Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

herzliche, österreichische Wesen der hübschen Fürstin sticht mit
der englischen Kälte recht ab. Gräfin Münster hat ein kleines
Mädchen, -- sehnt sich nach Deutschland.

Prinz Coburg und seine Prinzessin sind recht bürgerlich in
einander verliebt. -- Die unglückliche Lage, worin diese aufge¬
wachsen ist, hat sie glücklich erzogen, -- das heißt, hat die
höfische Abnutzung und Verärmlichung verhindert, die im Hoch¬
leben so gemein sind. Sie fühlt stark, und will stark. Im Trauer¬
spiel weint sie Güsse, lacht im Lustspiel, daß der Busen schüttert.
Sie nickt auch im Schauspiel ohne Umstände denen zu, welchen
sie wohl will -- eine sonderbare Prinzessin, aber ein interessantes
Geschöpf. -- Prinz Coburg hat mich gefragt, wo Professor Rösel
sei? Wissen Sie's? --

Herr Küper -- Hofprediger hier -- vormals sechs Jahre
Lehrer oder Hofmeister in meines Vaters Hause, war viel um
die Prinzessin Charlotte, und unterrichtete sie im Deutschen. --
Ich habe viel Interessantes, sie betreffend, von ihm gehört. --

Adam Müller schreibt in Leipzig allerlei, das mir nicht ge¬
fällt, allerlei Beschränktes. Die ungeheuren Ausgaben Englands
auf den Kontinent während des Krieges, brachten den Kours her¬
unter, in natürlichen Worten -- machten englisches Geld, machten
Pfund Sterling spottwohlfeil; folglich kamen auch die englischen
Waaren dem auswärtigen Consumenten wohlfeil zu stehn; folg¬
lich war der Absatz groß; folglich vermehrte sich -- unverhält¬
nißmäßig -- die fabrizirende Klasse; folglich fütterten -- indirekt,
aber doch recht wirklich, die ungeheuern, von den Bemittelten
bezahlten, im Auslande ausgegebenen, als Prämie auf Ausfuhr
operirenden Taxen -- die arbeitenden Aermeren. Der Krieg, die
Taxen hören auf, oder vermindern sich, der Kours wird besser
(wie man zu sagen pflegt), also englische Waaren theurer, und
die Ausfuhr bedeutend geringer. Man findet, daß man für die

herzliche, oͤſterreichiſche Weſen der huͤbſchen Fuͤrſtin ſticht mit
der engliſchen Kaͤlte recht ab. Graͤfin Muͤnſter hat ein kleines
Maͤdchen, — ſehnt ſich nach Deutſchland.

Prinz Coburg und ſeine Prinzeſſin ſind recht buͤrgerlich in
einander verliebt. — Die ungluͤckliche Lage, worin dieſe aufge¬
wachſen iſt, hat ſie gluͤcklich erzogen, — das heißt, hat die
hoͤfiſche Abnutzung und Veraͤrmlichung verhindert, die im Hoch¬
leben ſo gemein ſind. Sie fuͤhlt ſtark, und will ſtark. Im Trauer¬
ſpiel weint ſie Guͤſſe, lacht im Luſtſpiel, daß der Buſen ſchuͤttert.
Sie nickt auch im Schauſpiel ohne Umſtaͤnde denen zu, welchen
ſie wohl will — eine ſonderbare Prinzeſſin, aber ein intereſſantes
Geſchoͤpf. — Prinz Coburg hat mich gefragt, wo Profeſſor Roͤſel
ſei? Wiſſen Sie’s? —

Herr Kuͤper — Hofprediger hier — vormals ſechs Jahre
Lehrer oder Hofmeiſter in meines Vaters Hauſe, war viel um
die Prinzeſſin Charlotte, und unterrichtete ſie im Deutſchen. —
Ich habe viel Intereſſantes, ſie betreffend, von ihm gehoͤrt. —

