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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Aeussere Sphäre der Harn- und Geschlechtsorgane.
ist jetzt fast nur eine absolute. Unterdess vermehrt sich auch
das Schleimgewebe unter der Haut an der äusseren Mündung des
Canalis uro-genitalis, doch nicht in dem Grade, wie bei den
Männern, wo beide Hälften an einanderstossen und den Hodensack
darstellen. Die Spalte bleibt vielmehr offen und die wulstigen
Hautränder bilden auf jeder Seite die äusseren Schaamlippen.
Nun hat sich aber, während dieses geschah, der hintere, der äusse-
ren Mündung nahe Theil des Canalis uro-genitalis verlängert,
und die Klitoris, welche an den Schaambeinen festsitzt, wird daher
von Schaamlippen gänzlich bedeckt. Sobald diese so in das Innere
der Scheide hineingezogen worden, bildet sich, wie Rathke gesehen
und ich aus dem Schweine bestätigen kann, an dem oberen Ende
der Scheidenspalte ein kleiner sie halb verdeckender Hauptlappen,
welcher später wieder schwindet. Nicht minder wichtige Ver-
änderungen sind aber während dieser Zeit mit dem vorderen
(oberen) Theile des Canalis uro-genitalis vorgegangen. Es hat
sich nämlich die Harnröhre als eine unmittelbar verdünnte Fort-
setzung des Körpers der Harnblase von dem Canalis abgesondert
und liegt als ein schmales, cylindrisches und kürzeres Rohr ober-
halb desselben (vor demselben). Wahrscheinlich geschieht dieses
durch eine rasch und vielleicht von beiden Seiten her erfolgende
Abschnürung. Doch bin ich über diesen Hergang noch ungewiss.
Sobald die Trennung vollendet ist, findet man, wie z. B. bei 4
--6" langen Schweineembryonen, folgendes Verhältniss: Exente-
rirt man, was bei beiden Geschlechtern überaus leicht geschieht,
die Viscera uropoetica und genitalia und schneidet man die
untere (hintere) Wand des Canalis uro-genitalis der Länge nach
auf, so kommt man, von der äusseren Mündung ausgehend, in ei-
nen ziemlich weiten cylindrischen Kanal, welcher endlich vorn
(oben) etwas nach unten (hinten) umbiegt und sich in den Frucht-
hälter unmittelbar fortsetzt. An der Umbiegungsstelle liegt eine
andere kleine Oeffnung, welche in ein ziemlich langes, aber um
vieles engeres Rohr, die Harnröhre, führt. Wir wollen den Theil,
welcher von der äusseren Oeffnung bis zu der Mündung der Harn-
röhre reicht, Scheideneingang, den Theil dagegen von der Mün-
dung der Urethra bis zu dem hintersten (untersten) Ende des
Fruchthälters Scheidengewölbe im engeren Sinne nennen. Der
Scheideneingang ist um diese Zeit noch verhältnissmässig sehr
weit. Allein auch er scheint bald nicht mehr relativ an Grösse

Aeuſsere Sphäre der Harn- und Geschlechtsorgane.
ist jetzt fast nur eine absolute. Unterdeſs vermehrt sich auch
das Schleimgewebe unter der Haut an der äuſseren Mündung des
Canalis uro-genitalis, doch nicht in dem Grade, wie bei den
Männern, wo beide Hälften an einanderstoſsen und den Hodensack
darstellen. Die Spalte bleibt vielmehr offen und die wulstigen
Hautränder bilden auf jeder Seite die äuſseren Schaamlippen.
Nun hat sich aber, während dieses geschah, der hintere, der äuſse-
ren Mündung nahe Theil des Canalis uro-genitalis verlängert,
und die Klitoris, welche an den Schaambeinen festsitzt, wird daher
von Schaamlippen gänzlich bedeckt. Sobald diese so in das Innere
der Scheide hineingezogen worden, bildet sich, wie Rathke gesehen
und ich aus dem Schweine bestätigen kann, an dem oberen Ende
der Scheidenspalte ein kleiner sie halb verdeckender Hauptlappen,
welcher später wieder schwindet. Nicht minder wichtige Ver-
änderungen sind aber während dieser Zeit mit dem vorderen
(oberen) Theile des Canalis uro-genitalis vorgegangen. Es hat
sich nämlich die Harnröhre als eine unmittelbar verdünnte Fort-
setzung des Körpers der Harnblase von dem Canalis abgesondert
und liegt als ein schmales, cylindrisches und kürzeres Rohr ober-
halb desselben (vor demselben). Wahrscheinlich geschieht dieses
durch eine rasch und vielleicht von beiden Seiten her erfolgende
Abschnürung. Doch bin ich über diesen Hergang noch ungewiſs.
Sobald die Trennung vollendet ist, findet man, wie z. B. bei 4
—6″ langen Schweineembryonen, folgendes Verhältniſs: Exente-
rirt man, was bei beiden Geschlechtern überaus leicht geschieht,
die Viscera uropoetica und genitalia und schneidet man die
untere (hintere) Wand des Canalis uro-genitalis der Länge nach
auf, so kommt man, von der äuſseren Mündung ausgehend, in ei-
nen ziemlich weiten cylindrischen Kanal, welcher endlich vorn
(oben) etwas nach unten (hinten) umbiegt und sich in den Frucht-
hälter unmittelbar fortsetzt. An der Umbiegungsstelle liegt eine
andere kleine Oeffnung, welche in ein ziemlich langes, aber um
vieles engeres Rohr, die Harnröhre, führt. Wir wollen den Theil,
welcher von der äuſseren Oeffnung bis zu der Mündung der Harn-
röhre reicht, Scheideneingang, den Theil dagegen von der Mün-
dung der Urethra bis zu dem hintersten (untersten) Ende des
Fruchthälters Scheidengewölbe im engeren Sinne nennen. Der
Scheideneingang ist um diese Zeit noch verhältniſsmäſsig sehr
weit. Allein auch er scheint bald nicht mehr relativ an Gröſse

