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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll,
Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll,
Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,
Des Alten Sang dazwischen, wie dumpfer Geisterchor.
Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger goldner Zeit,
Von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Heiligkeit;
Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,
Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.
Die Höflingsschaar im Kreise verlernet jeden Spott,
Des Königs trotz'ge Krieger, sie beugen sich vor Gott,
Die Königin, zerflossen in Wehmuth und in Lust,
Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.
"Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?"
Der König schreit es wüthend, er bebt am ganzen Leib,
Er wirft sein Schwerdt, das blitzend des Jünglings Brust
durchdringt,
Draus, statt der goldnen Lieder, ein Blutstral hochauf springt.
Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm,
Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm,
Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß,
Er bindt ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß.
Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis,
Da faßt er seine Harfe, sie aller Harfen Preis,
An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt,
Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:
Da ſchlug der Greis die Saiten, er ſchlug ſie wundervoll,
Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre ſchwoll,
Dann ſtrömte himmliſch helle des Jünglings Stimme vor,
Des Alten Sang dazwiſchen, wie dumpfer Geiſterchor.
Sie ſingen von Lenz und Liebe, von ſel’ger goldner Zeit,
Von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Heiligkeit;
Sie ſingen von allem Süßen, was Menſchenbruſt durchbebt,
Sie ſingen von allem Hohen, was Menſchenherz erhebt.
Die Höflingsſchaar im Kreiſe verlernet jeden Spott,
Des Königs trotz’ge Krieger, ſie beugen ſich vor Gott,
Die Königin, zerfloſſen in Wehmuth und in Luſt,
Sie wirft den Sängern nieder die Roſe von ihrer Bruſt.
„Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?“
Der König ſchreit es wüthend, er bebt am ganzen Leib,
Er wirft ſein Schwerdt, das blitzend des Jünglings Bruſt
durchdringt,
Draus, ſtatt der goldnen Lieder, ein Blutſtral hochauf ſpringt.
Und wie vom Sturm zerſtoben iſt all der Hörer Schwarm,
Der Jüngling hat verröchelt in ſeines Meiſters Arm,
Der ſchlägt um ihn den Mantel und ſetzt ihn auf das Roß,
Er bindt ihn aufrecht feſte, verläßt mit ihm das Schloß.
Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis,
Da faßt er ſeine Harfe, ſie aller Harfen Preis,
An einer Marmorſäule, da hat er ſie zerſchellt,
Dann ruft er, daß es ſchaurig durch Schloß und Gärten gellt:
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[336/0342] Da ſchlug der Greis die Saiten, er ſchlug ſie wundervoll, Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre ſchwoll, Dann ſtrömte himmliſch helle des Jünglings Stimme vor, Des Alten Sang dazwiſchen, wie dumpfer Geiſterchor. Sie ſingen von Lenz und Liebe, von ſel’ger goldner Zeit, Von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Heiligkeit; Sie ſingen von allem Süßen, was Menſchenbruſt durchbebt, Sie ſingen von allem Hohen, was Menſchenherz erhebt. Die Höflingsſchaar im Kreiſe verlernet jeden Spott, Des Königs trotz’ge Krieger, ſie beugen ſich vor Gott, Die Königin, zerfloſſen in Wehmuth und in Luſt, Sie wirft den Sängern nieder die Roſe von ihrer Bruſt. „Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?“ Der König ſchreit es wüthend, er bebt am ganzen Leib, Er wirft ſein Schwerdt, das blitzend des Jünglings Bruſt durchdringt, Draus, ſtatt der goldnen Lieder, ein Blutſtral hochauf ſpringt. Und wie vom Sturm zerſtoben iſt all der Hörer Schwarm, Der Jüngling hat verröchelt in ſeines Meiſters Arm, Der ſchlägt um ihn den Mantel und ſetzt ihn auf das Roß, Er bindt ihn aufrecht feſte, verläßt mit ihm das Schloß. Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis, Da faßt er ſeine Harfe, ſie aller Harfen Preis, An einer Marmorſäule, da hat er ſie zerſchellt, Dann ruft er, daß es ſchaurig durch Schloß und Gärten gellt:

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/342>, abgerufen am 29.04.2024.