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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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der äußern Empfindungen.
Speise; sondern der durch sie erregten Einbildung. Wenn
wir einen Stein auf uns zufliegen sehen, so weichen wir
ihm aus, und dieß ist keine unmittelbare Seelenwirkung
in die Muskeln von dem Anblicke (der äußern Empfindung)
des Steins; sondern einer Verabscheuung der uns drohen-
den Gefahr, welche dieser Anblick veranlasset hat. Sol-
cher Fälle giebt es unzählige, und wenn wir nun diese mit
jenen §. 182. zusammennehmen, so findet sichs, daß wir
die meisten mit den äußern Empfindungen verbundenen thie-
rischen Bewegungen in den mechanischen Maschinen fälsch-
lich für unmittelbare Seelenwirkungen derselben in sie hal-
ten, da sie doch entweder zugleich, oder gar nur bloße Ner-
venwirkungen, §. 182. 183. oder Seelenwirkungen andrer
Kräfte der Seele sind, die blos durch die äußern Empfin-
dungen in Wirkung gesetzet werden. (Vergl. §. 219. u. ff.)

§. 186.

Jnzwischen versteht es sich, daß man unter diese an-
dern von äußern Empfindungen veranlaßten Vorstellungen,
deren Seelenwirkungen in die Maschinen wir so oft mit de-
nen, den äußern Empfindungen eignen verwechseln, §. 182.
keinesweges diejenigen innern Empfindungen der Seele von
Lust und Unlust, die ihr die äußern Empfindungen geben,
(die Lust und Unlust der Sinne, §. 80.) mitrechnen müsse,
da diese Lust und Unlust nur Beschaffenheiten in den äußern
Empfindungen der Seele selbst, nicht aber andre durch sie
nur veranlaßte Vorstellungen sind, §. 80. und also ihre
Seelenwirkungen zu den unmittelbaren Seelenwirkungen
der äußern Empfindungen gehören, §. 98. auch sich auf
keine andre Nerven unmittelbar erstrecken, als die das An-
genehme oder Widrige empfinden. §. 124. Da aber die
verschiedenen Beschaffenheiten angenehmer und widriger
äußerlicher Empfindungen auch beyderley äußere Empfin-
dungen zu verschiedenen Vorstellungen machen, die ver-
schiedene materielle Empfindungen im Gehirne, §. 80. mit-
hin auch verschiedene äußerliche sinnliche Eindrücke in die

Nerven
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der aͤußern Empfindungen.
Speiſe; ſondern der durch ſie erregten Einbildung. Wenn
wir einen Stein auf uns zufliegen ſehen, ſo weichen wir
ihm aus, und dieß iſt keine unmittelbare Seelenwirkung
in die Muskeln von dem Anblicke (der aͤußern Empfindung)
des Steins; ſondern einer Verabſcheuung der uns drohen-
den Gefahr, welche dieſer Anblick veranlaſſet hat. Sol-
cher Faͤlle giebt es unzaͤhlige, und wenn wir nun dieſe mit
jenen §. 182. zuſammennehmen, ſo findet ſichs, daß wir
die meiſten mit den aͤußern Empfindungen verbundenen thie-
riſchen Bewegungen in den mechaniſchen Maſchinen faͤlſch-
lich fuͤr unmittelbare Seelenwirkungen derſelben in ſie hal-
ten, da ſie doch entweder zugleich, oder gar nur bloße Ner-
venwirkungen, §. 182. 183. oder Seelenwirkungen andrer
Kraͤfte der Seele ſind, die blos durch die aͤußern Empfin-
dungen in Wirkung geſetzet werden. (Vergl. §. 219. u. ff.)

§. 186.

