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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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ducirt der Sehenerve die in ihm erregte Ver-
änderung blos durch eigene Thätigkeit. Er
scheint selbst jeden schwächern Eindruck so
lange festzuhalten, als die Zeit des Blinzens der
Augen beträgt; er würde sonst von dieser Be-
wegung im Sehen gestöhrt werden müssen z).
Sieht man einen Fleck von einer lebhaften
Farbe auf einem weissen Grunde lange und un-
verwandt an, so entsteht nach und nach um
denselben eine Krone von einer Farbe, welche
der des Flecks entgegengesetzt ist, und blickt
man hierauf von ihm weg auf den weissen
Grund, so erscheint auf diesem ein Fleck, der
mit dem erstern einerley Grösse und Figur hat,
dessen Farbe aber die nämliche entgegengesetzte
ist, von welcher der erstere vorher umgeben
war. Auf diese Weise geht Roth in Grün,
Gelb in Violet, Grün in Purpur, Blau in
Orange, Schwarz in ein glänzendes Weiss,
Weiss auf schwarzem Grunde in ein noch dunk-
leres Schwarz über. Der Sehenerve erhält sich
also nicht nur die Urbilder; er verwandelt auch
ihre Farben nach gewissen Gesetzen. Betrachtet
man ein Viereck von hohem Roth auf weissem
Grunde noch anhaltender als im vorigen Ver-
such, so entsteht auf demselben nach einiger

Zeit
z) Purkinje's Beytr. zur Kenntniss des Sehens in sub-
jektiver Hinsicht. S. 166.
VI. Bd. N n

ducirt der Sehenerve die in ihm erregte Ver-
änderung blos durch eigene Thätigkeit. Er
scheint selbst jeden schwächern Eindruck so
lange festzuhalten, als die Zeit des Blinzens der
Augen beträgt; er würde sonst von dieser Be-
wegung im Sehen gestöhrt werden müssen z).
Sieht man einen Fleck von einer lebhaften
Farbe auf einem weiſsen Grunde lange und un-
verwandt an, so entsteht nach und nach um
denselben eine Krone von einer Farbe, welche
der des Flecks entgegengesetzt ist, und blickt
man hierauf von ihm weg auf den weiſsen
Grund, so erscheint auf diesem ein Fleck, der
mit dem erstern einerley Gröſse und Figur hat,
dessen Farbe aber die nämliche entgegengesetzte
ist, von welcher der erstere vorher umgeben
war. Auf diese Weise geht Roth in Grün,
Gelb in Violet, Grün in Purpur, Blau in
Orange, Schwarz in ein glänzendes Weiſs,
Weiſs auf schwarzem Grunde in ein noch dunk-
leres Schwarz über. Der Sehenerve erhält sich
also nicht nur die Urbilder; er verwandelt auch
ihre Farben nach gewissen Gesetzen. Betrachtet
man ein Viereck von hohem Roth auf weiſsem
Grunde noch anhaltender als im vorigen Ver-
such, so entsteht auf demselben nach einiger

Zeit
z) Purkinje’s Beytr. zur Kenntniſs des Sehens in sub-
jektiver Hinsicht. S. 166.
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[555/0577] ducirt der Sehenerve die in ihm erregte Ver- änderung blos durch eigene Thätigkeit. Er scheint selbst jeden schwächern Eindruck so lange festzuhalten, als die Zeit des Blinzens der Augen beträgt; er würde sonst von dieser Be- wegung im Sehen gestöhrt werden müssen z). Sieht man einen Fleck von einer lebhaften Farbe auf einem weiſsen Grunde lange und un- verwandt an, so entsteht nach und nach um denselben eine Krone von einer Farbe, welche der des Flecks entgegengesetzt ist, und blickt man hierauf von ihm weg auf den weiſsen Grund, so erscheint auf diesem ein Fleck, der mit dem erstern einerley Gröſse und Figur hat, dessen Farbe aber die nämliche entgegengesetzte ist, von welcher der erstere vorher umgeben war. Auf diese Weise geht Roth in Grün, Gelb in Violet, Grün in Purpur, Blau in Orange, Schwarz in ein glänzendes Weiſs, Weiſs auf schwarzem Grunde in ein noch dunk- leres Schwarz über. Der Sehenerve erhält sich also nicht nur die Urbilder; er verwandelt auch ihre Farben nach gewissen Gesetzen. Betrachtet man ein Viereck von hohem Roth auf weiſsem Grunde noch anhaltender als im vorigen Ver- such, so entsteht auf demselben nach einiger Zeit z) Purkinje’s Beytr. zur Kenntniſs des Sehens in sub- jektiver Hinsicht. S. 166. VI. Bd. N n

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/577>, abgerufen am 26.04.2024.