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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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"Mein Sohn! das sind die Schlegler, die schlagen kräftig drein, --
Gib mir den Leibrock, Junge! -- das ist der Eberstein,
Ich kenne wohl den Eber, er hat so grimmen Zorn,
Ich kenne wohl die Rose, sie führt so scharfen Dorn."
Da kömmt ein armer Hirte in athemlosem Lauf:
"Herr Graf! es zieht 'ne Rotte das untre Thal herauf.
Der Hauptmann führt drei Beile sein Rüstzeug glänzt und gleißt,
Daß mir's, wie Wetterleuchten, noch in den Augen beißt."
"Das ist der Wunnensteiner, der gleißend' Wolf genannt, --
Gib mir den Mantel, Knabe! -- der Glanz ist mir bekannt,
Er bringt mir wenig Wonne, die Beile hauen gut, --
Bind mir das Schwerdt zur Seite! -- der Wolf, der lechzt nach
Blut.
Ein Mägdlein mag man schrecken, das sich im Bade schmiegt,
Das ist ein lustig Necken, das Niemand Schaden fügt,
Wird aber überfallen ein alter Kriegesheld,
Dann gilt's, wenn nicht sein Leben, doch schweres Lösegeld."
Da spricht der arme Hirte: "deß mag noch werden Rath,
Ich weiß geheime Wege, die noch kein Mensch betrat,
Kein Roß mag sie ersteigen, nur Geissen klettern dort,
Wollt Ihr sogleich mir folgen, ich bring' Euch sicher fort."
Sie klimmen durch das Dickicht den steilsten Berg hinan,
Mit seinem guten Schwerdte haut oft der Graf sich Bahn.
Wie herb das Fliehen schmecke, noch hatt' er's nie vermerkt,
Viel lieber möcht' er fechten, das Bad hat ihn gestärkt.
„Mein Sohn! das ſind die Schlegler, die ſchlagen kräftig drein, —
Gib mir den Leibrock, Junge! — das iſt der Eberſtein,
Ich kenne wohl den Eber, er hat ſo grimmen Zorn,
Ich kenne wohl die Roſe, ſie führt ſo ſcharfen Dorn.“
Da kömmt ein armer Hirte in athemloſem Lauf:
„Herr Graf! es zieht ’ne Rotte das untre Thal herauf.
Der Hauptmann führt drei Beile ſein Rüſtzeug glänzt und gleißt,
Daß mir’s, wie Wetterleuchten, noch in den Augen beißt.“
„Das iſt der Wunnenſteiner, der gleißend’ Wolf genannt, —
Gib mir den Mantel, Knabe! — der Glanz iſt mir bekannt,
Er bringt mir wenig Wonne, die Beile hauen gut, —
Bind mir das Schwerdt zur Seite! — der Wolf, der lechzt nach
Blut.
Ein Mägdlein mag man ſchrecken, das ſich im Bade ſchmiegt,
Das iſt ein luſtig Necken, das Niemand Schaden fügt,
Wird aber überfallen ein alter Kriegesheld,
Dann gilt’s, wenn nicht ſein Leben, doch ſchweres Löſegeld.“
Da ſpricht der arme Hirte: „deß mag noch werden Rath,
Ich weiß geheime Wege, die noch kein Menſch betrat,
Kein Roß mag ſie erſteigen, nur Geiſſen klettern dort,
Wollt Ihr ſogleich mir folgen, ich bring’ Euch ſicher fort.“
Sie klimmen durch das Dickicht den ſteilſten Berg hinan,
Mit ſeinem guten Schwerdte haut oft der Graf ſich Bahn.
Wie herb das Fliehen ſchmecke, noch hatt’ er’s nie vermerkt,
Viel lieber möcht’ er fechten, das Bad hat ihn geſtärkt.
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[315/0321] „Mein Sohn! das ſind die Schlegler, die ſchlagen kräftig drein, — Gib mir den Leibrock, Junge! — das iſt der Eberſtein, Ich kenne wohl den Eber, er hat ſo grimmen Zorn, Ich kenne wohl die Roſe, ſie führt ſo ſcharfen Dorn.“ Da kömmt ein armer Hirte in athemloſem Lauf: „Herr Graf! es zieht ’ne Rotte das untre Thal herauf. Der Hauptmann führt drei Beile ſein Rüſtzeug glänzt und gleißt, Daß mir’s, wie Wetterleuchten, noch in den Augen beißt.“ „Das iſt der Wunnenſteiner, der gleißend’ Wolf genannt, — Gib mir den Mantel, Knabe! — der Glanz iſt mir bekannt, Er bringt mir wenig Wonne, die Beile hauen gut, — Bind mir das Schwerdt zur Seite! — der Wolf, der lechzt nach Blut. Ein Mägdlein mag man ſchrecken, das ſich im Bade ſchmiegt, Das iſt ein luſtig Necken, das Niemand Schaden fügt, Wird aber überfallen ein alter Kriegesheld, Dann gilt’s, wenn nicht ſein Leben, doch ſchweres Löſegeld.“ Da ſpricht der arme Hirte: „deß mag noch werden Rath, Ich weiß geheime Wege, die noch kein Menſch betrat, Kein Roß mag ſie erſteigen, nur Geiſſen klettern dort, Wollt Ihr ſogleich mir folgen, ich bring’ Euch ſicher fort.“ Sie klimmen durch das Dickicht den ſteilſten Berg hinan, Mit ſeinem guten Schwerdte haut oft der Graf ſich Bahn. Wie herb das Fliehen ſchmecke, noch hatt’ er’s nie vermerkt, Viel lieber möcht’ er fechten, das Bad hat ihn geſtärkt.

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/321>, abgerufen am 29.04.2024.