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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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von ganzen, im Zustande der Wildheit lebenden
Völkern mit beweglichen Ohren aufweisen *).

Das äussere Ohr hat jedoch nicht allent-
halben, wo es vorhanden ist, oder wenigstens
nicht in allen seinen Theilen die blosse Be-
stimmung eines Hörrohrs. Wozu die Leisten,
Hervorragungen, Furchen und Höhlungen des
äussern Ohrs beym Menschen? Nach Boer-
haave
p) ersetzen dieselben die, den übrigen
Thieren eigene Beweglichkeit dieses Organs.
Er liess das Ohr eines scharfhörenden Mannes
in Wachs abdrucken und fand, dass, wenn er
von irgend einem tönenden Punkt eine gerade
Linie zu irgend einem Punkt einer der knorpe-
ligen Hervorragungen dieses Ohrs zog und
einen Reflektionswinkel abmaass, der dem Ein-
fallswinkel gleich war, der reflektirte Schall-
strahl endlich nach mehrern Zurückwerfungen
in den äussern Hörgang gelangte, so dass in
diesem der gemeinschaftliche Focus aller der
krummen Linien lag, welche die Windungen
des äussern Ohrs bilden. Der Versuch wäre

einer
*) Valsalva (Tractat. de aure C. 4. §. 3.) meinte, die
Funktion der Muskeln des äussern Ohrs bestehe beym
Menschen nicht in Zusammenziehungen, sondern in
tonischen Bewegungen. Was er sich hierunter aber
dachte, hat er nicht näher erklärt.
p) Praelect. academ. Vol. III. p. 184.

von ganzen, im Zustande der Wildheit lebenden
Völkern mit beweglichen Ohren aufweisen *).

Das äuſsere Ohr hat jedoch nicht allent-
halben, wo es vorhanden ist, oder wenigstens
nicht in allen seinen Theilen die bloſse Be-
stimmung eines Hörrohrs. Wozu die Leisten,
Hervorragungen, Furchen und Höhlungen des
äuſsern Ohrs beym Menschen? Nach Boer-
haave
p) ersetzen dieselben die, den übrigen
Thieren eigene Beweglichkeit dieses Organs.
Er lieſs das Ohr eines scharfhörenden Mannes
in Wachs abdrucken und fand, daſs, wenn er
von irgend einem tönenden Punkt eine gerade
Linie zu irgend einem Punkt einer der knorpe-
ligen Hervorragungen dieses Ohrs zog und
einen Reflektionswinkel abmaaſs, der dem Ein-
fallswinkel gleich war, der reflektirte Schall-
strahl endlich nach mehrern Zurückwerfungen
in den äuſsern Hörgang gelangte, so daſs in
diesem der gemeinschaftliche Focus aller der
krummen Linien lag, welche die Windungen
des äuſsern Ohrs bilden. Der Versuch wäre

einer
*) Valsalva (Tractat. de aure C. 4. §. 3.) meinte, die
Funktion der Muskeln des äuſsern Ohrs bestehe beym
Menschen nicht in Zusammenziehungen, sondern in
tonischen Bewegungen. Was er sich hierunter aber
dachte, hat er nicht näher erklärt.
p) Praelect. academ. Vol. III. p. 184.
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[366/0384] von ganzen, im Zustande der Wildheit lebenden Völkern mit beweglichen Ohren aufweisen *). Das äuſsere Ohr hat jedoch nicht allent- halben, wo es vorhanden ist, oder wenigstens nicht in allen seinen Theilen die bloſse Be- stimmung eines Hörrohrs. Wozu die Leisten, Hervorragungen, Furchen und Höhlungen des äuſsern Ohrs beym Menschen? Nach Boer- haave p) ersetzen dieselben die, den übrigen Thieren eigene Beweglichkeit dieses Organs. Er lieſs das Ohr eines scharfhörenden Mannes in Wachs abdrucken und fand, daſs, wenn er von irgend einem tönenden Punkt eine gerade Linie zu irgend einem Punkt einer der knorpe- ligen Hervorragungen dieses Ohrs zog und einen Reflektionswinkel abmaaſs, der dem Ein- fallswinkel gleich war, der reflektirte Schall- strahl endlich nach mehrern Zurückwerfungen in den äuſsern Hörgang gelangte, so daſs in diesem der gemeinschaftliche Focus aller der krummen Linien lag, welche die Windungen des äuſsern Ohrs bilden. Der Versuch wäre einer *) Valsalva (Tractat. de aure C. 4. §. 3.) meinte, die Funktion der Muskeln des äuſsern Ohrs bestehe beym Menschen nicht in Zusammenziehungen, sondern in tonischen Bewegungen. Was er sich hierunter aber dachte, hat er nicht näher erklärt. p) Praelect. academ. Vol. III. p. 184.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/384>, abgerufen am 27.04.2024.