Jnzwiſchen verſteht es ſich, daß man unter dieſe an-
dern von aͤußern Empfindungen veranlaßten Vorſtellungen,
deren Seelenwirkungen in die Maſchinen wir ſo oft mit de-
nen, den aͤußern Empfindungen eignen verwechſeln, §. 182.
keinesweges diejenigen innern Empfindungen der Seele von
Luſt und Unluſt, die ihr die aͤußern Empfindungen geben,
(die Luſt und Unluſt der Sinne, §. 80.) mitrechnen muͤſſe,
da dieſe Luſt und Unluſt nur Beſchaffenheiten in den aͤußern
Empfindungen der Seele ſelbſt, nicht aber andre durch ſie
nur veranlaßte Vorſtellungen ſind, §. 80. und alſo ihre
Seelenwirkungen zu den unmittelbaren Seelenwirkungen
der aͤußern Empfindungen gehoͤren, §. 98. auch ſich auf
keine andre Nerven unmittelbar erſtrecken, als die das An-
genehme oder Widrige empfinden. §. 124. Da aber die
verſchiedenen Beſchaffenheiten angenehmer und widriger
aͤußerlicher Empfindungen auch beyderley aͤußere Empfin-
dungen zu verſchiedenen Vorſtellungen machen, die ver-
ſchiedene materielle Empfindungen im Gehirne, §. 80. mit-
hin auch verſchiedene aͤußerliche ſinnliche Eindruͤcke in die

Nerven
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[183/0207] der aͤußern Empfindungen. Speiſe; ſondern der durch ſie erregten Einbildung. Wenn wir einen Stein auf uns zufliegen ſehen, ſo weichen wir ihm aus, und dieß iſt keine unmittelbare Seelenwirkung in die Muskeln von dem Anblicke (der aͤußern Empfindung) des Steins; ſondern einer Verabſcheuung der uns drohen- den Gefahr, welche dieſer Anblick veranlaſſet hat. Sol- cher Faͤlle giebt es unzaͤhlige, und wenn wir nun dieſe mit jenen §. 182. zuſammennehmen, ſo findet ſichs, daß wir die meiſten mit den aͤußern Empfindungen verbundenen thie- riſchen Bewegungen in den mechaniſchen Maſchinen faͤlſch- lich fuͤr unmittelbare Seelenwirkungen derſelben in ſie hal- ten, da ſie doch entweder zugleich, oder gar nur bloße Ner- venwirkungen, §. 182. 183. oder Seelenwirkungen andrer Kraͤfte der Seele ſind, die blos durch die aͤußern Empfin- dungen in Wirkung geſetzet werden. (Vergl. §. 219. u. ff.) §. 186. Jnzwiſchen verſteht es ſich, daß man unter dieſe an- dern von aͤußern Empfindungen veranlaßten Vorſtellungen, deren Seelenwirkungen in die Maſchinen wir ſo oft mit de- nen, den aͤußern Empfindungen eignen verwechſeln, §. 182. keinesweges diejenigen innern Empfindungen der Seele von Luſt und Unluſt, die ihr die aͤußern Empfindungen geben, (die Luſt und Unluſt der Sinne, §. 80.) mitrechnen muͤſſe, da dieſe Luſt und Unluſt nur Beſchaffenheiten in den aͤußern Empfindungen der Seele ſelbſt, nicht aber andre durch ſie nur veranlaßte Vorſtellungen ſind, §. 80. und alſo ihre Seelenwirkungen zu den unmittelbaren Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen gehoͤren, §. 98. auch ſich auf keine andre Nerven unmittelbar erſtrecken, als die das An- genehme oder Widrige empfinden. §. 124. Da aber die verſchiedenen Beſchaffenheiten angenehmer und widriger aͤußerlicher Empfindungen auch beyderley aͤußere Empfin- dungen zu verſchiedenen Vorſtellungen machen, die ver- ſchiedene materielle Empfindungen im Gehirne, §. 80. mit- hin auch verſchiedene aͤußerliche ſinnliche Eindruͤcke in die Nerven M 4

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/207>, abgerufen am 29.04.2024.