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[423/0451] Aeuſsere Sphäre der Harn- und Geschlechtsorgane. ist jetzt fast nur eine absolute. Unterdeſs vermehrt sich auch das Schleimgewebe unter der Haut an der äuſseren Mündung des Canalis uro-genitalis, doch nicht in dem Grade, wie bei den Männern, wo beide Hälften an einanderstoſsen und den Hodensack darstellen. Die Spalte bleibt vielmehr offen und die wulstigen Hautränder bilden auf jeder Seite die äuſseren Schaamlippen. Nun hat sich aber, während dieses geschah, der hintere, der äuſse- ren Mündung nahe Theil des Canalis uro-genitalis verlängert, und die Klitoris, welche an den Schaambeinen festsitzt, wird daher von Schaamlippen gänzlich bedeckt. Sobald diese so in das Innere der Scheide hineingezogen worden, bildet sich, wie Rathke gesehen und ich aus dem Schweine bestätigen kann, an dem oberen Ende der Scheidenspalte ein kleiner sie halb verdeckender Hauptlappen, welcher später wieder schwindet. Nicht minder wichtige Ver- änderungen sind aber während dieser Zeit mit dem vorderen (oberen) Theile des Canalis uro-genitalis vorgegangen. Es hat sich nämlich die Harnröhre als eine unmittelbar verdünnte Fort- setzung des Körpers der Harnblase von dem Canalis abgesondert und liegt als ein schmales, cylindrisches und kürzeres Rohr ober- halb desselben (vor demselben). Wahrscheinlich geschieht dieses durch eine rasch und vielleicht von beiden Seiten her erfolgende Abschnürung. Doch bin ich über diesen Hergang noch ungewiſs. Sobald die Trennung vollendet ist, findet man, wie z. B. bei 4 —6″ langen Schweineembryonen, folgendes Verhältniſs: Exente- rirt man, was bei beiden Geschlechtern überaus leicht geschieht, die Viscera uropoetica und genitalia und schneidet man die untere (hintere) Wand des Canalis uro-genitalis der Länge nach auf, so kommt man, von der äuſseren Mündung ausgehend, in ei- nen ziemlich weiten cylindrischen Kanal, welcher endlich vorn (oben) etwas nach unten (hinten) umbiegt und sich in den Frucht- hälter unmittelbar fortsetzt. An der Umbiegungsstelle liegt eine andere kleine Oeffnung, welche in ein ziemlich langes, aber um vieles engeres Rohr, die Harnröhre, führt. Wir wollen den Theil, welcher von der äuſseren Oeffnung bis zu der Mündung der Harn- röhre reicht, Scheideneingang, den Theil dagegen von der Mün- dung der Urethra bis zu dem hintersten (untersten) Ende des Fruchthälters Scheidengewölbe im engeren Sinne nennen. Der Scheideneingang ist um diese Zeit noch verhältniſsmäſsig sehr weit. Allein auch er scheint bald nicht mehr relativ an Gröſse

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/451>, abgerufen am 30.04.2024.