Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Jnfluxionisten. Das heist, die Mechanisten su-
chen alle Veränderungen des Körpers blos aus
seiner Struktur herzuleiten: Da hingegen die
Organisten, nemlich die so genannten Artzney-
verständigen, glauben daß die Sele die Ver-
änderungen des Körpers würcke. Die letztern
glauben theils, sie würcke alle Veränderungen
im Körper: allein deshalb behaupten sie nicht,
daß der Körper hinwiederum alle Vorstellun-
gen in der Sele würckte, sondern sie rechnen
dahin nur einige: theils glauben sie dieses nur
von einigen Bewegungen im Körper. Die
erstern nennen sich eigentlich Organisten:
Allein man leget ihnen auch den Nahmen derer
Stahlianer bey: weil der grosse und berühm-
te Herr Hofrath Stahl diese Lehre zuerst aus-
gebreitet. Man sieht daher ohne mein Erin-
nern, daß ich nicht werde unterlassen können,
etwas von meiner Profeßion in diese Gedancken
mit einzumischen: zumal da ich bey einer so
guten Gelegenheit ein Mittel gefunden zu ha-
ben glaube, manche Stücke genauer in denen
verschiedenen Meinungen derer Artzneygelehr-
ten bestimmen zu können, welches, da es bis-
her, auf der Seite die ich ergreifen werde, nicht
ofte genug geschehen zu seyn scheinet, gemacht
hat, daß man viele Spöttereyen und Lästerun-
gen erdacht hat, welche vielleicht alle ietzo noch
in das Reich der blossen Möglichkeiten gehör-
ten, wenn man die Meinung eines ieden recht
eingenommen hätte. Jndessen will ich ietzo

noch
D 4

Jnfluxioniſten. Das heiſt, die Mechaniſten ſu-
chen alle Veraͤnderungen des Koͤrpers blos aus
ſeiner Struktur herzuleiten: Da hingegen die
Organiſten, nemlich die ſo genannten Artzney-
verſtaͤndigen, glauben daß die Sele die Ver-
aͤnderungen des Koͤrpers wuͤrcke. Die letztern
glauben theils, ſie wuͤrcke alle Veraͤnderungen
im Koͤrper: allein deshalb behaupten ſie nicht,
daß der Koͤrper hinwiederum alle Vorſtellun-
gen in der Sele wuͤrckte, ſondern ſie rechnen
dahin nur einige: theils glauben ſie dieſes nur
von einigen Bewegungen im Koͤrper. Die
erſtern nennen ſich eigentlich Organiſten:
Allein man leget ihnen auch den Nahmen derer
Stahlianer bey: weil der groſſe und beruͤhm-
te Herr Hofrath Stahl dieſe Lehre zuerſt aus-
gebreitet. Man ſieht daher ohne mein Erin-
nern, daß ich nicht werde unterlaſſen koͤnnen,
etwas von meiner Profeßion in dieſe Gedancken
mit einzumiſchen: zumal da ich bey einer ſo
guten Gelegenheit ein Mittel gefunden zu ha-
ben glaube, manche Stuͤcke genauer in denen
verſchiedenen Meinungen derer Artzneygelehr-
ten beſtimmen zu koͤnnen, welches, da es bis-
her, auf der Seite die ich ergreifen werde, nicht
ofte genug geſchehen zu ſeyn ſcheinet, gemacht
hat, daß man viele Spoͤttereyen und Laͤſterun-
gen erdacht hat, welche vielleicht alle ietzo noch
in das Reich der bloſſen Moͤglichkeiten gehoͤr-
ten, wenn man die Meinung eines ieden recht
eingenommen haͤtte. Jndeſſen will ich ietzo

