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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Lyrische Gedichte


Die versöhnte Daphne.
Jm Schatten einer alten Eiche
Saß Daphne, da die Sonne wich;
Als in dem einsamen Gesträuche
Myrtill sich ihr zur Seite schlich.
Er will den Liljenhals umfassen,
Der seinen Küssen sich entzieht.
Nichts, leider! wird ihm zugelassen:
Sie rafft sich zornig auf und flieht.
Was wird von Schönen uns versaget,
Das kühne Schalkheit nicht erpresst?
Da Daphne flieht und fliehend klaget,
Hält ihr Myrtill sie schmeichlend fest.
Myrtill erzwingt von Daphnen Küsse,
Die ihre Hand nur schwach bekämpft:
Denn, ach! ein Kuß ist viel zu süsse!
Ein Kuß hat manchen Zwist gedämpft.
Sie schlägt die Augen schamroth nieder:
Das blöde Mädchen thut sich Zwang
Und eifert auf gewisse Lieder,
Die jüngst Myrtill der Chloe sang.
Doch,
Lyriſche Gedichte


Die verſoͤhnte Daphne.
Jm Schatten einer alten Eiche
Saß Daphne, da die Sonne wich;
Als in dem einſamen Geſtraͤuche
Myrtill ſich ihr zur Seite ſchlich.
Er will den Liljenhals umfaſſen,
Der ſeinen Kuͤſſen ſich entzieht.
Nichts, leider! wird ihm zugelaſſen:
Sie rafft ſich zornig auf und flieht.
Was wird von Schoͤnen uns verſaget,
Das kuͤhne Schalkheit nicht erpreſſt?
Da Daphne flieht und fliehend klaget,
Haͤlt ihr Myrtill ſie ſchmeichlend feſt.
Myrtill erzwingt von Daphnen Kuͤſſe,
Die ihre Hand nur ſchwach bekaͤmpft:
Denn, ach! ein Kuß iſt viel zu ſuͤſſe!
Ein Kuß hat manchen Zwiſt gedaͤmpft.
Sie ſchlaͤgt die Augen ſchamroth nieder:
Das bloͤde Maͤdchen thut ſich Zwang
Und eifert auf gewiſſe Lieder,
Die juͤngſt Myrtill der Chloe ſang.
Doch,
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[62/0076] Lyriſche Gedichte Die verſoͤhnte Daphne. Jm Schatten einer alten Eiche Saß Daphne, da die Sonne wich; Als in dem einſamen Geſtraͤuche Myrtill ſich ihr zur Seite ſchlich. Er will den Liljenhals umfaſſen, Der ſeinen Kuͤſſen ſich entzieht. Nichts, leider! wird ihm zugelaſſen: Sie rafft ſich zornig auf und flieht. Was wird von Schoͤnen uns verſaget, Das kuͤhne Schalkheit nicht erpreſſt? Da Daphne flieht und fliehend klaget, Haͤlt ihr Myrtill ſie ſchmeichlend feſt. Myrtill erzwingt von Daphnen Kuͤſſe, Die ihre Hand nur ſchwach bekaͤmpft: Denn, ach! ein Kuß iſt viel zu ſuͤſſe! Ein Kuß hat manchen Zwiſt gedaͤmpft. Sie ſchlaͤgt die Augen ſchamroth nieder: Das bloͤde Maͤdchen thut ſich Zwang Und eifert auf gewiſſe Lieder, Die juͤngſt Myrtill der Chloe ſang. Doch,

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/76>, abgerufen am 16.05.2024.