Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
Briefe.
Und wenn ich noch so gerne wollte,
Und als ein Weiser sollte.
Denn wider ein geliebt Gesicht
Und eine schöne Brust hilft alle Weisheit nicht.
Doch schwör ich bey dem weisen Bart
Des ersten Stoickers, des Mannes meiner Art:
Jch schwör, und, o verzeiht, ihr Mädchen! daß ich
schwöre;
Mein Schwur gereichet euch zur Ehre:
Nie will ich euch sehr nahe seyn;
Nie will ich bey vergnügten Wein,
Wie, leider! sonst geschehn, leichtsinnig euch besin-
gen.
Soll meine Leyer ja von eurem Reiz erklingen:
So mach ich mich dazu mit Fasten erst bereit,
Und singe fern von euch und voller Schüchternheit.
Denn o! ich seh es und mit Schmerzen:
Es läßt mit Mädchen sich nicht scherzen.

Das müssen herrliche Lieder werden, die ich nach diesem
Plane singe. Ob sie jemand lesen werde, das ist eine
andere Frage. Sie werden eine ganz neue Gattung der
Lieder ausmachen, oder doch unmittelbar auf die feyerli-
chen Gesänge der platonischen Liebhaber folgen, um die
es immer so finster und melancholisch aussieht. Sie ha-
ben, wenn man ihren hohen Worten glaubt, kein grös-
sers Vergnügen, als ihre Thränen; und würden zeitle-
bens Thoren geblieben seyn, wenn sie nicht zu gutem

Glü-
Briefe.
Und wenn ich noch ſo gerne wollte,
Und als ein Weiſer ſollte.
Denn wider ein geliebt Geſicht
Und eine ſchoͤne Bruſt hilft alle Weisheit nicht.
Doch ſchwoͤr ich bey dem weiſen Bart
Des erſten Stoickers, des Mannes meiner Art:
Jch ſchwoͤr, und, o verzeiht, ihr Maͤdchen! daß ich
ſchwoͤre;
Mein Schwur gereichet euch zur Ehre:
Nie will ich euch ſehr nahe ſeyn;
Nie will ich bey vergnuͤgten Wein,
Wie, leider! ſonſt geſchehn, leichtſinnig euch beſin-
gen.
Soll meine Leyer ja von eurem Reiz erklingen:
So mach ich mich dazu mit Faſten erſt bereit,
Und ſinge fern von euch und voller Schuͤchternheit.
Denn o! ich ſeh es und mit Schmerzen:
Es laͤßt mit Maͤdchen ſich nicht ſcherzen.

Das muͤſſen herrliche Lieder werden, die ich nach dieſem
Plane ſinge. Ob ſie jemand leſen werde, das iſt eine
andere Frage. Sie werden eine ganz neue Gattung der
Lieder ausmachen, oder doch unmittelbar auf die feyerli-
chen Geſaͤnge der platoniſchen Liebhaber folgen, um die
es immer ſo finſter und melancholiſch ausſieht. Sie ha-
ben, wenn man ihren hohen Worten glaubt, kein groͤſ-
ſers Vergnuͤgen, als ihre Thraͤnen; und wuͤrden zeitle-
bens Thoren geblieben ſeyn, wenn ſie nicht zu gutem

