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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Körpergefässe. Herz.
Z. Die Breite der ersteren verhält sich also zu der der letzte-
ren wie 1:4,5. 3. Schon beim ersten Anblick weichen die Mus-
kelfäden des Herzens von denen der willkührlichen Muskeln ab.
Die ersteren sind fast nie eine grössere Strecke lang gerade
und continuirlich fortgesetzt, wie die letzteren, sondern durch-
kreuzen einander in allen Dimensionen, setzen sich daher oft in
die Tiefe fort u. dgl. Man sieht deshalb auf kleinen Schnitten
meistens kleinere oder grössere Bruchstücke von Muskelfäden.
Allein dieser Unterschied ist durchaus kein histiologischer sondern
ein morphologischer. Er beruht einzig und allein auf der im
höchsten Grade intricaten Faserung des Herzens, deren Entwirrung
wohl kaum je vollständig gelingen wird.

Was nun die Gene der Herzensmuskulatur betrifft, so ver-
dankt sie keineswegs einem so körnerreichen Blastema ihren Ur-
sprung, wie die der willkührlichen Muskeln. Auf den ersten An-
blick scheint freilich das Entgegengesetzte Statt zu finden. Man
sieht fast in keinem Theile des Körpers eine so grosse Anzahl
runder oder rundlicher Körperchen, als hier. Allein ich habe
mich durch vielfach fortgesetzte Untersuchung mit Bestimmtheit
überzeugt, dass die Muskelfäden hier nicht aus diesen Körnern,
sondern zwischen ihnen in der durchsichtigen Gallerte nach den-
selben Gesetzen entstehen, nach welchen überhaupt jedes bloss fa-
serartige Gebilde erzeugt wird. -- Die Arterienhaut besteht an den
grossen, dem Herzen nahe gelegenen Gefässen besonders deutlich
aus einer nicht unbedeutenden Anzahl circulär um einander lie-
gender Blätter, welche auf gleichartige Weise wellenförmig ge-
bogen sind. Hiervon kann man sich auf Querschnitten frischer
Gefässe deutlich überzeugen. Allein da es hier wegen der unge-
meinen Elasticität dieser Theile seltner gelingt, feine Querschnitte
zu präpariren, so empfehle ich deshalb vorzüglich das kohlensauere
Kali. Dieses Salz, welches ich bei meinen mit Wendt angestellten
Untersuchungen über die Oberhaut in dieser seiner Vorzüglichkeit
zuerst kennen lernte, hat die besondere Eigenschaft, sehr viele thie-
rische Theile, meist schon nach 24 Stunden, zu einem fast holzarti-
gen Consistenzgrade zu erhärten, ohne ihre Structur wesentlich zu
ändern, ja ohne zum Theil ihr Blut zu entfärben. An Arterien,
welche auf diese Weise behandelt werden, kann selbst der Unge-
übtere diese schöne Structur der Arterienhäute nachsehen. Bei
dem Fötus ist die Zahl der über einander liegenden Schichten

Körpergefäſse. Herz.
Z. Die Breite der ersteren verhält sich also zu der der letzte-
ren wie 1:4,5. 3. Schon beim ersten Anblick weichen die Mus-
kelfäden des Herzens von denen der willkührlichen Muskeln ab.
Die ersteren sind fast nie eine gröſsere Strecke lang gerade
und continuirlich fortgesetzt, wie die letzteren, sondern durch-
kreuzen einander in allen Dimensionen, setzen sich daher oft in
die Tiefe fort u. dgl. Man sieht deshalb auf kleinen Schnitten
meistens kleinere oder gröſsere Bruchstücke von Muskelfäden.
Allein dieser Unterschied ist durchaus kein histiologischer sondern
ein morphologischer. Er beruht einzig und allein auf der im
höchsten Grade intricaten Faserung des Herzens, deren Entwirrung
wohl kaum je vollständig gelingen wird.

