Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Förderniß, und seine Arbeiten für das Königsstädtische
Theater schienen diesem einen neuen Aufschwung zu
verheißen. Allein diese letztere Aussicht bestand nicht
lange, und auch für das Königliche Theater, wo man
durch frischen Willen die großen Hülfsmittel bisweilen
zu einer würdigen und fruchtbaren Kunstanstalt orga¬
nisirt zu sehen hoffte, mußten die eifrigsten Bestrebun¬
gen sich meist als vergebliche bekennen.

Die Juli-Revolution in Frankreich und die Zer¬
rüttungen, welche sie in den Niederlanden und Polen
zur Folge hatte, so wie die Unruhen, die in mehreren
deutschen Ländern ausbrachen, wirkten auf Roberts
Gemüth sehr verdüsternd. Seine Freiheitsliebe knüpfte
sich an gesetzliche Formen, er wollte Erörterung, Fort¬
schritt durch Einsicht; rohe Gewalt und wilde Zerstö¬
rung waren ihm verhaßt. Die Sache des Vaterlandes
und des vaterländischen Königthums erregte seinen tief¬
sten Antheil, seinen reinsten Eifer. Indeß mußte er
bald erfahren, daß Zeiten der Unruhe und Verwirrung
es am meisten durch das Verkennen sind, welches so¬
wohl die richtigen Grundsätze im Allgemeinen, als auch
die Denkungs- und Verfahrungsart des Einzelnen
trifft. Er sah die Mehrzahl der Menschen von ganz
andern Gesichtspunkten ausgehen, als die seinigen
waren; seine Aeußerungen wurden mißverstanden, seine
Triebfedern nicht begriffen; zwischen heftigen und blinden
Partheimeinungen fand er für seine Ueberzeugungen

Foͤrderniß, und ſeine Arbeiten fuͤr das Koͤnigsſtaͤdtiſche
Theater ſchienen dieſem einen neuen Aufſchwung zu
verheißen. Allein dieſe letztere Ausſicht beſtand nicht
lange, und auch fuͤr das Koͤnigliche Theater, wo man
durch friſchen Willen die großen Huͤlfsmittel bisweilen
zu einer wuͤrdigen und fruchtbaren Kunſtanſtalt orga¬
niſirt zu ſehen hoffte, mußten die eifrigſten Beſtrebun¬
gen ſich meiſt als vergebliche bekennen.

