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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

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ein ganzes Leben hindurch zu einem entfernten, jedem
Wiedersehen entrückten und dadurch gewissermaßen schon
abgeschiedenen Freunde gleichbewahren, der einst als
junger Mann der eben erweckten, geist- und lebendur¬
stigen Jungfrau als Lehrer der Weisheit und Tugend
in allem Zauber dieses Verhältnisses erschienen, und ihr
fortdauernd als ein Vorbild sittlichen Wandels und rein¬
sten Wahrheitsdienstes gegenwärtig ist, -- dieses innige,
in der Gattin, Mutter und Matrone gleich ungeschwächt
erglühende Herzensfeuer hat in der einfachnatürlichen
Sprache der Briefe, welche hier vorliegen, einen Ka¬
rakter von Kindlichem zugleich und Erhabenem, der die
innerste Seele zu tiefer Rührung fortreißt. Keine Lie¬
besneigung im gewöhnlichen Sinn ist hier vorhanden,
wiewohl alles ihr Verwandte und was sonst ihrem Ele¬
mente sich verstärkend beimischt, aus reicher Quelle
strömt; das Persönliche fehlt inmitten dieser Gebilde,
oder ist kaum schwach angedeutet; an dessen Statt er¬
scheint die anspruchslose Entsagung, die in reinster Ver¬
ehrung zärtlichste Freundschaft, die aufrichtigste Wen¬
dung zu einem Höheren, die herzlichste Beachtung und
Pflege des nächsten Dargebotenen. Wir glauben nicht
nöthig zu haben, dem sinnvollen Leser hierüber noch
mehreres zu sagen. Dem Bilde Erhards aber würde
ein schönster und wesentlichster Zug fehlen, wenn wir
nicht diese Zeugnisse eines Eindrucks mittheilten, der seine
persönliche Erscheinung besonders in seinen früheren Jah¬

ein ganzes Leben hindurch zu einem entfernten, jedem
Wiederſehen entruͤckten und dadurch gewiſſermaßen ſchon
abgeſchiedenen Freunde gleichbewahren, der einſt als
junger Mann der eben erweckten, geiſt- und lebendur¬
ſtigen Jungfrau als Lehrer der Weisheit und Tugend
in allem Zauber dieſes Verhaͤltniſſes erſchienen, und ihr
fortdauernd als ein Vorbild ſittlichen Wandels und rein¬
ſten Wahrheitsdienſtes gegenwaͤrtig iſt, — dieſes innige,
in der Gattin, Mutter und Matrone gleich ungeſchwaͤcht
ergluͤhende Herzensfeuer hat in der einfachnatuͤrlichen
Sprache der Briefe, welche hier vorliegen, einen Ka¬
rakter von Kindlichem zugleich und Erhabenem, der die
innerſte Seele zu tiefer Ruͤhrung fortreißt. Keine Lie¬
besneigung im gewoͤhnlichen Sinn iſt hier vorhanden,
wiewohl alles ihr Verwandte und was ſonſt ihrem Ele¬
mente ſich verſtaͤrkend beimiſcht, aus reicher Quelle
ſtroͤmt; das Perſoͤnliche fehlt inmitten dieſer Gebilde,
oder iſt kaum ſchwach angedeutet; an deſſen Statt er¬
ſcheint die anſpruchsloſe Entſagung, die in reinſter Ver¬
ehrung zaͤrtlichſte Freundſchaft, die aufrichtigſte Wen¬
dung zu einem Hoͤheren, die herzlichſte Beachtung und
Pflege des naͤchſten Dargebotenen. Wir glauben nicht
noͤthig zu haben, dem ſinnvollen Leſer hieruͤber noch
mehreres zu ſagen. Dem Bilde Erhards aber wuͤrde
ein ſchoͤnſter und weſentlichſter Zug fehlen, wenn wir
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[297/0311] ein ganzes Leben hindurch zu einem entfernten, jedem Wiederſehen entruͤckten und dadurch gewiſſermaßen ſchon abgeſchiedenen Freunde gleichbewahren, der einſt als junger Mann der eben erweckten, geiſt- und lebendur¬ ſtigen Jungfrau als Lehrer der Weisheit und Tugend in allem Zauber dieſes Verhaͤltniſſes erſchienen, und ihr fortdauernd als ein Vorbild ſittlichen Wandels und rein¬ ſten Wahrheitsdienſtes gegenwaͤrtig iſt, — dieſes innige, in der Gattin, Mutter und Matrone gleich ungeſchwaͤcht ergluͤhende Herzensfeuer hat in der einfachnatuͤrlichen Sprache der Briefe, welche hier vorliegen, einen Ka¬ rakter von Kindlichem zugleich und Erhabenem, der die innerſte Seele zu tiefer Ruͤhrung fortreißt. Keine Lie¬ besneigung im gewoͤhnlichen Sinn iſt hier vorhanden, wiewohl alles ihr Verwandte und was ſonſt ihrem Ele¬ mente ſich verſtaͤrkend beimiſcht, aus reicher Quelle ſtroͤmt; das Perſoͤnliche fehlt inmitten dieſer Gebilde, oder iſt kaum ſchwach angedeutet; an deſſen Statt er¬ ſcheint die anſpruchsloſe Entſagung, die in reinſter Ver¬ ehrung zaͤrtlichſte Freundſchaft, die aufrichtigſte Wen¬ dung zu einem Hoͤheren, die herzlichſte Beachtung und Pflege des naͤchſten Dargebotenen. Wir glauben nicht noͤthig zu haben, dem ſinnvollen Leſer hieruͤber noch mehreres zu ſagen. Dem Bilde Erhards aber wuͤrde ein ſchoͤnſter und weſentlichſter Zug fehlen, wenn wir nicht dieſe Zeugniſſe eines Eindrucks mittheilten, der ſeine perſoͤnliche Erſcheinung beſonders in ſeinen fruͤheren Jah¬

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/311>, abgerufen am 26.04.2024.