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Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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noch ein Familien-Obras bestellen werden, daß er aber verlange, man solle es nicht so schwarz machen, wie das letzte ihm eingelieferte. Schwarze Klexe könne Se. Excellenz selbst produciren; ich sagte, daß wir daran durchaus nicht zweifelten.

Die Schaffnerin hatte die Liste genommen und übersah sie ernst und prüfend. Was bedeutet dieses Zeichen unten? fragte sie nach einer Pause.

Dieses Zeichen hab' ich gemacht, verehrtes Schwesterchen, erwiderte die Gefragte. Du weißt, daß ich nicht zu schreiben verstehe. Zu meiner Zeit unterrichtete man die Mädchen noch nicht so fein und zierlich. Wir wuchsen auf wie die jungen Frösche.

Ich frage, was dies Zeichen bedeutet? rief die Schaffnerin mit einem strengen, durchdringenden Tone.

Schwesterchen, das Zeichen soll mich an einen Auftrag des Krämers Iwan Jwannewitsch erinnern. Er hat ein altes Bild, den heiligen Kirchenvater Ambrosius vorstellend, und er will daraus einen Napoleon machen, indem er verlangt, wir sollen einen kleinen dreieckigen Hut und eine Generalsuniform darüber malen. Ich sagte ihm, daß das sehr leicht ginge; nur der Heiligenschein müßte fort. Der gute Iwan Iwannewitsch, er hat dem fremden Kaiser sein ganzes Vermögen zu danken, denn während der großen Hafensperre schmuggelte er englische Waaren ein.

Die Schaffnerin gab die Liste zurück und ließ sich die eingekauften Vorräthe vorweisen. Die Nonnen ent-

noch ein Familien-Obras bestellen werden, daß er aber verlange, man solle es nicht so schwarz machen, wie das letzte ihm eingelieferte. Schwarze Klexe könne Se. Excellenz selbst produciren; ich sagte, daß wir daran durchaus nicht zweifelten.

Die Schaffnerin hatte die Liste genommen und übersah sie ernst und prüfend. Was bedeutet dieses Zeichen unten? fragte sie nach einer Pause.

Dieses Zeichen hab' ich gemacht, verehrtes Schwesterchen, erwiderte die Gefragte. Du weißt, daß ich nicht zu schreiben verstehe. Zu meiner Zeit unterrichtete man die Mädchen noch nicht so fein und zierlich. Wir wuchsen auf wie die jungen Frösche.

Ich frage, was dies Zeichen bedeutet? rief die Schaffnerin mit einem strengen, durchdringenden Tone.

Schwesterchen, das Zeichen soll mich an einen Auftrag des Krämers Iwan Jwannewitsch erinnern. Er hat ein altes Bild, den heiligen Kirchenvater Ambrosius vorstellend, und er will daraus einen Napoleon machen, indem er verlangt, wir sollen einen kleinen dreieckigen Hut und eine Generalsuniform darüber malen. Ich sagte ihm, daß das sehr leicht ginge; nur der Heiligenschein müßte fort. Der gute Iwan Iwannewitsch, er hat dem fremden Kaiser sein ganzes Vermögen zu danken, denn während der großen Hafensperre schmuggelte er englische Waaren ein.

Die Schaffnerin gab die Liste zurück und ließ sich die eingekauften Vorräthe vorweisen. Die Nonnen ent-

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[0035] noch ein Familien-Obras bestellen werden, daß er aber verlange, man solle es nicht so schwarz machen, wie das letzte ihm eingelieferte. Schwarze Klexe könne Se. Excellenz selbst produciren; ich sagte, daß wir daran durchaus nicht zweifelten. Die Schaffnerin hatte die Liste genommen und übersah sie ernst und prüfend. Was bedeutet dieses Zeichen unten? fragte sie nach einer Pause. Dieses Zeichen hab' ich gemacht, verehrtes Schwesterchen, erwiderte die Gefragte. Du weißt, daß ich nicht zu schreiben verstehe. Zu meiner Zeit unterrichtete man die Mädchen noch nicht so fein und zierlich. Wir wuchsen auf wie die jungen Frösche. Ich frage, was dies Zeichen bedeutet? rief die Schaffnerin mit einem strengen, durchdringenden Tone. Schwesterchen, das Zeichen soll mich an einen Auftrag des Krämers Iwan Jwannewitsch erinnern. Er hat ein altes Bild, den heiligen Kirchenvater Ambrosius vorstellend, und er will daraus einen Napoleon machen, indem er verlangt, wir sollen einen kleinen dreieckigen Hut und eine Generalsuniform darüber malen. Ich sagte ihm, daß das sehr leicht ginge; nur der Heiligenschein müßte fort. Der gute Iwan Iwannewitsch, er hat dem fremden Kaiser sein ganzes Vermögen zu danken, denn während der großen Hafensperre schmuggelte er englische Waaren ein. Die Schaffnerin gab die Liste zurück und ließ sich die eingekauften Vorräthe vorweisen. Die Nonnen ent-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:43:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:43:38Z)

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Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/35>, abgerufen am 27.04.2024.