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Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

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von den Generibus der Verse.
Beyschrifften, Grabschrifften, Dencksprüche
Sinngedichte
und anders, genennet werden. Es ist
aber ein Epigramma ein solches Gedichte, da man über
eine gewisse Person, Verrichtung, Sentenz etc. einige
kurtze, doch scharffsinnige Verse abfasset. Man kan
ein jedwedes Genus, es sey Jambisch oder anders, dar-
inn gebrauchen, ingleichen ein Madrigal und Sonnet.
Wegen der Zeilen hat man auch seine Freyheit, weil
man derselben viel oder wenig machen kan. Was
die Materie anlanget, so kan man in einem Epigram-
mate
entweder eine blosse Thesin, oder eine Thesin und
Hypothesin abhandeln. Wer sonst einen kurtzen Ab-
riß von einem Epigrammate haben will, der mercke nur
die zwey Verse des Masenii.

Omne Epigramma sit instar apis, sit aculeus isti,
Sint sua mella, sit & corporis exigui.

Weiter brauchen wir keinen Unterricht von Epigram-
matibus,
sondern wollen nur noch einige Exempel mit-
nehmen.

1. Auf das in eine Saltz-Seule verwan-
delte Weib des Loths.
Durch Fürwitz muste mir der Klugheit Saltz zerfliessen,
Drum ward ich nach Verdienst in lauter Saltz verkehrt.
Jhr Weiber, wo ihr nicht die Blindheit selbst ernehrt,
So kommt, von mir das Saltz der Klugheit zu geniessen.
2. Auf einen alten Verliebten.
Man sieht mein graues Haupt nur über Achseln an,
Und wenn ein Junger kommt, der besser dahlen kan,
So schüppet man mich fort: Solt' ich denn nun nicht schelten,
Da junge Dahler mehr, als alte Thaler gelten.
3. Auf
F 3

von den Generibus der Verſe.
Beyſchrifften, Grabſchrifften, Denckſpruͤche
Sinngedichte
und anders, genennet werden. Es iſt
aber ein Epigramma ein ſolches Gedichte, da man uͤber
eine gewiſſe Perſon, Verrichtung, Sentenz ꝛc. einige
kurtze, doch ſcharffſinnige Verſe abfaſſet. Man kan
ein jedwedes Genus, es ſey Jambiſch oder anders, dar-
inn gebrauchen, ingleichen ein Madrigal und Sonnet.
Wegen der Zeilen hat man auch ſeine Freyheit, weil
man derſelben viel oder wenig machen kan. Was
die Materie anlanget, ſo kan man in einem Epigram-
mate
entweder eine bloſſe Theſin, oder eine Theſin und
Hypotheſin abhandeln. Wer ſonſt einen kurtzen Ab-
riß von einem Epigrammate haben will, der mercke nur
die zwey Verſe des Maſenii.

Omne Epigramma ſit inſtar apis, ſit aculeus iſti,
Sint ſua mella, ſit & corporis exigui.

Weiter brauchen wir keinen Unterricht von Epigram-
matibus,
ſondern wollen nur noch einige Exempel mit-
nehmen.

1. Auf das in eine Saltz-Seule verwan-
delte Weib des Loths.
Durch Fuͤrwitz muſte mir der Klugheit Saltz zerflieſſen,
Drum ward ich nach Verdienſt in lauter Saltz verkehrt.
Jhr Weiber, wo ihr nicht die Blindheit ſelbſt ernehrt,
So kommt, von mir das Saltz der Klugheit zu genieſſen.
2. Auf einen alten Verliebten.
Man ſieht mein graues Haupt nur uͤber Achſeln an,
Und wenn ein Junger kommt, der beſſer dahlen kan,
So ſchuͤppet man mich fort: Solt’ ich denn nun nicht ſchelten,
Da junge Dahler mehr, als alte Thaler gelten.
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[83/0087] von den Generibus der Verſe. Beyſchrifften, Grabſchrifften, Denckſpruͤche Sinngedichte und anders, genennet werden. Es iſt aber ein Epigramma ein ſolches Gedichte, da man uͤber eine gewiſſe Perſon, Verrichtung, Sentenz ꝛc. einige kurtze, doch ſcharffſinnige Verſe abfaſſet. Man kan ein jedwedes Genus, es ſey Jambiſch oder anders, dar- inn gebrauchen, ingleichen ein Madrigal und Sonnet. Wegen der Zeilen hat man auch ſeine Freyheit, weil man derſelben viel oder wenig machen kan. Was die Materie anlanget, ſo kan man in einem Epigram- mate entweder eine bloſſe Theſin, oder eine Theſin und Hypotheſin abhandeln. Wer ſonſt einen kurtzen Ab- riß von einem Epigrammate haben will, der mercke nur die zwey Verſe des Maſenii. Omne Epigramma ſit inſtar apis, ſit aculeus iſti, Sint ſua mella, ſit & corporis exigui. Weiter brauchen wir keinen Unterricht von Epigram- matibus, ſondern wollen nur noch einige Exempel mit- nehmen. 1. Auf das in eine Saltz-Seule verwan- delte Weib des Loths. Durch Fuͤrwitz muſte mir der Klugheit Saltz zerflieſſen, Drum ward ich nach Verdienſt in lauter Saltz verkehrt. Jhr Weiber, wo ihr nicht die Blindheit ſelbſt ernehrt, So kommt, von mir das Saltz der Klugheit zu genieſſen. 2. Auf einen alten Verliebten. Man ſieht mein graues Haupt nur uͤber Achſeln an, Und wenn ein Junger kommt, der beſſer dahlen kan, So ſchuͤppet man mich fort: Solt’ ich denn nun nicht ſchelten, Da junge Dahler mehr, als alte Thaler gelten. 3. Auf F 3

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Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/87>, abgerufen am 26.04.2024.