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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Viertes Buch.


Die Grotte der Nacht.
Wohin wird mein Gesang verschlagen?
Der Ocean ist voller Glut:
Denn Titan kommt; sein strahlenreicher Wagen
Schwebt feurig über blauer Fluth:
Jndessen auf bethauten Schwingen
Die braune Nacht entlassen flieht,
Und Nymphen sie zu ihrer Grotte bringen,
Die kein unheilig Auge sieht.
Wird meinem Blick im tiefsten Meere
Dort ihre Herrschaft aufgethan?
Es trennen sich erschrockner Schatten Heere;
Sie machen mir entfliehend Bahn.
O Ruh! o welch ein heilig Schweigen
Beherrscht ihr schattigtes Revier!
Kein Vogel schwatzt auf düstrer Ulmen Zweigen;
Der muntre West entschlummert hier.
Ein zitternd Schimmern bleicher Kerzen
Erleuchtet ihren dunkeln Sitz,
Wo rings umher die leichten Träume scherzen,
Geflügelt, wie der schnelle Blitz.
Von
J
Viertes Buch.


Die Grotte der Nacht.
Wohin wird mein Geſang verſchlagen?
Der Ocean iſt voller Glut:
Denn Titan kommt; ſein ſtrahlenreicher Wagen
Schwebt feurig uͤber blauer Fluth:
Jndeſſen auf bethauten Schwingen
Die braune Nacht entlaſſen flieht,
Und Nymphen ſie zu ihrer Grotte bringen,
Die kein unheilig Auge ſieht.
Wird meinem Blick im tiefſten Meere
Dort ihre Herrſchaft aufgethan?
Es trennen ſich erſchrockner Schatten Heere;
Sie machen mir entfliehend Bahn.
O Ruh! o welch ein heilig Schweigen
Beherrſcht ihr ſchattigtes Revier!
Kein Vogel ſchwatzt auf duͤſtrer Ulmen Zweigen;
Der muntre Weſt entſchlummert hier.
Ein zitternd Schimmern bleicher Kerzen
Erleuchtet ihren dunkeln Sitz,
Wo rings umher die leichten Traͤume ſcherzen,
Gefluͤgelt, wie der ſchnelle Blitz.
Von
J
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[129/0143] Viertes Buch. Die Grotte der Nacht. Wohin wird mein Geſang verſchlagen? Der Ocean iſt voller Glut: Denn Titan kommt; ſein ſtrahlenreicher Wagen Schwebt feurig uͤber blauer Fluth: Jndeſſen auf bethauten Schwingen Die braune Nacht entlaſſen flieht, Und Nymphen ſie zu ihrer Grotte bringen, Die kein unheilig Auge ſieht. Wird meinem Blick im tiefſten Meere Dort ihre Herrſchaft aufgethan? Es trennen ſich erſchrockner Schatten Heere; Sie machen mir entfliehend Bahn. O Ruh! o welch ein heilig Schweigen Beherrſcht ihr ſchattigtes Revier! Kein Vogel ſchwatzt auf duͤſtrer Ulmen Zweigen; Der muntre Weſt entſchlummert hier. Ein zitternd Schimmern bleicher Kerzen Erleuchtet ihren dunkeln Sitz, Wo rings umher die leichten Traͤume ſcherzen, Gefluͤgelt, wie der ſchnelle Blitz. Von J

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/143>, abgerufen am 14.05.2024.