Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

fort, die ganze Linie war in größter Verwirrung und
wich während der Nacht immerfort zurück. Nur die
kaiserliche Garde stand bei Rasdorf unerschüttert, und
gab einen festen Anhalt, um welchen sich die Truppen
wieder sammelten. Die österreichischen Heertheile aber,
welche noch nicht gefochten hatten, waren zu fern, auch
ihren schon früher festgesetzten Bestimmungen nicht ohne
Gefahr zu entziehen; die gesammte Reiterei bei dem
Heere betrug nicht über 10,000 Mann, und von diesen
waren starke Abtheilungen einzeln verwendet, andre
schon den ganzen Tag im Gefecht gewesen. Die Nacht
verfloß daher ohne weitere Unternehmung, und beide
Theile benutzten sie nur, um den Kampf am nächsten
Tage mit gerüsteten Kräften zu erneuern. Den Ver¬
folg dieser Ereignisse, welche bisher aus unmittelbarem
Anschauen erzählt worden, liefern vielfache Nachrichten,
denen eine sichre Prüfung und zuverlässige Gestalt um
so leichter zu geben war, als für so engverknüpfte Be¬
gebenheiten jener Vortheil auch da, wo er eigentlich
schon aufhört, noch gewissermaßen nachwirkt.

Diesmal scheint auf österreichischer Seite der Ueber¬
blick und Entschluß, was nunmehr zu thun sei, schneller
und kräftiger gefaßt worden zu sein, als auf französi¬
scher, wo der ungünstige Ausgang des letzten Gefechts
in der Dunkelheit nur Ungewißheit und Schwanken
erhielt. Der Kaiser Napoleon begnügte sich während
der Nacht, seine Truppen bei Rasdorf zusammenzuzie¬

fort, die ganze Linie war in groͤßter Verwirrung und
wich waͤhrend der Nacht immerfort zuruͤck. Nur die
kaiſerliche Garde ſtand bei Rasdorf unerſchuͤttert, und
gab einen feſten Anhalt, um welchen ſich die Truppen
wieder ſammelten. Die oͤſterreichiſchen Heertheile aber,
welche noch nicht gefochten hatten, waren zu fern, auch
ihren ſchon fruͤher feſtgeſetzten Beſtimmungen nicht ohne
Gefahr zu entziehen; die geſammte Reiterei bei dem
Heere betrug nicht uͤber 10,000 Mann, und von dieſen
waren ſtarke Abtheilungen einzeln verwendet, andre
ſchon den ganzen Tag im Gefecht geweſen. Die Nacht
verfloß daher ohne weitere Unternehmung, und beide
Theile benutzten ſie nur, um den Kampf am naͤchſten
Tage mit geruͤſteten Kraͤften zu erneuern. Den Ver¬
folg dieſer Ereigniſſe, welche bisher aus unmittelbarem
Anſchauen erzaͤhlt worden, liefern vielfache Nachrichten,
denen eine ſichre Pruͤfung und zuverlaͤſſige Geſtalt um
ſo leichter zu geben war, als fuͤr ſo engverknuͤpfte Be¬
gebenheiten jener Vortheil auch da, wo er eigentlich
ſchon aufhoͤrt, noch gewiſſermaßen nachwirkt.

