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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

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mir ausdrückte, schien ihn anfangs zweifelhaft zu machen,
ob ich seine Werke gelesen hätte, aber bald verständigten
wir uns und fanden uns als für einander passende
Gesellschafter. Es tröstete mich über manches widrige
Urtheil, das manche Gelehrte über mich fällten, daß
mir Kant, nachdem ich wieder in meiner Vaterstadt
angelangt war, schrieb: "Unter allen Personen, die
ich bisher nah kennen lernte, wünschte ich mir keinen
mehr zum täglichen Umgange, als Sie." -- Von Kö¬
nigsberg ging ich, nach einigem Aufenthalt in den merk¬
würdigsten Städten, wo ich mehrere mir interessante
Bekanntschaften machte, zu meinem Freund Herbert
nach Klagenfurt, der mich durch Venedig, Verona und
Tyrol nach meiner Vaterstadt begleitete. Auf dieser
Reise lernten wir uns ganz kennen. Unsere Freund¬
schaft wurde für die Ewigkeit geschlossen, kein Schwan¬
ken wurde daher in ihr angetroffen, und ich danke ihm
meine bisherige Unabhängigkeit von allem, was nicht
den Beifall meines bessern Selbsts hat. Wenn ich es
erleben sollte, daß ich meinen Lebenslauf weiter, als
bis zu dieser Epoche, mit der Genauigkeit in der Ent¬
wickelung der Einflüsse auf mein Schicksal und meine
Bildung fortführen kann, ohne unbefugter Weise in die
Lebensverhältnisse noch lebender Personen einzugreifen,
ohne mich nothwendig parteiischen Richtern preiszugeben:
dann kann ich erst sagen, was ich meinem Herbert ver¬
danke! Mit der erworbenen Freundschaft meines Her¬

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mir ausdruͤckte, ſchien ihn anfangs zweifelhaft zu machen,
ob ich ſeine Werke geleſen haͤtte, aber bald verſtaͤndigten
wir uns und fanden uns als fuͤr einander paſſende
Geſellſchafter. Es troͤſtete mich uͤber manches widrige
Urtheil, das manche Gelehrte uͤber mich faͤllten, daß
mir Kant, nachdem ich wieder in meiner Vaterſtadt
angelangt war, ſchrieb: „Unter allen Perſonen, die
ich bisher nah kennen lernte, wuͤnſchte ich mir keinen
mehr zum taͤglichen Umgange, als Sie.“ — Von Koͤ¬
nigsberg ging ich, nach einigem Aufenthalt in den merk¬
wuͤrdigſten Staͤdten, wo ich mehrere mir intereſſante
Bekanntſchaften machte, zu meinem Freund Herbert
nach Klagenfurt, der mich durch Venedig, Verona und
Tyrol nach meiner Vaterſtadt begleitete. Auf dieſer
Reiſe lernten wir uns ganz kennen. Unſere Freund¬
ſchaft wurde fuͤr die Ewigkeit geſchloſſen, kein Schwan¬
ken wurde daher in ihr angetroffen, und ich danke ihm
meine bisherige Unabhaͤngigkeit von allem, was nicht
den Beifall meines beſſern Selbſts hat. Wenn ich es
erleben ſollte, daß ich meinen Lebenslauf weiter, als
bis zu dieſer Epoche, mit der Genauigkeit in der Ent¬
wickelung der Einfluͤſſe auf mein Schickſal und meine
Bildung fortfuͤhren kann, ohne unbefugter Weiſe in die
Lebensverhaͤltniſſe noch lebender Perſonen einzugreifen,
ohne mich nothwendig parteiiſchen Richtern preiszugeben:
dann kann ich erſt ſagen, was ich meinem Herbert ver¬
danke! Mit der erworbenen Freundſchaft meines Her¬

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[259/0273] mir ausdruͤckte, ſchien ihn anfangs zweifelhaft zu machen, ob ich ſeine Werke geleſen haͤtte, aber bald verſtaͤndigten wir uns und fanden uns als fuͤr einander paſſende Geſellſchafter. Es troͤſtete mich uͤber manches widrige Urtheil, das manche Gelehrte uͤber mich faͤllten, daß mir Kant, nachdem ich wieder in meiner Vaterſtadt angelangt war, ſchrieb: „Unter allen Perſonen, die ich bisher nah kennen lernte, wuͤnſchte ich mir keinen mehr zum taͤglichen Umgange, als Sie.“ — Von Koͤ¬ nigsberg ging ich, nach einigem Aufenthalt in den merk¬ wuͤrdigſten Staͤdten, wo ich mehrere mir intereſſante Bekanntſchaften machte, zu meinem Freund Herbert nach Klagenfurt, der mich durch Venedig, Verona und Tyrol nach meiner Vaterſtadt begleitete. Auf dieſer Reiſe lernten wir uns ganz kennen. Unſere Freund¬ ſchaft wurde fuͤr die Ewigkeit geſchloſſen, kein Schwan¬ ken wurde daher in ihr angetroffen, und ich danke ihm meine bisherige Unabhaͤngigkeit von allem, was nicht den Beifall meines beſſern Selbſts hat. Wenn ich es erleben ſollte, daß ich meinen Lebenslauf weiter, als bis zu dieſer Epoche, mit der Genauigkeit in der Ent¬ wickelung der Einfluͤſſe auf mein Schickſal und meine Bildung fortfuͤhren kann, ohne unbefugter Weiſe in die Lebensverhaͤltniſſe noch lebender Perſonen einzugreifen, ohne mich nothwendig parteiiſchen Richtern preiszugeben: dann kann ich erſt ſagen, was ich meinem Herbert ver¬ danke! Mit der erworbenen Freundſchaft meines Her¬ 17 *

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/273>, abgerufen am 14.05.2024.