Gluͤ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0238" n="224"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Briefe.</hi> </fw><lb/>
            <l>Und wenn ich noch &#x017F;o gerne wollte,</l><lb/>
            <l>Und als ein Wei&#x017F;er &#x017F;ollte.</l><lb/>
            <l>Denn wider ein geliebt Ge&#x017F;icht</l><lb/>
            <l>Und eine &#x017F;cho&#x0364;ne Bru&#x017F;t hilft alle Weisheit nicht.</l><lb/>
            <l>Doch &#x017F;chwo&#x0364;r ich bey dem wei&#x017F;en Bart</l><lb/>
            <l>Des er&#x017F;ten Stoickers, des Mannes meiner Art:</l><lb/>
            <l>Jch &#x017F;chwo&#x0364;r, und, o verzeiht, ihr Ma&#x0364;dchen! daß ich</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chwo&#x0364;re;</hi> </l><lb/>
            <l>Mein Schwur gereichet euch zur Ehre:</l><lb/>
            <l>Nie will ich euch &#x017F;ehr nahe &#x017F;eyn;</l><lb/>
            <l>Nie will ich bey vergnu&#x0364;gten Wein,</l><lb/>
            <l>Wie, leider! &#x017F;on&#x017F;t ge&#x017F;chehn, leicht&#x017F;innig euch be&#x017F;in-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">gen.</hi> </l><lb/>
            <l>Soll meine Leyer ja von eurem Reiz erklingen:</l><lb/>
            <l>So mach ich mich dazu mit Fa&#x017F;ten er&#x017F;t bereit,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;inge fern von euch und voller Schu&#x0364;chternheit.</l><lb/>
            <l>Denn o! ich &#x017F;eh es und mit Schmerzen:</l><lb/>
            <l>Es la&#x0364;ßt mit Ma&#x0364;dchen &#x017F;ich nicht &#x017F;cherzen.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Das mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en herrliche Lieder werden, die ich nach die&#x017F;em<lb/>
Plane &#x017F;inge. Ob &#x017F;ie jemand le&#x017F;en werde, das i&#x017F;t eine<lb/>
andere Frage. Sie werden eine ganz neue Gattung der<lb/>
Lieder ausmachen, oder doch unmittelbar auf die feyerli-<lb/>
chen Ge&#x017F;a&#x0364;nge der platoni&#x017F;chen Liebhaber folgen, um die<lb/>
es immer &#x017F;o fin&#x017F;ter und melancholi&#x017F;ch aus&#x017F;ieht. Sie ha-<lb/>
ben, wenn man ihren hohen Worten glaubt, kein gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ers Vergnu&#x0364;gen, als ihre Thra&#x0364;nen; und wu&#x0364;rden zeitle-<lb/>
bens Thoren geblieben &#x017F;eyn, wenn &#x017F;ie nicht zu gutem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Glu&#x0364;-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0238] Briefe. Und wenn ich noch ſo gerne wollte, Und als ein Weiſer ſollte. Denn wider ein geliebt Geſicht Und eine ſchoͤne Bruſt hilft alle Weisheit nicht. Doch ſchwoͤr ich bey dem weiſen Bart Des erſten Stoickers, des Mannes meiner Art: Jch ſchwoͤr, und, o verzeiht, ihr Maͤdchen! daß ich ſchwoͤre; Mein Schwur gereichet euch zur Ehre: Nie will ich euch ſehr nahe ſeyn; Nie will ich bey vergnuͤgten Wein, Wie, leider! ſonſt geſchehn, leichtſinnig euch beſin- gen. Soll meine Leyer ja von eurem Reiz erklingen: So mach ich mich dazu mit Faſten erſt bereit, Und ſinge fern von euch und voller Schuͤchternheit. Denn o! ich ſeh es und mit Schmerzen: Es laͤßt mit Maͤdchen ſich nicht ſcherzen. Das muͤſſen herrliche Lieder werden, die ich nach dieſem Plane ſinge. Ob ſie jemand leſen werde, das iſt eine andere Frage. Sie werden eine ganz neue Gattung der Lieder ausmachen, oder doch unmittelbar auf die feyerli- chen Geſaͤnge der platoniſchen Liebhaber folgen, um die es immer ſo finſter und melancholiſch ausſieht. Sie ha- ben, wenn man ihren hohen Worten glaubt, kein groͤſ- ſers Vergnuͤgen, als ihre Thraͤnen; und wuͤrden zeitle- bens Thoren geblieben ſeyn, wenn ſie nicht zu gutem Gluͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/238
Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/238>, abgerufen am 15.05.2024.