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Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

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Das IV. Capitul
So dich bedieneten; heut ist ein Raum erschienen,
Deßhalben kan ich dich, mein Liebgen, wohl bedienen.

4.
O unvergleichlichs Pfand,
Sey tausendfach beglückt,
Des Höchsten Gnaden-Hand
Jst über dich gerückt,
Sie wird auch immerfort um deine Wiege bleiben
Und alles Ungemach von Leib und Seele treiben.
5.
Es sey auch die vergnügt,
So dich zur Welt gebahr,
Und dir zur Seite liegt,
Es müsse die Gefahr
Von ihr und ihrem Herrn, dieweil sie leben, weichen.
So werd ich meinen Zweck durch meinen Wunsch erreichen.
2. Eine von längern Zeilen. Also schrieb ich unlängst
von der speculativischen und practicablen Weißheit
dieses:
4.
Wer Weißheit liebt, ist liebens werth,
Weil er den besten Schatz aus allem Gut erwehlet;
Wer Weißheit hat, dem ist beschert,
Was auf der weiten Welt den meisten Menschen fehlet.
Wohl also dem, der Weißheit liebt,
Und welchen sich dieselb als Herrscherin ergiebt.
2.
Doch dieser Schatz ist zweyerley:
Bey einem findet sich die Weißheit im Verstande;
Er glaubt, daß er der klügste sey,
Und macht manch Staats-Decret in dem Gedancken-Lande:
Jn Praxi aber taug er nicht,
Weil ihm manch kluger Griff bey seiner Kunst gebricht.
3. Ein

Das IV. Capitul
So dich bedieneten; heut iſt ein Raum erſchienen,
Deßhalben kan ich dich, mein Liebgen, wohl bedienen.

4.
O unvergleichlichs Pfand,
Sey tauſendfach begluͤckt,
Des Hoͤchſten Gnaden-Hand
Jſt uͤber dich geruͤckt,
Sie wird auch immerfort um deine Wiege bleiben
Und alles Ungemach von Leib und Seele treiben.
5.
Es ſey auch die vergnuͤgt,
So dich zur Welt gebahr,
Und dir zur Seite liegt,
Es muͤſſe die Gefahr
Von ihr und ihrem Herrn, dieweil ſie leben, weichen.
So werd ich meinen Zweck durch meinen Wunſch erreichen.
2. Eine von laͤngern Zeilen. Alſo ſchrieb ich unlaͤngſt
von der ſpeculativiſchen und practicablen Weißheit
dieſes:
4.
Wer Weißheit liebt, iſt liebens werth,
Weil er den beſten Schatz aus allem Gut erwehlet;
Wer Weißheit hat, dem iſt beſchert,
Was auf der weiten Welt den meiſten Menſchen fehlet.
Wohl alſo dem, der Weißheit liebt,
Und welchen ſich dieſelb als Herrſcherin ergiebt.
2.
Doch dieſer Schatz iſt zweyerley:
Bey einem findet ſich die Weißheit im Verſtande;
Er glaubt, daß er der kluͤgſte ſey,
Und macht manch Staats-Decret in dem Gedancken-Lande:
Jn Praxi aber taug er nicht,
Weil ihm manch kluger Griff bey ſeiner Kunſt gebricht.
3. Ein
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[56/0060] Das IV. Capitul So dich bedieneten; heut iſt ein Raum erſchienen, Deßhalben kan ich dich, mein Liebgen, wohl bedienen. 4. O unvergleichlichs Pfand, Sey tauſendfach begluͤckt, Des Hoͤchſten Gnaden-Hand Jſt uͤber dich geruͤckt, Sie wird auch immerfort um deine Wiege bleiben Und alles Ungemach von Leib und Seele treiben. 5. Es ſey auch die vergnuͤgt, So dich zur Welt gebahr, Und dir zur Seite liegt, Es muͤſſe die Gefahr Von ihr und ihrem Herrn, dieweil ſie leben, weichen. So werd ich meinen Zweck durch meinen Wunſch erreichen. 2. Eine von laͤngern Zeilen. Alſo ſchrieb ich unlaͤngſt von der ſpeculativiſchen und practicablen Weißheit dieſes: 4. Wer Weißheit liebt, iſt liebens werth, Weil er den beſten Schatz aus allem Gut erwehlet; Wer Weißheit hat, dem iſt beſchert, Was auf der weiten Welt den meiſten Menſchen fehlet. Wohl alſo dem, der Weißheit liebt, Und welchen ſich dieſelb als Herrſcherin ergiebt. 2. Doch dieſer Schatz iſt zweyerley: Bey einem findet ſich die Weißheit im Verſtande; Er glaubt, daß er der kluͤgſte ſey, Und macht manch Staats-Decret in dem Gedancken-Lande: Jn Praxi aber taug er nicht, Weil ihm manch kluger Griff bey ſeiner Kunſt gebricht. 3. Ein

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Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/60>, abgerufen am 29.04.2024.