übrigen lebenden Organismen ist nur
der, dass sie bey diesen noch im Mutterleibe,
der geheimen Werkstäte der Natur, geschieht,
oder zu alltäglich ist, um uns aufzufallen.

Für die ganze lebende Natur ist jedes lebende
Individuum dasselbe, was jedes Organ für das
letztere ist. Metamorphose kömmt daher auch
der ganzen lebenden Natur als Einem grossen
Organismus zu. Abnahme und Zunahme, Unter-

gang
(p) Bridel muscolog. recent. T. I. p. 54.

und Bridel bestätigte sie am Erysimum offici-
nale, daſs Pistillen, worauf der männliche Saa-
menstaub nicht gewirkt hat, sich weit länger er-
halten, als befruchtete (p).

So ist jedes Wachsthum unaufhörliche Meta-
morphose, und zwar eine Verwandelung, die
sich nicht nur auf den ganzen Organismus, son-
dern auch auf jedes seiner Organe erstreckt.
Der Embryo ist in der ersten Zeit seiner Bildung
dem erwachsenen Menschen, und jedes entste-
hende Organ des erstern den Organen des letz-
tern fast eben so unähnlich, wie die Raupe der
Puppe und die Puppe dem Schmetterlinge.

Metamorphose ist daher nicht den Amphibien
und Insekten ausschlieſslich eigen. Sie kömmt
allen lebenden Körpern ohne Ausnahme zu, und
der einzige Unterschied zwischen jenen Thieren
und den übrigen lebenden Organismen ist nur
der, daſs sie bey diesen noch im Mutterleibe,
der geheimen Werkstäte der Natur, geschieht,
oder zu alltäglich ist, um uns aufzufallen.

Für die ganze lebende Natur ist jedes lebende
Individuum dasselbe, was jedes Organ für das
letztere ist. Metamorphose kömmt daher auch
der ganzen lebenden Natur als Einem groſsen
Organismus zu. Abnahme und Zunahme, Unter-

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(p) Bridel muscolog. recent. T. I. p. 54.
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[477/0487] und Bridel bestätigte sie am Erysimum offici- nale, daſs Pistillen, worauf der männliche Saa- menstaub nicht gewirkt hat, sich weit länger er- halten, als befruchtete (p). So ist jedes Wachsthum unaufhörliche Meta- morphose, und zwar eine Verwandelung, die sich nicht nur auf den ganzen Organismus, son- dern auch auf jedes seiner Organe erstreckt. Der Embryo ist in der ersten Zeit seiner Bildung dem erwachsenen Menschen, und jedes entste- hende Organ des erstern den Organen des letz- tern fast eben so unähnlich, wie die Raupe der Puppe und die Puppe dem Schmetterlinge. Metamorphose ist daher nicht den Amphibien und Insekten ausschlieſslich eigen. Sie kömmt allen lebenden Körpern ohne Ausnahme zu, und der einzige Unterschied zwischen jenen Thieren und den übrigen lebenden Organismen ist nur der, daſs sie bey diesen noch im Mutterleibe, der geheimen Werkstäte der Natur, geschieht, oder zu alltäglich ist, um uns aufzufallen. Für die ganze lebende Natur ist jedes lebende Individuum dasselbe, was jedes Organ für das letztere ist. Metamorphose kömmt daher auch der ganzen lebenden Natur als Einem groſsen Organismus zu. Abnahme und Zunahme, Unter- gang (p) Bridel muscolog. recent. T. I. p. 54.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/487>, abgerufen am 27.04.2024.