Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
Briefe.
Steigt soviel Weihrauch auf aus hundert Opferschaalen,
Daß dicker Wolken Dampf die alten Dichter deckt,
Verdunkelt, aber nicht befleckt:
Sie werden ewig schön mit reinem Glanze strahlen.

Jmmittelst näherte sich mir eine Weibsperson von ernst-
haftem, strengem Ansehen, und mit einem blendend weis-
sen Kleid angethan. Sie redete mich liebreich an. Jch
habe mit Vergnügen gesehen, waren ihre Worte, auf
welche dieser heiligen Denkmaale deine vorzügliche Auf-
merksamkeit gefallen ist. (*) Jch billige deine Wahl,
welche von den herrschenden Vorurtheilen dieser Zeit nicht
hingerissen worden. Jch selbst will dich durch dieses
Heiligthum begleiten: ich will dir die Vornehmsten dei-
nes Volkes zeigen, die, nebst andern, auf dem von Opitz
gebahnten Wege beharret, und sich eine Stelle bey den
Lieblingen der Musen erworben haben.

Sieh! Opitz steht voran: Sein Geist kennt keine
Schranken:
Natur ist, was er denkt, und was er schreibt, Gedan-
ken:
Er sang, unsterblicher Gesang!
Beseelt von einem sanften Feuer,
Noch rauh, doch männlich schön, in seine neue Leyer:
Da
(*) Ils se moquent de moi qui plein de ma lecture,
Vais par-tout prechant l'art de la simple Nature.
Malheureux, je m'attache a ce goaut ancien.
Oeuvres divers. de Mr. de la Fontaine T. I.
Briefe.
Steigt ſoviel Weihrauch auf aus hundert Opferſchaalen,
Daß dicker Wolken Dampf die alten Dichter deckt,
Verdunkelt, aber nicht befleckt:
Sie werden ewig ſchoͤn mit reinem Glanze ſtrahlen.

Jmmittelſt naͤherte ſich mir eine Weibsperſon von ernſt-
haftem, ſtrengem Anſehen, und mit einem blendend weis-
ſen Kleid angethan. Sie redete mich liebreich an. Jch
habe mit Vergnuͤgen geſehen, waren ihre Worte, auf
welche dieſer heiligen Denkmaale deine vorzuͤgliche Auf-
merkſamkeit gefallen iſt. (*) Jch billige deine Wahl,
welche von den herrſchenden Vorurtheilen dieſer Zeit nicht
hingeriſſen worden. Jch ſelbſt will dich durch dieſes
Heiligthum begleiten: ich will dir die Vornehmſten dei-
nes Volkes zeigen, die, nebſt andern, auf dem von Opitz
gebahnten Wege beharret, und ſich eine Stelle bey den
Lieblingen der Muſen erworben haben.

