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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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"Mein Kind im weissen Kleide!
Wohl hab' ich dein gedacht.
Die Blumen sind dein' Freude,
Mehr als des Goldes Pracht.
Das Blümlein, klar wie Silber, hier
Nahm ich dem kühnen Gärtner,
Gab ihm den Tod dafür."
"Wie war er so verwegen?
Warum erschlugst du ihn?
Er thät der Blümlein pflegen,
Die werden nun verblühn."
"Er hat mir wunderkühn versagt
Die schönste Blum' im Garten,
Die spart' er seiner Magd."
Das Blümlein lag der Zarten
An ihrer weichen Brust.
Sie ging in einen Garten,
Der war wohl ihre Lust.
Da schwoll ein frischer Hügel auf,
Dort bei den weissen Lilien,
Sie setzte sich darauf.
"O könnt' ich thun zur Stunde
Den lieben Schwestern gleich!
Doch's Blümlein gibt kein' Wunde,
Es ist so zart und weich."
Auf's Blümlein sah sie, bleich und krank,
Bis daß ihr Blümlein welkte,
Bis daß sie niedersank.

„Mein Kind im weiſſen Kleide!
Wohl hab’ ich dein gedacht.
Die Blumen ſind dein’ Freude,
Mehr als des Goldes Pracht.
Das Blümlein, klar wie Silber, hier
Nahm ich dem kühnen Gärtner,
Gab ihm den Tod dafür.“
„Wie war er ſo verwegen?
Warum erſchlugſt du ihn?
Er thät der Blümlein pflegen,
Die werden nun verblühn.“
„Er hat mir wunderkühn verſagt
Die ſchönſte Blum’ im Garten,
Die ſpart’ er ſeiner Magd.“
Das Blümlein lag der Zarten
An ihrer weichen Bruſt.
Sie ging in einen Garten,
Der war wohl ihre Luſt.
Da ſchwoll ein friſcher Hügel auf,
Dort bei den weiſſen Lilien,
Sie ſetzte ſich darauf.
„O könnt’ ich thun zur Stunde
Den lieben Schweſtern gleich!
Doch’s Blümlein gibt kein’ Wunde,
Es iſt ſo zart und weich.“
Auf’s Blümlein ſah ſie, bleich und krank,
Bis daß ihr Blümlein welkte,
Bis daß ſie niederſank.

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[184/0190] „Mein Kind im weiſſen Kleide! Wohl hab’ ich dein gedacht. Die Blumen ſind dein’ Freude, Mehr als des Goldes Pracht. Das Blümlein, klar wie Silber, hier Nahm ich dem kühnen Gärtner, Gab ihm den Tod dafür.“ „Wie war er ſo verwegen? Warum erſchlugſt du ihn? Er thät der Blümlein pflegen, Die werden nun verblühn.“ „Er hat mir wunderkühn verſagt Die ſchönſte Blum’ im Garten, Die ſpart’ er ſeiner Magd.“ Das Blümlein lag der Zarten An ihrer weichen Bruſt. Sie ging in einen Garten, Der war wohl ihre Luſt. Da ſchwoll ein friſcher Hügel auf, Dort bei den weiſſen Lilien, Sie ſetzte ſich darauf. „O könnt’ ich thun zur Stunde Den lieben Schweſtern gleich! Doch’s Blümlein gibt kein’ Wunde, Es iſt ſo zart und weich.“ Auf’s Blümlein ſah ſie, bleich und krank, Bis daß ihr Blümlein welkte, Bis daß ſie niederſank.

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/190>, abgerufen am 29.04.2024.