Adam Muͤller ſchreibt in Leipzig allerlei, das mir nicht ge¬
faͤllt, allerlei Beſchraͤnktes. Die ungeheuren Ausgaben Englands
auf den Kontinent waͤhrend des Krieges, brachten den Kours her¬
unter, in natuͤrlichen Worten — machten engliſches Geld, machten
Pfund Sterling ſpottwohlfeil; folglich kamen auch die engliſchen
Waaren dem auswaͤrtigen Conſumenten wohlfeil zu ſtehn; folg¬
lich war der Abſatz groß; folglich vermehrte ſich — unverhaͤlt¬
nißmaͤßig — die fabrizirende Klaſſe; folglich fuͤtterten — indirekt,
aber doch recht wirklich, die ungeheuern, von den Bemittelten
bezahlten, im Auslande ausgegebenen, als Praͤmie auf Ausfuhr
operirenden Taxen — die arbeitenden Aermeren. Der Krieg, die
Taxen hoͤren auf, oder vermindern ſich, der Kours wird beſſer
(wie man zu ſagen pflegt), alſo engliſche Waaren theurer, und
die Ausfuhr bedeutend geringer. Man findet, daß man fuͤr die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div>
              <p><pb facs="#f0138" n="124"/>
herzliche, o&#x0364;&#x017F;terreichi&#x017F;che We&#x017F;en der hu&#x0364;b&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;tin &#x017F;ticht mit<lb/>
der engli&#x017F;chen Ka&#x0364;lte recht ab. Gra&#x0364;fin Mu&#x0364;n&#x017F;ter hat ein kleines<lb/>
Ma&#x0364;dchen, &#x2014; &#x017F;ehnt &#x017F;ich nach Deut&#x017F;chland.</p><lb/>
              <p>Prinz Coburg und &#x017F;eine Prinze&#x017F;&#x017F;in &#x017F;ind recht bu&#x0364;rgerlich in<lb/>
einander verliebt. &#x2014; Die unglu&#x0364;ckliche Lage, worin die&#x017F;e aufge¬<lb/>
wach&#x017F;en i&#x017F;t, hat &#x017F;ie glu&#x0364;cklich erzogen, &#x2014; das heißt, hat die<lb/>
ho&#x0364;fi&#x017F;che Abnutzung und Vera&#x0364;rmlichung verhindert, die im Hoch¬<lb/>
leben &#x017F;o gemein &#x017F;ind. Sie fu&#x0364;hlt &#x017F;tark, und will &#x017F;tark. Im Trauer¬<lb/>
&#x017F;piel weint &#x017F;ie Gu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, lacht im Lu&#x017F;t&#x017F;piel, daß der Bu&#x017F;en &#x017F;chu&#x0364;ttert.<lb/>
Sie nickt auch im Schau&#x017F;piel ohne Um&#x017F;ta&#x0364;nde denen zu, welchen<lb/>
&#x017F;ie wohl will &#x2014; eine &#x017F;onderbare Prinze&#x017F;&#x017F;in, aber ein intere&#x017F;&#x017F;antes<lb/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pf. &#x2014; Prinz Coburg hat mich gefragt, wo Profe&#x017F;&#x017F;or Ro&#x0364;&#x017F;el<lb/>
&#x017F;ei? Wi&#x017F;&#x017F;en Sie&#x2019;s? &#x2014;</p><lb/>
              <p>Herr Ku&#x0364;per &#x2014; Hofprediger hier &#x2014; vormals &#x017F;echs Jahre<lb/>
Lehrer oder Hofmei&#x017F;ter in meines Vaters Hau&#x017F;e, war viel um<lb/>
die Prinze&#x017F;&#x017F;in Charlotte, und unterrichtete &#x017F;ie im Deut&#x017F;chen. &#x2014;<lb/>
Ich habe viel Intere&#x017F;&#x017F;antes, &#x017F;ie betreffend, von ihm geho&#x0364;rt. &#x2014;</p><lb/>
              <p>Adam Mu&#x0364;ller &#x017F;chreibt in Leipzig allerlei, das mir nicht ge¬<lb/>
fa&#x0364;llt, allerlei Be&#x017F;chra&#x0364;nktes. Die ungeheuren Ausgaben Englands<lb/>
auf den Kontinent wa&#x0364;hrend des Krieges, brachten den Kours her¬<lb/>
