Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

schlimmer ist, unser Schicksal ändert sich auch nicht: denn,
woraus besteht es, als aus uns selbst! Und nun wissen Sie
noch Einmal alles: und noch obenein, daß sich unser Stil
auch nicht ändert; dies zeigt uns das still- und tiefere Stu-
dium Goethens, und aller andern Menschen; und dann noch
Einmal, ich. Hab' ich Ihnen wohl je andere Morgenbillets
geschrieben, als das hier über Meer und über Zeit? Es wird
uns nach ihr (nach der Zeit) weiter gar nichts fehlen -- zu
hier -- als, daß wir wissen, daß Sie Brinckmann heißen,
und ich Rahel. Eines sollen Sie nur noch wissen, weil Sie
es, glaube ich, sonst nicht genau wußten. Meine größte
Kränkung besteht darin, daß ich in keinem Garten lebe; in
keiner Gegend; mit Einem Wort, auf keinem Ort, wo ich
aus der Thür' in's Grüne trete: aus dem Fenster dahin sehe.
Es liegt nicht in meinem Schicksal, mir das zu schaffen, was
mir das Wichtigste ist; nur das liegt drin; daß ich das bin,
was mir das Wichtigste ist. Verstandum? (kein Witz auf
dumm, nur eine lateinische Frage, aus Spott und Verzweif-
lung:) diese Kränkung aber greift in alle Stunden ein; und
darum halte ich sie für eine. Große Herzensschläge, die man
nur mit sich abmacht, existiren für mich nicht mehr. Nur Un-
gemach; und Privationen -- der "fünf nöthigen Dinge."
Nie wird etwas gesprochen oder gelesen, was Sie hätten hö-
ren, oder sagen müssen, wo ich Sie nicht laut nenne: und
Varnhagen kennt sie, und spricht von Ihnen, wie wir Andern.
(Ich bin Einmal treu gemacht: mir treu; und so auch allem.
Daran können Sie nun wissen, daß, geschieht ein Loslassen,
es kam immer von den Andern; ihr Katholischwerden allein

ſchlimmer iſt, unſer Schickſal ändert ſich auch nicht: denn,
woraus beſteht es, als aus uns ſelbſt! Und nun wiſſen Sie
noch Einmal alles: und noch obenein, daß ſich unſer Stil
auch nicht ändert; dies zeigt uns das ſtill- und tiefere Stu-
dium Goethens, und aller andern Menſchen; und dann noch
Einmal, ich. Hab’ ich Ihnen wohl je andere Morgenbillets
geſchrieben, als das hier über Meer und über Zeit? Es wird
uns nach ihr (nach der Zeit) weiter gar nichts fehlen — zu
hier — als, daß wir wiſſen, daß Sie Brinckmann heißen,
und ich Rahel. Eines ſollen Sie nur noch wiſſen, weil Sie
es, glaube ich, ſonſt nicht genau wußten. Meine größte
Kränkung beſteht darin, daß ich in keinem Garten lebe; in
keiner Gegend; mit Einem Wort, auf keinem Ort, wo ich
aus der Thür’ in’s Grüne trete: aus dem Fenſter dahin ſehe.
Es liegt nicht in meinem Schickſal, mir das zu ſchaffen, was
mir das Wichtigſte iſt; nur das liegt drin; daß ich das bin,
was mir das Wichtigſte iſt. Verſtandum? (kein Witz auf
dumm, nur eine lateiniſche Frage, aus Spott und Verzweif-
lung:) dieſe Kränkung aber greift in alle Stunden ein; und
darum halte ich ſie für eine. Große Herzensſchläge, die man
nur mit ſich abmacht, exiſtiren für mich nicht mehr. Nur Un-
gemach; und Privationen — der „fünf nöthigen Dinge.“
Nie wird etwas geſprochen oder geleſen, was Sie hätten hö-
ren, oder ſagen müſſen, wo ich Sie nicht laut nenne: und
Varnhagen kennt ſie, und ſpricht von Ihnen, wie wir Andern.
(Ich bin Einmal treu gemacht: mir treu; und ſo auch allem.