noch
D 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0059" n="29"/>
Jnfluxioni&#x017F;ten. Das hei&#x017F;t, die Mechani&#x017F;ten &#x017F;u-<lb/>
chen alle Vera&#x0364;nderungen des Ko&#x0364;rpers blos aus<lb/>
&#x017F;einer Struktur herzuleiten: Da hingegen die<lb/>
Organi&#x017F;ten, nemlich die &#x017F;o genannten Artzney-<lb/>
ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen, glauben daß die Sele die Ver-<lb/>
a&#x0364;nderungen des Ko&#x0364;rpers wu&#x0364;rcke. Die letztern<lb/>
glauben theils, &#x017F;ie wu&#x0364;rcke alle Vera&#x0364;nderungen<lb/>
im Ko&#x0364;rper: allein deshalb behaupten &#x017F;ie nicht,<lb/>
daß der Ko&#x0364;rper hinwiederum alle Vor&#x017F;tellun-<lb/>
gen in der Sele wu&#x0364;rckte, &#x017F;ondern &#x017F;ie rechnen<lb/>
dahin nur einige: theils glauben &#x017F;ie die&#x017F;es nur<lb/>
von einigen Bewegungen im Ko&#x0364;rper. Die<lb/>
er&#x017F;tern nennen &#x017F;ich eigentlich <hi rendition="#fr">Organi&#x017F;ten:</hi><lb/>
Allein man leget ihnen auch den Nahmen derer<lb/><hi rendition="#fr">Stahlianer</hi> bey: weil der gro&#x017F;&#x017F;e und beru&#x0364;hm-<lb/>
te Herr Hofrath <hi rendition="#fr">Stahl</hi> die&#x017F;e Lehre zuer&#x017F;t aus-<lb/>
gebreitet. Man &#x017F;ieht daher ohne mein Erin-<lb/>
nern, daß ich nicht werde unterla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen,<lb/>
etwas von meiner Profeßion in die&#x017F;e Gedancken<lb/>
mit einzumi&#x017F;chen: zumal da ich bey einer &#x017F;o<lb/>
guten Gelegenheit ein Mittel gefunden zu ha-<lb/>
ben glaube, manche Stu&#x0364;cke genauer in denen<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Meinungen derer Artzneygelehr-<lb/>
ten be&#x017F;timmen zu ko&#x0364;nnen, welches, da es bis-<lb/>
her, auf der Seite die ich ergreifen werde, nicht<lb/>
ofte genug ge&#x017F;chehen zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinet, gemacht<lb/>
hat, daß man viele Spo&#x0364;ttereyen und La&#x0364;&#x017F;terun-<lb/>
gen erdacht hat, welche vielleicht alle ietzo noch<lb/>
in das Reich der blo&#x017F;&#x017F;en Mo&#x0364;glichkeiten geho&#x0364;r-<lb/>
ten, wenn man die Meinung eines ieden recht<lb/>
eingenommen ha&#x0364;tte. Jnde&#x017F;&#x017F;en will ich ietzo<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 4</fw><fw place="bottom" type="catch">noch</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0059] Jnfluxioniſten. Das heiſt, die Mechaniſten ſu- chen alle Veraͤnderungen des Koͤrpers blos aus ſeiner Struktur herzuleiten: Da hingegen die Organiſten, nemlich die ſo genannten Artzney- verſtaͤndigen, glauben daß die Sele die Ver- aͤnderungen des Koͤrpers wuͤrcke. Die letztern glauben theils, ſie wuͤrcke alle Veraͤnderungen im Koͤrper: allein deshalb behaupten ſie nicht, daß der Koͤrper hinwiederum alle Vorſtellun- gen in der Sele wuͤrckte, ſondern ſie rechnen dahin nur einige: theils glauben ſie dieſes nur von einigen Bewegungen im Koͤrper. Die erſtern nennen ſich eigentlich Organiſten: Allein man leget ihnen auch den Nahmen derer Stahlianer bey: weil der groſſe und beruͤhm- te Herr Hofrath Stahl dieſe Lehre zuerſt aus- gebreitet. Man ſieht daher ohne mein Erin- nern, daß ich nicht werde unterlaſſen koͤnnen, etwas von meiner Profeßion in dieſe Gedancken mit einzumiſchen: zumal da ich bey einer ſo guten Gelegenheit ein Mittel gefunden zu ha- ben glaube, manche Stuͤcke genauer in denen verſchiedenen Meinungen derer Artzneygelehr- ten beſtimmen zu koͤnnen, welches, da es bis- her, auf der Seite die ich ergreifen werde, nicht ofte genug geſchehen zu ſeyn ſcheinet, gemacht hat, daß man viele Spoͤttereyen und Laͤſterun- gen erdacht hat, welche vielleicht alle ietzo noch in das Reich der bloſſen Moͤglichkeiten gehoͤr- ten, wenn man die Meinung eines ieden recht eingenommen haͤtte. Jndeſſen will ich ietzo noch D 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/59
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/59>, abgerufen am 29.04.2024.