Die Juli-Revolution in Frankreich und die Zer¬
ruͤttungen, welche ſie in den Niederlanden und Polen
zur Folge hatte, ſo wie die Unruhen, die in mehreren
deutſchen Laͤndern ausbrachen, wirkten auf Roberts
Gemuͤth ſehr verduͤſternd. Seine Freiheitsliebe knuͤpfte
ſich an geſetzliche Formen, er wollte Eroͤrterung, Fort¬
ſchritt durch Einſicht; rohe Gewalt und wilde Zerſtoͤ¬
rung waren ihm verhaßt. Die Sache des Vaterlandes
und des vaterlaͤndiſchen Koͤnigthums erregte ſeinen tief¬
ſten Antheil, ſeinen reinſten Eifer. Indeß mußte er
bald erfahren, daß Zeiten der Unruhe und Verwirrung
es am meiſten durch das Verkennen ſind, welches ſo¬
wohl die richtigen Grundſaͤtze im Allgemeinen, als auch
die Denkungs- und Verfahrungsart des Einzelnen
trifft. Er ſah die Mehrzahl der Menſchen von ganz
andern Geſichtspunkten ausgehen, als die ſeinigen
waren; ſeine Aeußerungen wurden mißverſtanden, ſeine
Triebfedern nicht begriffen; zwiſchen heftigen und blinden
Partheimeinungen fand er fuͤr ſeine Ueberzeugungen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0349" n="335"/>
Fo&#x0364;rderniß, und &#x017F;eine Arbeiten fu&#x0364;r das Ko&#x0364;nigs&#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;che<lb/>
Theater &#x017F;chienen die&#x017F;em einen neuen Auf&#x017F;chwung zu<lb/>
verheißen. Allein die&#x017F;e letztere Aus&#x017F;icht be&#x017F;tand nicht<lb/>
lange, und auch fu&#x0364;r das Ko&#x0364;nigliche Theater, wo man<lb/>
durch fri&#x017F;chen Willen die großen Hu&#x0364;lfsmittel bisweilen<lb/>
zu einer wu&#x0364;rdigen und fruchtbaren Kun&#x017F;tan&#x017F;talt orga¬<lb/>
ni&#x017F;irt zu &#x017F;ehen hoffte, mußten die eifrig&#x017F;ten Be&#x017F;trebun¬<lb/>
gen &#x017F;ich mei&#x017F;t als vergebliche bekennen.</p><lb/>
          <p>Die Juli-Revolution in Frankreich und die Zer¬<lb/>
ru&#x0364;ttungen, welche &#x017F;ie in den Niederlanden und Polen<lb/>
zur Folge hatte, &#x017F;o wie die Unruhen, die in mehreren<lb/>
deut&#x017F;chen La&#x0364;ndern ausbrachen, wirkten auf Roberts<lb/>
Gemu&#x0364;th &#x017F;ehr verdu&#x0364;&#x017F;ternd. Seine Freiheitsliebe knu&#x0364;pfte<lb/>
&#x017F;ich an ge&#x017F;etzliche Formen, er wollte Ero&#x0364;rterung, Fort¬<lb/>
&#x017F;chritt durch Ein&#x017F;icht; rohe Gewalt und wilde Zer&#x017F;to&#x0364;¬<lb/>
rung waren ihm verhaßt. Die Sache des Vaterlandes<lb/>
und des vaterla&#x0364;ndi&#x017F;chen Ko&#x0364;nigthums erregte &#x017F;einen tief¬<lb/>
&#x017F;ten Antheil, &#x017F;einen rein&#x017F;ten Eifer. Indeß mußte er<lb/>
bald erfahren, daß Zeiten der Unruhe und Verwirrung<lb/>
es am mei&#x017F;ten durch das Verkennen &#x017F;ind, welches &#x017F;<lb/>
wohl die richtigen Grund&#x017F;a&#x0364;tze im Allgemeinen, als auch<lb/>
die Denkungs- und Verfahrungsart des Einzelnen<lb/>
trifft. Er &#x017F;ah die Mehrzahl der Men&#x017F;chen von ganz<lb/>
andern Ge&#x017F;ichtspunkten ausgehen, als die &#x017F;einigen<lb/>
waren; &#x017F;eine Aeußerungen wurden mißver&#x017F;tanden, &#x017F;eine<lb/>
Triebfedern nicht begriffen; zwi&#x017F;chen heftigen und blinden<lb/>
Partheimeinungen fand er fu&#x0364;r &#x017F;eine Ueberzeugungen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0349] Foͤrderniß, und ſeine Arbeiten fuͤr das Koͤnigsſtaͤdtiſche Theater ſchienen dieſem einen neuen Aufſchwung zu verheißen. Allein dieſe letztere Ausſicht beſtand nicht lange, und auch fuͤr das Koͤnigliche Theater, wo man durch friſchen Willen die großen Huͤlfsmittel bisweilen zu einer wuͤrdigen und fruchtbaren Kunſtanſtalt orga¬ niſirt zu ſehen hoffte, mußten die eifrigſten Beſtrebun¬ gen ſich meiſt als vergebliche bekennen. Die Juli-Revolution in Frankreich und die Zer¬ ruͤttungen, welche ſie in den Niederlanden und Polen zur Folge hatte, ſo wie die Unruhen, die in mehreren deutſchen Laͤndern ausbrachen, wirkten auf Roberts Gemuͤth ſehr verduͤſternd. Seine Freiheitsliebe knuͤpfte ſich an geſetzliche Formen, er wollte Eroͤrterung, Fort¬ ſchritt durch Einſicht; rohe Gewalt und wilde Zerſtoͤ¬ rung waren ihm verhaßt. Die Sache des Vaterlandes und des vaterlaͤndiſchen Koͤnigthums erregte ſeinen tief¬ ſten Antheil, ſeinen reinſten Eifer. Indeß mußte er bald erfahren, daß Zeiten der Unruhe und Verwirrung es am meiſten durch das Verkennen ſind, welches ſo¬ wohl die richtigen Grundſaͤtze im Allgemeinen, als auch die Denkungs- und Verfahrungsart des Einzelnen trifft. Er ſah die Mehrzahl der Menſchen von ganz andern Geſichtspunkten ausgehen, als die ſeinigen waren; ſeine Aeußerungen wurden mißverſtanden, ſeine Triebfedern nicht begriffen; zwiſchen heftigen und blinden Partheimeinungen fand er fuͤr ſeine Ueberzeugungen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/349
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/349>, abgerufen am 11.05.2024.