Sieh! Opitz ſteht voran: Sein Geiſt kennt keine
Schranken:
Natur iſt, was er denkt, und was er ſchreibt, Gedan-
ken:
Er ſang, unſterblicher Geſang!
Beſeelt von einem ſanften Feuer,
Noch rauh, doch maͤnnlich ſchoͤn, in ſeine neue Leyer:
Da
(*) Ils ſe moquent de moi qui plein de ma lecture,
Vais par-tout prechant l’art de la ſimple Nature.
Malheureux, je m’attache à ce goût ancien.
Oeuvres divers. de Mr. de la Fontaine T. I.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0252" n="238"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Briefe.</hi> </fw><lb/>
            <l>Steigt &#x017F;oviel Weihrauch auf aus hundert Opfer&#x017F;chaalen,</l><lb/>
            <l>Daß dicker Wolken Dampf die alten Dichter deckt,</l><lb/>
            <l>Verdunkelt, aber nicht befleckt:</l><lb/>
            <l>Sie werden ewig &#x017F;cho&#x0364;n mit reinem Glanze &#x017F;trahlen.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Jmmittel&#x017F;t na&#x0364;herte &#x017F;ich mir eine Weibsper&#x017F;on von ern&#x017F;t-<lb/>
haftem, &#x017F;trengem An&#x017F;ehen, und mit einem blendend weis-<lb/>
&#x017F;en Kleid angethan. Sie redete mich liebreich an. Jch<lb/>
habe mit Vergnu&#x0364;gen ge&#x017F;ehen, waren ihre Worte, auf<lb/>
welche die&#x017F;er heiligen Denkmaale deine vorzu&#x0364;gliche Auf-<lb/>
merk&#x017F;amkeit gefallen i&#x017F;t. <note place="foot" n="(*)"><hi rendition="#aq">Ils &#x017F;e moquent de moi qui plein de ma lecture,<lb/>
Vais par-tout prechant l&#x2019;art de la &#x017F;imple Nature.<lb/>
Malheureux, je m&#x2019;attache à ce goût ancien.<lb/><hi rendition="#et">Oeuvres divers. de Mr. de la Fontaine T. I.</hi></hi></note> Jch billige deine Wahl,<lb/>
welche von den herr&#x017F;chenden Vorurtheilen die&#x017F;er Zeit nicht<lb/>
hingeri&#x017F;&#x017F;en worden. Jch &#x017F;elb&#x017F;t will dich durch die&#x017F;es<lb/>
Heiligthum begleiten: ich will dir die Vornehm&#x017F;ten dei-<lb/>
nes Volkes zeigen, die, neb&#x017F;t andern, auf dem von Opitz<lb/>
gebahnten Wege beharret, und &#x017F;ich eine Stelle bey den<lb/>
Lieblingen der Mu&#x017F;en erworben haben.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Sieh! Opitz &#x017F;teht voran: Sein Gei&#x017F;t kennt keine</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Schranken:</hi> </l><lb/>
            <l>Natur i&#x017F;t, was er denkt, und was er &#x017F;chreibt, Gedan-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">ken:</hi> </l><lb/>
            <l>Er &#x017F;ang, un&#x017F;terblicher Ge&#x017F;ang!</l><lb/>
            <l>Be&#x017F;eelt von einem &#x017F;anften Feuer,</l><lb/>
            <l>Noch rauh, doch ma&#x0364;nnlich &#x017F;cho&#x0364;n, in &#x017F;eine neue Leyer:</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0252] Briefe. Steigt ſoviel Weihrauch auf aus hundert Opferſchaalen, Daß dicker Wolken Dampf die alten Dichter deckt, Verdunkelt, aber nicht befleckt: Sie werden ewig ſchoͤn mit reinem Glanze ſtrahlen. Jmmittelſt naͤherte ſich mir eine Weibsperſon von ernſt- haftem, ſtrengem Anſehen, und mit einem blendend weis- ſen Kleid angethan. Sie redete mich liebreich an. Jch habe mit Vergnuͤgen geſehen, waren ihre Worte, auf welche dieſer heiligen Denkmaale deine vorzuͤgliche Auf- merkſamkeit gefallen iſt. (*) Jch billige deine Wahl, welche von den herrſchenden Vorurtheilen dieſer Zeit nicht hingeriſſen worden. Jch ſelbſt will dich durch dieſes Heiligthum begleiten: ich will dir die Vornehmſten dei- nes Volkes zeigen, die, nebſt andern, auf dem von Opitz gebahnten Wege beharret, und ſich eine Stelle bey den Lieblingen der Muſen erworben haben. Sieh! Opitz ſteht voran: Sein Geiſt kennt keine Schranken: Natur iſt, was er denkt, und was er ſchreibt, Gedan- ken: Er ſang, unſterblicher Geſang! Beſeelt von einem ſanften Feuer, Noch rauh, doch maͤnnlich ſchoͤn, in ſeine neue Leyer: Da (*) Ils ſe moquent de moi qui plein de ma lecture, Vais par-tout prechant l’art de la ſimple Nature. Malheureux, je m’attache à ce goût ancien. Oeuvres divers. de Mr. de la Fontaine T. I.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/252
Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/252>, abgerufen am 15.05.2024.