Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

gelten, noch einen nur im mindesten schwer zu öffnenden
Deckel hat: mein Sargdeckel soll von Glas sein, und wären
es auch, welches ich sogar will, die kleinsten grünen Glasschei-
ben. Der Sarg selbst wird nicht in die Erde gegraben, son-
dern in ein wenn auch noch so kleines Häuschen gesetzt --
etwa wie ein kleines ganz geringes Wachthäuschen bei Bau-
ten, oder dgl. -- oder in Souterrain-Zimmer, oder sonst ei-
nen Ort etc. Mein größter, wichtigster Wunsch ist der; sollte
ich nach Varnhagen sterben, so ist der von meinen Geschwi-
stern, der dafür nicht sorgt, mein ewiger, bitterer Feind!!!

Mein Klavier bitte ich sehr, Schwester Rose zu schicken!
-- es geht zu Wasser. -- Weil die mich sehr liebt, selbst spielt,
und mich hunderttausendmal daran hat sitzen sehen, im väterli-
chen und mütterlichen Hause; in Kinderthränen beim Lernen, in
Mädchenthränen, das Herz voller Wünsche, und vaguem we-
nigen Hoffen; kurz, in allen nur möglichen Abstufungen vor
Leid, Freude, und Stimmungen, und Gedanken. An diesem
Klavier dacht' ich mir beinah alles aus. Stirbt auch Rose,
kann es Varnhagen zum Ansehen bekommen.

Dann besitze ich einen kleinen Ring von Smaragden und
Perlen; so lange mein Vater lebte, war dies das einzige
Geschenk von meiner Mutter; als ich sechszehn Jahr alt war,
sah ich ihn in einem englischen Laden in Pyrmont; ich hatte
gar zu große Lust dazu, Mama kaufte ihn mir für einen hal-
ben Louisd'or. Ich nannt' ihn in jüngern Jahren Wielands
Pflaster, -- Straßen-, oder Garten-Pflaster, wie es wohl in
seinen Mährchen vorkommt. Später dachte ich mir aus, ihn
wegzugeben, wenn ich in unbedingtem Glück -- ich hielt es

gelten, noch einen nur im mindeſten ſchwer zu öffnenden
Deckel hat: mein Sargdeckel ſoll von Glas ſein, und wären
es auch, welches ich ſogar will, die kleinſten grünen Glasſchei-
ben. Der Sarg ſelbſt wird nicht in die Erde gegraben, ſon-
dern in ein wenn auch noch ſo kleines Häuschen geſetzt —
etwa wie ein kleines ganz geringes Wachthäuschen bei Bau-
ten, oder dgl. — oder in Souterrain-Zimmer, oder ſonſt ei-
nen Ort ꝛc. Mein größter, wichtigſter Wunſch iſt der; ſollte
ich nach Varnhagen ſterben, ſo iſt der von meinen Geſchwi-
ſtern, der dafür nicht ſorgt, mein ewiger, bitterer Feind!!!

Mein Klavier bitte ich ſehr, Schweſter Roſe zu ſchicken!
— es geht zu Waſſer. — Weil die mich ſehr liebt, ſelbſt ſpielt,
und mich hunderttauſendmal daran hat ſitzen ſehen, im väterli-
chen und mütterlichen Hauſe; in Kinderthränen beim Lernen, in
Mädchenthränen, das Herz voller Wünſche, und vaguem we-
nigen Hoffen; kurz, in allen nur möglichen Abſtufungen vor
Leid, Freude, und Stimmungen, und Gedanken. An dieſem
Klavier dacht’ ich mir beinah alles aus. Stirbt auch Roſe,
kann es Varnhagen zum Anſehen bekommen.