unter, in natu&#x0364;rlichen Worten &#x2014; machten engli&#x017F;ches Geld, machten<lb/>
Pfund Sterling &#x017F;pottwohlfeil; folglich kamen auch die engli&#x017F;chen<lb/>
Waaren dem auswa&#x0364;rtigen Con&#x017F;umenten wohlfeil zu &#x017F;tehn; folg¬<lb/>
lich war der Ab&#x017F;atz groß; folglich vermehrte &#x017F;ich &#x2014; unverha&#x0364;lt¬<lb/>
nißma&#x0364;ßig &#x2014; die fabrizirende Kla&#x017F;&#x017F;e; folglich fu&#x0364;tterten &#x2014; indirekt,<lb/>
aber doch recht wirklich, die ungeheuern, von den Bemittelten<lb/>
bezahlten, im Auslande ausgegebenen, als Pra&#x0364;mie auf Ausfuhr<lb/>
operirenden Taxen &#x2014; die arbeitenden Aermeren. Der Krieg, die<lb/>
Taxen ho&#x0364;ren auf, oder vermindern &#x017F;ich, der Kours wird be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
(wie man zu &#x017F;agen pflegt), al&#x017F;o engli&#x017F;che Waaren theurer, und<lb/>
die Ausfuhr bedeutend geringer. Man findet, daß man fu&#x0364;r die<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0138] herzliche, oͤſterreichiſche Weſen der huͤbſchen Fuͤrſtin ſticht mit der engliſchen Kaͤlte recht ab. Graͤfin Muͤnſter hat ein kleines Maͤdchen, — ſehnt ſich nach Deutſchland. Prinz Coburg und ſeine Prinzeſſin ſind recht buͤrgerlich in einander verliebt. — Die ungluͤckliche Lage, worin dieſe aufge¬ wachſen iſt, hat ſie gluͤcklich erzogen, — das heißt, hat die hoͤfiſche Abnutzung und Veraͤrmlichung verhindert, die im Hoch¬ leben ſo gemein ſind. Sie fuͤhlt ſtark, und will ſtark. Im Trauer¬ ſpiel weint ſie Guͤſſe, lacht im Luſtſpiel, daß der Buſen ſchuͤttert. Sie nickt auch im Schauſpiel ohne Umſtaͤnde denen zu, welchen ſie wohl will — eine ſonderbare Prinzeſſin, aber ein intereſſantes Geſchoͤpf. — Prinz Coburg hat mich gefragt, wo Profeſſor Roͤſel ſei? Wiſſen Sie’s? — Herr Kuͤper — Hofprediger hier — vormals ſechs Jahre Lehrer oder Hofmeiſter in meines Vaters Hauſe, war viel um die Prinzeſſin Charlotte, und unterrichtete ſie im Deutſchen. — Ich habe viel Intereſſantes, ſie betreffend, von ihm gehoͤrt. — Adam Muͤller ſchreibt in Leipzig allerlei, das mir nicht ge¬ faͤllt, allerlei Beſchraͤnktes. Die ungeheuren Ausgaben Englands auf den Kontinent waͤhrend des Krieges, brachten den Kours her¬ unter, in natuͤrlichen Worten — machten engliſches Geld, machten Pfund Sterling ſpottwohlfeil; folglich kamen auch die engliſchen Waaren dem auswaͤrtigen Conſumenten wohlfeil zu ſtehn; folg¬ lich war der Abſatz groß; folglich vermehrte ſich — unverhaͤlt¬ nißmaͤßig — die fabrizirende Klaſſe; folglich fuͤtterten — indirekt, aber doch recht wirklich, die ungeheuern, von den Bemittelten bezahlten, im Auslande ausgegebenen, als Praͤmie auf Ausfuhr operirenden Taxen — die arbeitenden Aermeren. Der Krieg, die Taxen hoͤren auf, oder vermindern ſich, der Kours wird beſſer (wie man zu ſagen pflegt), alſo engliſche Waaren theurer, und die Ausfuhr bedeutend geringer. Man findet, daß man fuͤr die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/138
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/138>, abgerufen am 28.04.2024.