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[N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680.

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Der vollkommene
det zuhaben scheinet/ als wir sie uns einbil-
den. Er sagt schlecht weg/ daß sie zwischen
einer allzugrossen Ehrsucht/ und zwischen
einer allzugrossen Abneigung von den Ho-
heiten und Ehren/ mitten inne stehe. Und
wie man nicht genau sagen kan/ wieweit es
vergönnt ist mit diesen zwo widrigen Ge-
müths-Bewegungen zugehen/ also ist es
auch nicht weniger unmöglich die Gren-
tzen/ so die Bescheidenheit umbzircken sol-
len/ zulegen. Wir können bißweilen auff
solche Gelegenheiten stossen/ die uns auff-
blasen/ und die uns einen Sinn eingeben/
daß wir nach Dingen trachten wornach
wir uns sonsten nicht pflegen zusehnen. Ob
sich nun wohl zu solcher Zeit gewisse Be-
gierden in uns erregen/ die man bey andern
Gelegenheiten vor unordentlich halten
könte/ so ziehen sie uns doch vielmehr dort
ein Lob zu/ und wo das Glück mitzu-
schlägt/ so kan man warhafftig wohl auß
einer Ehrsucht/ die man gescholten hätte/
wann sie einen widrigen Außgang gewon-
nen/ eine herrliche Tugend machen. Weil
sonsten jederman/ wann er von anderer
Leute Mässigung urtheilen will/ sich dessen
bey seinem Kopffe Raths erholet/ so wird

man

Der vollkommene
det zuhaben ſcheinet/ als wir ſie uns einbil-
den. Er ſagt ſchlecht weg/ daß ſie zwiſchen
einer allzugroſſen Ehrſucht/ und zwiſchen
einer allzugroſſen Abneigung von den Ho-
heiten und Ehren/ mitten inne ſtehe. Und
wie man nicht genau ſagen kan/ wieweit es
vergoͤnnt iſt mit dieſen zwo widrigen Ge-
muͤths-Bewegungen zugehen/ alſo iſt es
auch nicht weniger unmoͤglich die Gren-
tzen/ ſo die Beſcheidenheit umbzircken ſol-
len/ zulegen. Wir koͤnnen bißweilen auff
ſolche Gelegenheiten ſtoſſen/ die uns auff-
blaſen/ und die uns einen Sinn eingeben/
daß wir nach Dingen trachten wornach
wir uns ſonſten nicht pflegen zuſehnen. Ob
ſich nun wohl zu ſolcher Zeit gewiſſe Be-
gierden in uns erregen/ die man bey andern
Gelegenheiten vor unordentlich halten
koͤnte/ ſo ziehen ſie uns doch vielmehr dort
ein Lob zu/ und wo das Gluͤck mitzu-
ſchlaͤgt/ ſo kan man warhafftig wohl auß
einer Ehrſucht/ die man geſcholten haͤtte/
wann ſie einen widrigen Außgang gewon-
nen/ eine herrliche Tugend machen. Weil
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[38/0054] Der vollkommene det zuhaben ſcheinet/ als wir ſie uns einbil- den. Er ſagt ſchlecht weg/ daß ſie zwiſchen einer allzugroſſen Ehrſucht/ und zwiſchen einer allzugroſſen Abneigung von den Ho- heiten und Ehren/ mitten inne ſtehe. Und wie man nicht genau ſagen kan/ wieweit es vergoͤnnt iſt mit dieſen zwo widrigen Ge- muͤths-Bewegungen zugehen/ alſo iſt es auch nicht weniger unmoͤglich die Gren- tzen/ ſo die Beſcheidenheit umbzircken ſol- len/ zulegen. Wir koͤnnen bißweilen auff ſolche Gelegenheiten ſtoſſen/ die uns auff- blaſen/ und die uns einen Sinn eingeben/ daß wir nach Dingen trachten wornach wir uns ſonſten nicht pflegen zuſehnen. Ob ſich nun wohl zu ſolcher Zeit gewiſſe Be- gierden in uns erregen/ die man bey andern Gelegenheiten vor unordentlich halten koͤnte/ ſo ziehen ſie uns doch vielmehr dort ein Lob zu/ und wo das Gluͤck mitzu- ſchlaͤgt/ ſo kan man warhafftig wohl auß einer Ehrſucht/ die man geſcholten haͤtte/ wann ſie einen widrigen Außgang gewon- nen/ eine herrliche Tugend machen. Weil ſonſten jederman/ wann er von anderer Leute Maͤſſigung urtheilen will/ ſich deſſen bey ſeinem Kopffe Raths erholet/ ſo wird man

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680/54>, abgerufen am 29.04.2024.