Dann beſitze ich einen kleinen Ring von Smaragden und
Perlen; ſo lange mein Vater lebte, war dies das einzige
Geſchenk von meiner Mutter; als ich ſechszehn Jahr alt war,
ſah ich ihn in einem engliſchen Laden in Pyrmont; ich hatte
gar zu große Luſt dazu, Mama kaufte ihn mir für einen hal-
ben Louisd’or. Ich nannt’ ihn in jüngern Jahren Wielands
Pflaſter, — Straßen-, oder Garten-Pflaſter, wie es wohl in
ſeinen Mährchen vorkommt. Später dachte ich mir aus, ihn
wegzugeben, wenn ich in unbedingtem Glück — ich hielt es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0398" n="390"/>
gelten, noch einen nur im <hi rendition="#g">minde&#x017F;ten &#x017F;chwer</hi> zu öffnenden<lb/>
Deckel hat: mein Sargdeckel &#x017F;oll von <hi rendition="#g">Glas</hi> &#x017F;ein, und wären<lb/>
es auch, welches ich &#x017F;ogar will, die klein&#x017F;ten grünen Glas&#x017F;chei-<lb/>
ben. Der Sarg &#x017F;elb&#x017F;t wird nicht in die Erde gegraben, &#x017F;on-<lb/>
dern in ein wenn auch noch &#x017F;o kleines Häuschen ge&#x017F;etzt &#x2014;<lb/>
etwa wie ein kleines <hi rendition="#g">ganz</hi> geringes Wachthäuschen bei Bau-<lb/>
ten, oder dgl. &#x2014; oder in Souterrain-Zimmer, oder &#x017F;on&#x017F;t ei-<lb/>
nen Ort &#xA75B;c. Mein größter, wichtig&#x017F;ter Wun&#x017F;ch i&#x017F;t der; &#x017F;ollte<lb/>
ich nach Varnhagen &#x017F;terben, &#x017F;o i&#x017F;t der von meinen Ge&#x017F;chwi-<lb/>
&#x017F;tern, der dafür nicht &#x017F;orgt, mein ewiger, bitterer Feind!!!</p><lb/>
            <p>Mein Klavier bitte ich &#x017F;ehr, Schwe&#x017F;ter Ro&#x017F;e zu <hi rendition="#g">&#x017F;chicken</hi>!<lb/>
&#x2014; es geht zu Wa&#x017F;&#x017F;er. &#x2014; Weil die mich &#x017F;ehr liebt, &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;pielt,<lb/>
und mich hunderttau&#x017F;endmal daran hat &#x017F;itzen &#x017F;ehen, im väterli-<lb/>
chen und mütterlichen Hau&#x017F;e; in Kinderthränen beim Lernen, in<lb/>
Mädchenthränen, das Herz voller Wün&#x017F;che, und vaguem we-<lb/>
nigen Hoffen; kurz, in allen nur möglichen Ab&#x017F;tufungen vor<lb/>
Leid, Freude, und Stimmungen, und Gedanken. An die&#x017F;em<lb/>
Klavier dacht&#x2019; ich mir beinah alles aus. Stirbt auch Ro&#x017F;e,<lb/>
kann es Varnhagen zum An&#x017F;ehen bekommen.</p><lb/>
            <p>Dann be&#x017F;itze ich einen kleinen Ring von Smaragden und<lb/>
Perlen; &#x017F;o lange mein Vater lebte, war dies das <hi rendition="#g">einzige</hi><lb/>
Ge&#x017F;chenk von meiner Mutter; als ich &#x017F;echszehn Jahr alt war,<lb/>
&#x017F;ah ich ihn in einem engli&#x017F;chen Laden in Pyrmont; ich hatte<lb/>
gar zu große Lu&#x017F;t dazu, Mama kaufte ihn mir für einen hal-<lb/>
ben Louisd&#x2019;or. Ich nannt&#x2019; ihn in jüngern Jahren Wielands<lb/>
Pfla&#x017F;ter, &#x2014; Straßen-, oder Garten-Pfla&#x017F;ter, wie es wohl in<lb/>
&#x017F;einen Mährchen vorkommt. Später dachte ich mir aus, ihn<lb/>
wegzugeben, wenn ich in unbedingtem Glück &#x2014; ich hielt es<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0398] gelten, noch einen nur im mindeſten ſchwer zu öffnenden Deckel hat: mein Sargdeckel ſoll von Glas ſein, und wären es auch, welches ich ſogar will, die kleinſten grünen Glasſchei- ben. Der Sarg ſelbſt wird nicht in die Erde gegraben, ſon- dern in ein wenn auch noch ſo kleines Häuschen geſetzt — etwa wie ein kleines ganz geringes Wachthäuschen bei Bau- ten, oder dgl. — oder in Souterrain-Zimmer, oder ſonſt ei- nen Ort ꝛc. Mein größter, wichtigſter Wunſch iſt der; ſollte ich nach Varnhagen ſterben, ſo iſt der von meinen Geſchwi- ſtern, der dafür nicht ſorgt, mein ewiger, bitterer Feind!!! Mein Klavier bitte ich ſehr, Schweſter Roſe zu ſchicken! — es geht zu Waſſer. — Weil die mich ſehr liebt, ſelbſt ſpielt, und mich hunderttauſendmal daran hat ſitzen ſehen, im väterli- chen und mütterlichen Hauſe; in Kinderthränen beim Lernen, in Mädchenthränen, das Herz voller Wünſche, und vaguem we- nigen Hoffen; kurz, in allen nur möglichen Abſtufungen vor Leid, Freude, und Stimmungen, und Gedanken. An dieſem Klavier dacht’ ich mir beinah alles aus. Stirbt auch Roſe, kann es Varnhagen zum Anſehen bekommen. Dann beſitze ich einen kleinen Ring von Smaragden und Perlen; ſo lange mein Vater lebte, war dies das einzige Geſchenk von meiner Mutter; als ich ſechszehn Jahr alt war, ſah ich ihn in einem engliſchen Laden in Pyrmont; ich hatte gar zu große Luſt dazu, Mama kaufte ihn mir für einen hal- ben Louisd’or. Ich nannt’ ihn in jüngern Jahren Wielands Pflaſter, — Straßen-, oder Garten-Pflaſter, wie es wohl in ſeinen Mährchen vorkommt. Später dachte ich mir aus, ihn wegzugeben, wenn ich in unbedingtem Glück — ich hielt es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/398
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/398>, abgerufen am 29.04.2024.