Daran können Sie nun wiſſen, daß, geſchieht ein Loslaſſen,
es kam immer von den Andern; ihr Katholiſchwerden allein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0163" n="155"/>
&#x017F;chlimmer i&#x017F;t, un&#x017F;er Schick&#x017F;al ändert &#x017F;ich auch nicht: denn,<lb/>
woraus be&#x017F;teht es, als aus uns &#x017F;elb&#x017F;t! Und nun wi&#x017F;&#x017F;en Sie<lb/>
noch Einmal alles: und noch obenein, daß &#x017F;ich un&#x017F;er Stil<lb/>
auch nicht ändert; dies zeigt uns das &#x017F;till- und tiefere Stu-<lb/>
dium Goethens, und aller andern Men&#x017F;chen; und dann noch<lb/>
Einmal, ich. Hab&#x2019; ich Ihnen wohl je andere Morgenbillets<lb/>
ge&#x017F;chrieben, als das hier über Meer und über Zeit? Es wird<lb/>
uns nach ihr (nach der Zeit) weiter gar nichts fehlen &#x2014; zu<lb/>
hier &#x2014; als, daß wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß Sie Brinckmann heißen,<lb/>
und ich Rahel. Eines &#x017F;ollen Sie nur noch wi&#x017F;&#x017F;en, weil Sie<lb/>
es, glaube ich, &#x017F;on&#x017F;t nicht genau wußten. Meine größte<lb/>
Kränkung be&#x017F;teht darin, daß ich in keinem Garten lebe; in<lb/>
keiner Gegend; mit Einem Wort, auf keinem Ort, wo ich<lb/>
aus der Thür&#x2019; in&#x2019;s Grüne trete: aus dem Fen&#x017F;ter dahin &#x017F;ehe.<lb/>
Es liegt nicht in meinem Schick&#x017F;al, mir das zu &#x017F;chaffen, was<lb/>
mir das Wichtig&#x017F;te i&#x017F;t; nur das liegt drin; daß ich das bin,<lb/>
was mir das Wichtig&#x017F;te i&#x017F;t. Ver&#x017F;tandum? (kein Witz auf<lb/>
dumm, nur eine lateini&#x017F;che Frage, aus Spott und Verzweif-<lb/>
lung:) die&#x017F;e Kränkung aber greift in alle Stunden ein; und<lb/>
darum halte ich &#x017F;ie für eine. Große Herzens&#x017F;chläge, die man<lb/>
nur mit &#x017F;ich abmacht, exi&#x017F;tiren für mich nicht mehr. Nur Un-<lb/>
gemach; und Privationen &#x2014; der &#x201E;fünf nöthigen Dinge.&#x201C;<lb/>
Nie wird etwas ge&#x017F;prochen oder gele&#x017F;en, was Sie hätten hö-<lb/>
ren, oder &#x017F;agen mü&#x017F;&#x017F;en, wo ich Sie nicht laut nenne: und<lb/>
Varnhagen kennt &#x017F;ie, und &#x017F;pricht von Ihnen, wie wir Andern.<lb/>
(Ich bin Einmal treu gemacht: mir treu; und &#x017F;o auch allem.<lb/>
Daran können Sie nun wi&#x017F;&#x017F;en, daß, ge&#x017F;chieht ein Losla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
es kam immer von den Andern; ihr Katholi&#x017F;chwerden allein<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0163] ſchlimmer iſt, unſer Schickſal ändert ſich auch nicht: denn, woraus beſteht es, als aus uns ſelbſt! Und nun wiſſen Sie noch Einmal alles: und noch obenein, daß ſich unſer Stil auch nicht ändert; dies zeigt uns das ſtill- und tiefere Stu- dium Goethens, und aller andern Menſchen; und dann noch Einmal, ich. Hab’ ich Ihnen wohl je andere Morgenbillets geſchrieben, als das hier über Meer und über Zeit? Es wird uns nach ihr (nach der Zeit) weiter gar nichts fehlen — zu hier — als, daß wir wiſſen, daß Sie Brinckmann heißen, und ich Rahel. Eines ſollen Sie nur noch wiſſen, weil Sie es, glaube ich, ſonſt nicht genau wußten. Meine größte Kränkung beſteht darin, daß ich in keinem Garten lebe; in keiner Gegend; mit Einem Wort, auf keinem Ort, wo ich aus der Thür’ in’s Grüne trete: aus dem Fenſter dahin ſehe. Es liegt nicht in meinem Schickſal, mir das zu ſchaffen, was mir das Wichtigſte iſt; nur das liegt drin; daß ich das bin, was mir das Wichtigſte iſt. Verſtandum? (kein Witz auf dumm, nur eine lateiniſche Frage, aus Spott und Verzweif- lung:) dieſe Kränkung aber greift in alle Stunden ein; und darum halte ich ſie für eine. Große Herzensſchläge, die man nur mit ſich abmacht, exiſtiren für mich nicht mehr. Nur Un- gemach; und Privationen — der „fünf nöthigen Dinge.“ Nie wird etwas geſprochen oder geleſen, was Sie hätten hö- ren, oder ſagen müſſen, wo ich Sie nicht laut nenne: und Varnhagen kennt ſie, und ſpricht von Ihnen, wie wir Andern. (Ich bin Einmal treu gemacht: mir treu; und ſo auch allem. Daran können Sie nun wiſſen, daß, geſchieht ein Loslaſſen, es kam immer von den Andern; ihr Katholiſchwerden allein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/163
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/163>, abgerufen am 06.05.2024.