Was nun die Gene der Herzensmuskulatur betrifft, so ver-
dankt sie keineswegs einem so körnerreichen Blastema ihren Ur-
sprung, wie die der willkührlichen Muskeln. Auf den ersten An-
blick scheint freilich das Entgegengesetzte Statt zu finden. Man
sieht fast in keinem Theile des Körpers eine so groſse Anzahl
runder oder rundlicher Körperchen, als hier. Allein ich habe
mich durch vielfach fortgesetzte Untersuchung mit Bestimmtheit
überzeugt, daſs die Muskelfäden hier nicht aus diesen Körnern,
sondern zwischen ihnen in der durchsichtigen Gallerte nach den-
selben Gesetzen entstehen, nach welchen überhaupt jedes bloſs fa-
serartige Gebilde erzeugt wird. — Die Arterienhaut besteht an den
groſsen, dem Herzen nahe gelegenen Gefäſsen besonders deutlich
aus einer nicht unbedeutenden Anzahl circulär um einander lie-
gender Blätter, welche auf gleichartige Weise wellenförmig ge-
bogen sind. Hiervon kann man sich auf Querschnitten frischer
Gefäſse deutlich überzeugen. Allein da es hier wegen der unge-
meinen Elasticität dieser Theile seltner gelingt, feine Querschnitte
zu präpariren, so empfehle ich deshalb vorzüglich das kohlensauere
Kali. Dieses Salz, welches ich bei meinen mit Wendt angestellten
Untersuchungen über die Oberhaut in dieser seiner Vorzüglichkeit
zuerst kennen lernte, hat die besondere Eigenschaft, sehr viele thie-
rische Theile, meist schon nach 24 Stunden, zu einem fast holzarti-
gen Consistenzgrade zu erhärten, ohne ihre Structur wesentlich zu
ändern, ja ohne zum Theil ihr Blut zu entfärben. An Arterien,
welche auf diese Weise behandelt werden, kann selbst der Unge-
übtere diese schöne Structur der Arterienhäute nachsehen. Bei
dem Fötus ist die Zahl der über einander liegenden Schichten

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[351/0379] Körpergefäſse. Herz. Z. Die Breite der ersteren verhält sich also zu der der letzte- ren wie 1:4,5. 3. Schon beim ersten Anblick weichen die Mus- kelfäden des Herzens von denen der willkührlichen Muskeln ab. Die ersteren sind fast nie eine gröſsere Strecke lang gerade und continuirlich fortgesetzt, wie die letzteren, sondern durch- kreuzen einander in allen Dimensionen, setzen sich daher oft in die Tiefe fort u. dgl. Man sieht deshalb auf kleinen Schnitten meistens kleinere oder gröſsere Bruchstücke von Muskelfäden. Allein dieser Unterschied ist durchaus kein histiologischer sondern ein morphologischer. Er beruht einzig und allein auf der im höchsten Grade intricaten Faserung des Herzens, deren Entwirrung wohl kaum je vollständig gelingen wird. Was nun die Gene der Herzensmuskulatur betrifft, so ver- dankt sie keineswegs einem so körnerreichen Blastema ihren Ur- sprung, wie die der willkührlichen Muskeln. Auf den ersten An- blick scheint freilich das Entgegengesetzte Statt zu finden. Man sieht fast in keinem Theile des Körpers eine so groſse Anzahl runder oder rundlicher Körperchen, als hier. Allein ich habe mich durch vielfach fortgesetzte Untersuchung mit Bestimmtheit überzeugt, daſs die Muskelfäden hier nicht aus diesen Körnern, sondern zwischen ihnen in der durchsichtigen Gallerte nach den- selben Gesetzen entstehen, nach welchen überhaupt jedes bloſs fa- serartige Gebilde erzeugt wird. — Die Arterienhaut besteht an den groſsen, dem Herzen nahe gelegenen Gefäſsen besonders deutlich aus einer nicht unbedeutenden Anzahl circulär um einander lie- gender Blätter, welche auf gleichartige Weise wellenförmig ge- bogen sind. Hiervon kann man sich auf Querschnitten frischer Gefäſse deutlich überzeugen. Allein da es hier wegen der unge- meinen Elasticität dieser Theile seltner gelingt, feine Querschnitte zu präpariren, so empfehle ich deshalb vorzüglich das kohlensauere Kali. Dieses Salz, welches ich bei meinen mit Wendt angestellten Untersuchungen über die Oberhaut in dieser seiner Vorzüglichkeit zuerst kennen lernte, hat die besondere Eigenschaft, sehr viele thie- rische Theile, meist schon nach 24 Stunden, zu einem fast holzarti- gen Consistenzgrade zu erhärten, ohne ihre Structur wesentlich zu ändern, ja ohne zum Theil ihr Blut zu entfärben. An Arterien, welche auf diese Weise behandelt werden, kann selbst der Unge- übtere diese schöne Structur der Arterienhäute nachsehen. Bei dem Fötus ist die Zahl der über einander liegenden Schichten

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/379>, abgerufen am 06.05.2024.