tigkeit! Es mag sein, daß Zeiten und Umstände das Geschäft des Scharfrichters nöthig machen, auch mag dieser wohl nur vollziehen, was wirklich Rechtens ist, und in der Litteratur kann manches Opfer fallen müssen, das in der bürgerlichen Welt jede Achtung verdient, und vielleicht hundertmal besser ist, als seine Richter und Quäler; aber einen Autor, hinter dem doch zuletzt der Mensch in jedem Falle steht, unter kaltberechneten Mar¬ tern sterben zu lassen, giebt immer einen widerlichen Anblick, und gern wendet man sich von ihm zu der heitern und edlen Jagdfreude der Xenien zurück, in wel¬ cher der Geist und die Laune nur zur Milderung der unerläßlichen Geißelhiebe dienen, nicht aber aufgewendet werden, den Schmerz und die Qual zu mehren! --
Abendstunden, herausgegeben von Dr. Franz The¬ remin. Berlin 1833. Duncker und Humblot 8.
Bei diesem kleinen Buche, worin ein angesehener Theolog und Kanzelredner für seine Mittheilungen die Form heitrer Kunst gewählt hat, mögen uns zuvörderst einige allgemeine Bemerkungen erlaubt sein.
Die tiefsten und heiligsten Wahrheiten, welche den Geist ergreifen und das Gemüth erfüllen, bedürfen ganz gewiß keines Schmuckes, wie ihn die Kunst aus ihren
tigkeit! Es mag ſein, daß Zeiten und Umſtaͤnde das Geſchaͤft des Scharfrichters noͤthig machen, auch mag dieſer wohl nur vollziehen, was wirklich Rechtens iſt, und in der Litteratur kann manches Opfer fallen muͤſſen, das in der buͤrgerlichen Welt jede Achtung verdient, und vielleicht hundertmal beſſer iſt, als ſeine Richter und Quaͤler; aber einen Autor, hinter dem doch zuletzt der Menſch in jedem Falle ſteht, unter kaltberechneten Mar¬ tern ſterben zu laſſen, giebt immer einen widerlichen Anblick, und gern wendet man ſich von ihm zu der heitern und edlen Jagdfreude der Xenien zuruͤck, in wel¬ cher der Geiſt und die Laune nur zur Milderung der unerlaͤßlichen Geißelhiebe dienen, nicht aber aufgewendet werden, den Schmerz und die Qual zu mehren! —
Abendſtunden, herausgegeben von Dr. Franz The¬ remin. Berlin 1833. Duncker und Humblot 8.
Bei dieſem kleinen Buche, worin ein angeſehener Theolog und Kanzelredner fuͤr ſeine Mittheilungen die Form heitrer Kunſt gewaͤhlt hat, moͤgen uns zuvoͤrderſt einige allgemeine Bemerkungen erlaubt ſein.
Die tiefſten und heiligſten Wahrheiten, welche den Geiſt ergreifen und das Gemuͤth erfuͤllen, beduͤrfen ganz gewiß keines Schmuckes, wie ihn die Kunſt aus ihren
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tigkeit! Es mag ſein, daß Zeiten und Umſtaͤnde das
Geſchaͤft des Scharfrichters noͤthig machen, auch mag
dieſer wohl nur vollziehen, was wirklich Rechtens iſt,
und in der Litteratur kann manches Opfer fallen muͤſſen,
das in der buͤrgerlichen Welt jede Achtung verdient,
und vielleicht hundertmal beſſer iſt, als ſeine Richter und
Quaͤler; aber einen Autor, hinter dem doch zuletzt der
Menſch in jedem Falle ſteht, unter kaltberechneten Mar¬
tern ſterben zu laſſen, giebt immer einen widerlichen
Anblick, und gern wendet man ſich von ihm zu der
heitern und edlen Jagdfreude der Xenien zuruͤck, in wel¬
cher der Geiſt und die Laune nur zur Milderung der
unerlaͤßlichen Geißelhiebe dienen, nicht aber aufgewendet
werden, den Schmerz und die Qual zu mehren! —
Abendſtunden, herausgegeben von Dr. Franz The¬
remin. Berlin 1833. Duncker und Humblot 8.
Bei dieſem kleinen Buche, worin ein angeſehener
Theolog und Kanzelredner fuͤr ſeine Mittheilungen die
Form heitrer Kunſt gewaͤhlt hat, moͤgen uns zuvoͤrderſt
einige allgemeine Bemerkungen erlaubt ſein.
Die tiefſten und heiligſten Wahrheiten, welche den
Geiſt ergreifen und das Gemuͤth erfuͤllen, beduͤrfen ganz
gewiß keines Schmuckes, wie ihn die Kunſt aus ihren
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/429>, abgerufen am 10.10.2024.
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