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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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Selige Provencer Thale,
Ueppig blühend wart ihr immer,
Aber eure reichste Blüthe
War des Minneliedes Schimmer.
Jene tapfern, schmucken Ritter,
Welch ein edler Sängerorden!
Jene hochbeglückten Damen,
Wie sie schön gefeiert worden!
Vielgeehrt im Sängerchore
Wer Rudello's werther Name,
Vielgepriesen, vielbeneidet
Die von ihm besungne Dame.
Aber Niemand mocht' erkunden,
Wie sie hieße, wo sie lebte,
Die so herrlich, überirdisch
In Rudello's Liedern schwebte;
Denn nur in geheimen Nächten
Nahte sie dem Sänger leise,
Selbst den Boden nie berührend,
Spurlos, schwank, in Traumesweise.
Wollt' er sie mit Armen fassen,
Schwand sie in die Wolken wieder,
Und aus Seufzern und aus Thränen
Wurden dann ihm süße Lieder.
Schiffer, Pilger, Kreutzesritter
Brachten dazumal die Mähre,
Daß von Tripolis die Gräfin
Aller Frauen Krone wäre;
Und so oft Rudell es hörte,
Fühlt' er sich's im Busen schlagen,
Und es trieb ihn nach dem Strande,
Wo die Schiffe fertig lagen.
Selige Provencer Thale,
Ueppig blühend wart ihr immer,
Aber eure reichſte Blüthe
War des Minneliedes Schimmer.
Jene tapfern, ſchmucken Ritter,
Welch ein edler Sängerorden!
Jene hochbeglückten Damen,
Wie ſie ſchön gefeiert worden!
Vielgeehrt im Sängerchore
Wer Rudello’s werther Name,
Vielgeprieſen, vielbeneidet
Die von ihm beſungne Dame.
Aber Niemand mocht’ erkunden,
Wie ſie hieße, wo ſie lebte,
Die ſo herrlich, überirdiſch
In Rudello’s Liedern ſchwebte;
Denn nur in geheimen Nächten
Nahte ſie dem Sänger leiſe,
Selbſt den Boden nie berührend,
Spurlos, ſchwank, in Traumesweiſe.
Wollt’ er ſie mit Armen faſſen,
Schwand ſie in die Wolken wieder,
Und aus Seufzern und aus Thränen
Wurden dann ihm ſüße Lieder.
Schiffer, Pilger, Kreutzesritter
Brachten dazumal die Mähre,
Daß von Tripolis die Gräfin
Aller Frauen Krone wäre;
Und ſo oft Rudell es hörte,
Fühlt’ er ſich’s im Buſen ſchlagen,
Und es trieb ihn nach dem Strande,
Wo die Schiffe fertig lagen.
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[240/0246] Selige Provencer Thale, Ueppig blühend wart ihr immer, Aber eure reichſte Blüthe War des Minneliedes Schimmer. Jene tapfern, ſchmucken Ritter, Welch ein edler Sängerorden! Jene hochbeglückten Damen, Wie ſie ſchön gefeiert worden! Vielgeehrt im Sängerchore Wer Rudello’s werther Name, Vielgeprieſen, vielbeneidet Die von ihm beſungne Dame. Aber Niemand mocht’ erkunden, Wie ſie hieße, wo ſie lebte, Die ſo herrlich, überirdiſch In Rudello’s Liedern ſchwebte; Denn nur in geheimen Nächten Nahte ſie dem Sänger leiſe, Selbſt den Boden nie berührend, Spurlos, ſchwank, in Traumesweiſe. Wollt’ er ſie mit Armen faſſen, Schwand ſie in die Wolken wieder, Und aus Seufzern und aus Thränen Wurden dann ihm ſüße Lieder. Schiffer, Pilger, Kreutzesritter Brachten dazumal die Mähre, Daß von Tripolis die Gräfin Aller Frauen Krone wäre; Und ſo oft Rudell es hörte, Fühlt’ er ſich’s im Buſen ſchlagen, Und es trieb ihn nach dem Strande, Wo die Schiffe fertig lagen.

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/246>, abgerufen am 28.04.2024.