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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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II. Ueber kranke, durch Abortus abgegangene Eier.
anderen Ursachen abstirbt, die Eihäute dagegen in der Folge nicht
der Regel nach fortwachsen, sondern fortwuchern und so biswei-
len durch und durch veränderte Gebilde darstellen. Sucht man
nach allgemeinen Gesichtspunkten, an welche man sich in diesem
Labyrinthe von Erscheinungen zu halten hätte, so dürften sich
etwa folgende ergeben:

1. Wahre Missbildungen. Wiewohl bei dem ersten Blicke
diese die bei Weitem häufigsten zu seyn scheinen, so werden doch
die bei erster oberflächlicher Untersuchung hierher zu rechnenden
Fälle bei genauerer Prüfung unter die folgenden Rubriken zu
bringen seyn.

2. Krankhafte Zustände der Eitheile. Hier lassen sich, wie
es scheint, die vorkommenden Fälle auf zwei Hauptklassen redu-
ciren, nämlich:

a. Verdickung, besonders der Eihäute, so dass sie alle oder
theilweise eine mehr oder minder dichte, feste, blutreiche, fleischigte
Masse bilden, welche Ausdehnungen von Blutgefässen, Substanz-
wucherungen in Form von Knollen und dgl. enthält, und

b. Wasseransammlungen. Der niedrigste Grad dürften bla-
sige, mit Wasser gefüllte Ausdehnungen des Nabelstranges seyn.
Nächstdem finden sich Wasseransammlungen zwischen der Ober-
haut und dem Körper des Fötus, übermässig grosse Quantitäten
von Flüssigkeit in der Höhle des Amnion, zwischen Amnion und
Chorion u. dgl.

Nicht selten sieht man die äusseren Eihäute verdickt und
degenerirt, während in dem Innern Ansammlungen grosser Quan-
titäten von Flüssigkeit sich finden.

c. Veränderungen durch Zersetzung, Fäulniss, Auflösung
u. dgl. Diese treffen besonders den Embryo und erzeugen For-
men, die man nur zu leicht für wahre Monstra hält. Ja es fin-
den sich nicht selten Gestalten, über die zur Zeit ein sicheres
Urtheil noch nicht zu geben ist, da man den normalen frühesten
Zustand noch nicht bestimmt und allseitig genug kennt.

Eine weitere Ausführung des hier nur leise Angedeuteten s.
in dem von mir bearbeiteten Artikel Fötus in der Berliner Ency-
klopädie der medizinischen Wissenschaften. Es dürfte zu den
Seltenheiten gehören, wenn ein durch Abortus abgegangenes Ei
die eine oder die andere der genannten Abnormitäten nicht ent-
hielte oder noch neue Formen darböte. Das Ungenügende des-

II. Ueber kranke, durch Abortus abgegangene Eier.
anderen Ursachen abstirbt, die Eihäute dagegen in der Folge nicht
der Regel nach fortwachsen, sondern fortwuchern und so biswei-
len durch und durch veränderte Gebilde darstellen. Sucht man
nach allgemeinen Gesichtspunkten, an welche man sich in diesem
Labyrinthe von Erscheinungen zu halten hätte, so dürften sich
etwa folgende ergeben:

1. Wahre Miſsbildungen. Wiewohl bei dem ersten Blicke
diese die bei Weitem häufigsten zu seyn scheinen, so werden doch
die bei erster oberflächlicher Untersuchung hierher zu rechnenden
Fälle bei genauerer Prüfung unter die folgenden Rubriken zu
bringen seyn.

2. Krankhafte Zustände der Eitheile. Hier lassen sich, wie
es scheint, die vorkommenden Fälle auf zwei Hauptklassen redu-
ciren, nämlich:

a. Verdickung, besonders der Eihäute, so daſs sie alle oder
theilweise eine mehr oder minder dichte, feste, blutreiche, fleischigte
Masse bilden, welche Ausdehnungen von Blutgefäſsen, Substanz-
wucherungen in Form von Knollen und dgl. enthält, und

b. Wasseransammlungen. Der niedrigste Grad dürften bla-
sige, mit Wasser gefüllte Ausdehnungen des Nabelstranges seyn.
Nächstdem finden sich Wasseransammlungen zwischen der Ober-
haut und dem Körper des Fötus, übermäſsig groſse Quantitäten
von Flüssigkeit in der Höhle des Amnion, zwischen Amnion und
Chorion u. dgl.