Diesmal ſcheint auf oͤſterreichiſcher Seite der Ueber¬
blick und Entſchluß, was nunmehr zu thun ſei, ſchneller
und kraͤftiger gefaßt worden zu ſein, als auf franzoͤſi¬
ſcher, wo der unguͤnſtige Ausgang des letzten Gefechts
in der Dunkelheit nur Ungewißheit und Schwanken
erhielt. Der Kaiſer Napoleon begnuͤgte ſich waͤhrend
der Nacht, ſeine Truppen bei Rasdorf zuſammenzuzie¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0236" n="222"/>
fort, die ganze Linie war in gro&#x0364;ßter Verwirrung und<lb/>
wich wa&#x0364;hrend der Nacht immerfort zuru&#x0364;ck. Nur die<lb/>
kai&#x017F;erliche Garde &#x017F;tand bei Rasdorf uner&#x017F;chu&#x0364;ttert, und<lb/>
gab einen fe&#x017F;ten Anhalt, um welchen &#x017F;ich die Truppen<lb/>
wieder &#x017F;ammelten. Die o&#x0364;&#x017F;terreichi&#x017F;chen Heertheile aber,<lb/>
welche noch nicht gefochten hatten, waren zu fern, auch<lb/>
ihren &#x017F;chon fru&#x0364;her fe&#x017F;tge&#x017F;etzten Be&#x017F;timmungen nicht ohne<lb/>
Gefahr zu entziehen; die ge&#x017F;ammte Reiterei bei dem<lb/>
Heere betrug nicht u&#x0364;ber <hi rendition="#b">10</hi>,<hi rendition="#b">000</hi> Mann, und von die&#x017F;en<lb/>
waren &#x017F;tarke Abtheilungen einzeln verwendet, andre<lb/>
&#x017F;chon den ganzen Tag im Gefecht gewe&#x017F;en. Die Nacht<lb/>
verfloß daher ohne weitere Unternehmung, und beide<lb/>
Theile benutzten &#x017F;ie nur, um den Kampf am na&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Tage mit geru&#x0364;&#x017F;teten Kra&#x0364;ften zu erneuern. Den Ver¬<lb/>
folg die&#x017F;er Ereigni&#x017F;&#x017F;e, welche bisher aus unmittelbarem<lb/>
An&#x017F;chauen erza&#x0364;hlt worden, liefern vielfache Nachrichten,<lb/>
denen eine &#x017F;ichre Pru&#x0364;fung und zuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Ge&#x017F;talt um<lb/>
&#x017F;o leichter zu geben war, als fu&#x0364;r &#x017F;o engverknu&#x0364;pfte Be¬<lb/>
gebenheiten jener Vortheil auch da, wo er eigentlich<lb/>
&#x017F;chon aufho&#x0364;rt, noch gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen nachwirkt.</p><lb/>
          <p>Diesmal &#x017F;cheint auf o&#x0364;&#x017F;terreichi&#x017F;cher Seite der Ueber¬<lb/>
blick und Ent&#x017F;chluß, was nunmehr zu thun &#x017F;ei, &#x017F;chneller<lb/>
und kra&#x0364;ftiger gefaßt worden zu &#x017F;ein, als auf franzo&#x0364;&#x017F;i¬<lb/>
&#x017F;cher, wo der ungu&#x0364;n&#x017F;tige Ausgang des letzten Gefechts<lb/>
in der Dunkelheit nur Ungewißheit und Schwanken<lb/>
erhielt. Der Kai&#x017F;er Napoleon begnu&#x0364;gte &#x017F;ich wa&#x0364;hrend<lb/>
der Nacht, &#x017F;eine Truppen bei Rasdorf zu&#x017F;ammenzuzie¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0236] fort, die ganze Linie war in groͤßter Verwirrung und wich waͤhrend der Nacht immerfort zuruͤck. Nur die kaiſerliche Garde ſtand bei Rasdorf unerſchuͤttert, und gab einen feſten Anhalt, um welchen ſich die Truppen wieder ſammelten. Die oͤſterreichiſchen Heertheile aber, welche noch nicht gefochten hatten, waren zu fern, auch ihren ſchon fruͤher feſtgeſetzten Beſtimmungen nicht ohne Gefahr zu entziehen; die geſammte Reiterei bei dem Heere betrug nicht uͤber 10,000 Mann, und von dieſen waren ſtarke Abtheilungen einzeln verwendet, andre ſchon den ganzen Tag im Gefecht geweſen. Die Nacht verfloß daher ohne weitere Unternehmung, und beide Theile benutzten ſie nur, um den Kampf am naͤchſten Tage mit geruͤſteten Kraͤften zu erneuern. Den Ver¬ folg dieſer Ereigniſſe, welche bisher aus unmittelbarem Anſchauen erzaͤhlt worden, liefern vielfache Nachrichten, denen eine ſichre Pruͤfung und zuverlaͤſſige Geſtalt um ſo leichter zu geben war, als fuͤr ſo engverknuͤpfte Be¬ gebenheiten jener Vortheil auch da, wo er eigentlich ſchon aufhoͤrt, noch gewiſſermaßen nachwirkt. Diesmal ſcheint auf oͤſterreichiſcher Seite der Ueber¬ blick und Entſchluß, was nunmehr zu thun ſei, ſchneller und kraͤftiger gefaßt worden zu ſein, als auf franzoͤſi¬ ſcher, wo der unguͤnſtige Ausgang des letzten Gefechts in der Dunkelheit nur Ungewißheit und Schwanken erhielt. Der Kaiſer Napoleon begnuͤgte ſich waͤhrend der Nacht, ſeine Truppen bei Rasdorf zuſammenzuzie¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/236
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/236>, abgerufen am 13.05.2024.