Nicht selten sieht man die äuſseren Eihäute verdickt und
degenerirt, während in dem Innern Ansammlungen groſser Quan-
titäten von Flüssigkeit sich finden.

c. Veränderungen durch Zersetzung, Fäulniſs, Auflösung
u. dgl. Diese treffen besonders den Embryo und erzeugen For-
men, die man nur zu leicht für wahre Monstra hält. Ja es fin-
den sich nicht selten Gestalten, über die zur Zeit ein sicheres
Urtheil noch nicht zu geben ist, da man den normalen frühesten
Zustand noch nicht bestimmt und allseitig genug kennt.

Eine weitere Ausführung des hier nur leise Angedeuteten s.
in dem von mir bearbeiteten Artikel Fötus in der Berliner Ency-
klopädie der medizinischen Wissenschaften. Es dürfte zu den
Seltenheiten gehören, wenn ein durch Abortus abgegangenes Ei
die eine oder die andere der genannten Abnormitäten nicht ent-
hielte oder noch neue Formen darböte. Das Ungenügende des-

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[137/0165] II. Ueber kranke, durch Abortus abgegangene Eier. anderen Ursachen abstirbt, die Eihäute dagegen in der Folge nicht der Regel nach fortwachsen, sondern fortwuchern und so biswei- len durch und durch veränderte Gebilde darstellen. Sucht man nach allgemeinen Gesichtspunkten, an welche man sich in diesem Labyrinthe von Erscheinungen zu halten hätte, so dürften sich etwa folgende ergeben: 1. Wahre Miſsbildungen. Wiewohl bei dem ersten Blicke diese die bei Weitem häufigsten zu seyn scheinen, so werden doch die bei erster oberflächlicher Untersuchung hierher zu rechnenden Fälle bei genauerer Prüfung unter die folgenden Rubriken zu bringen seyn. 2. Krankhafte Zustände der Eitheile. Hier lassen sich, wie es scheint, die vorkommenden Fälle auf zwei Hauptklassen redu- ciren, nämlich: a. Verdickung, besonders der Eihäute, so daſs sie alle oder theilweise eine mehr oder minder dichte, feste, blutreiche, fleischigte Masse bilden, welche Ausdehnungen von Blutgefäſsen, Substanz- wucherungen in Form von Knollen und dgl. enthält, und b. Wasseransammlungen. Der niedrigste Grad dürften bla- sige, mit Wasser gefüllte Ausdehnungen des Nabelstranges seyn. Nächstdem finden sich Wasseransammlungen zwischen der Ober- haut und dem Körper des Fötus, übermäſsig groſse Quantitäten von Flüssigkeit in der Höhle des Amnion, zwischen Amnion und Chorion u. dgl. Nicht selten sieht man die äuſseren Eihäute verdickt und degenerirt, während in dem Innern Ansammlungen groſser Quan- titäten von Flüssigkeit sich finden. c. Veränderungen durch Zersetzung, Fäulniſs, Auflösung u. dgl. Diese treffen besonders den Embryo und erzeugen For- men, die man nur zu leicht für wahre Monstra hält. Ja es fin- den sich nicht selten Gestalten, über die zur Zeit ein sicheres Urtheil noch nicht zu geben ist, da man den normalen frühesten Zustand noch nicht bestimmt und allseitig genug kennt. Eine weitere Ausführung des hier nur leise Angedeuteten s. in dem von mir bearbeiteten Artikel Fötus in der Berliner Ency- klopädie der medizinischen Wissenschaften. Es dürfte zu den Seltenheiten gehören, wenn ein durch Abortus abgegangenes Ei die eine oder die andere der genannten Abnormitäten nicht ent- hielte oder noch neue Formen darböte. Das Ungenügende des-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/165>, abgerufen am 02.05.2024.